Gemeinderäte einig, Bürger-Initiative auf Konfrontations-Kurs und Interessen-Gemeinschaft auf Kompromiss-Suche. Zur aktuellen Lage.
Von Alfred Raths
In Reichertshofen kocht bekanntlich seit geraumer Zeit die Volksseele. Grund dafür ist das Rathaus. Bürgermeister Michael Franken und sämtliche Gemeinderäte wollen, so die derzeitige Beschlusslage, einen Neubau errichten und das alte Rathaus sanieren. Eine Bürgerinitiative setzt sich indes seit einigen Wochen dafür ein, eben kein neues Rathaus hinzustellen, sondern das bisherige auf Vordermann zu bringen – diesbezüglich könnte es einen Bürgerentscheid geben. Ebenfalls jüngst formiert hat sich die Interessen-Gemeinschaft "Ja zum historischen Rathaus" – die sich zwar ebenfalls gegen einen Neubau wendet, aber in einigen Punkten den Lokalpolitikern angenähert hat. Das geht aus einer gemeinsamen Mitteilung hervor, die heute veröffentlicht wurde: Man hat demnach gemeinsame Ziele identifiziert und will weitere Kompromisslinien suchen.
Im Januar war vom Gemeinderat die Errichtung eines neuen Rathauses auf dem „Unteren Markt“ beschlossen worden. Zugleich soll demnach das alte Rathaus saniert werden. Insgesamt rechnet man dafür mit Kosten in Höhe von etwa zwölf Millionen Euro. Zuvor – genauer gesagt: bereits seit dem Jahr 2015 – äußersten unter anderem im Rahmen des „Integrierten städtebaulichen Konzepts“ die Bürger ihre Meinung dazu. Vorschläge für einen Neubau kamen dabei nicht nur von den Einwohnern, sondern auch vom ISEK-Planungsbüro und der Regierung von Oberbayern.
Erster erkennbarer Widerstand regte sich dagegen erst Anfang des vergangenen Monats bei der Veranstaltung einer Bürgerinitiative. Die war zwar damals unter der Wortführerschaft des ehemaligen hiesigen Bürgermeisters und aktuellen Vize-Landrats Anton Westner (CSU) unter der Überschrift „Bürger pro Paarhalle“ zusammengekommen und hatte eben die Zukunft derselben im Fokus. Doch am Ende war bei dieser Veranstaltung auch gleich noch die Unterschriften-Liste für ein Bürgerbegehren wider den Rathaus-Neubau aus der Tasche gezogen worden. Dem Vernehmen nach läuft die Unterschriften-Sammlung zwar eher schleppend, doch ein Bürgerentscheid ist zumindest nicht ausgeschlossen.
Im Zuge dieses Bürgerbegehrens sprechen sich die potentiellen Unterzeichner eben gegen einen Rathaus-Neubau aus. Stattdessen soll das bestehende Rathaus in der Schlossgasse saniert werden, gegebenenfalls sollen im westlichen Bereich des Areals zudem weitere Räume für die Gemeinde-Verwaltung entstehen. Begründet wird diese Variante auch damit, dass das vorgesehene Grundstück für den Neubau viel zu klein sei und dass in dem anvisierten Neubau kein Sitzungssaal untergebracht werden könne. Überdies, so die Neubau-Gegner, gebe es am neuen Standort auch zu wenig Parkplätze.
Kurz nachdem die Bürgerinitiative getagt hatte, rief die Interessen-Gemeinschaft „Ja zum historischen Rathaus“ zu ihrer Auftakt-Veranstaltung. In ihren Forderungen stimmen deren Vertreter im Grundsatz mit der Bürgerinitiative überein, sie unterbreiteten aber zusätzlich einen Planungsvorschlag, der auch eine gemeindliche Bebauung am „Unteren Markt“ vorsieht. Und: Im Gegensatz zur Bürgerinitiative wollte man zunächst in den Dialog mit der Gemeinde beziehungsweise mit Bürgermeister Michael Franken (JWU) treten – und sich erst danach die möglichen weiteren Schritte überlegen. Dieses Treffen fand nun am vergangenen Freitag statt; im Nachgang dazu ist heute eine gemeinsame Presse-Erklärung veröffentlicht worden. Absender sind die Gemeindeverwaltung und die Interessen-Gemeinschaft "Ja zum historischen Rathaus".
Mehr als drei Stunden saßen demnach Wolfgang und Jutta Freudenberger sowie Elmar Schwarz und Georg Hempel als Vertreter der Interessen-Gemeinschaft mit dem Reichertshofener Gemeinderat zusammen, „um Gemeinsamkeiten auszuloten und sachlich die jeweilige Position zu erläutern“. Gleich zu Beginn haben sich "alle Beteiligten" der heutigen Mitteilung zufolge auf nachstehende vier Ziele geeinigt:
- Ansprechende Gestaltung und Bebauung des „Schandflecks“ Unterer Markt nach mehr als 25 Jahren;
- Erhalt, Sanierung und Aufwertung des historischen Ensembles am Schlossberg;
- Vergrößerung und Attraktivitätssteigerung für die beengte Bücherei;
- Schaffung von zeitgemäßen, mitarbeitergerechten und ausreichenden Arbeitsplätzen zur Sicherung einer bürgerfreundlichen und bürgernahen Verwaltung.
Wie diese Ziele allerdings erreicht werden sollen, darüber habe "noch kein Einvernehmen" erzielt werden können, räumen beide Seiten ein. "Bis zu einem zweiten Treffen in zirka vier Wochen sollen nun weitere Kompromisslinien abgeglichen werden", heißt es weiter. Das Signal, das gesendet wird, ist unmissverständlich: Man will im Gespräch bleiben und nicht die Konfrontation in den Vordergrund stellen.
Die Fraktionsvertreter Erwin Strasser, Helga Dorfner-Huber (beide JWU), Gabi Breitmoser, Josef Pfab (beide CSU) Ludwig Heigl, Georg Link (beide Freie Wähler) und Waltraud Schembera (SPD) sowie Gemeinde-Oberhaupt Franken unterstrichen aber der Mitteilung zufolge in der Versammlung, dass aus ihrer Sicht die Ziele nur erreicht werden könnten, wenn Bücherei, Vereine, Spielgruppen, Zwergerlpark, VHS und weitere Einrichtungen in das alte und neue Schloss als Kultur- und Bürgerschloss mit Bücherei sowie die Verwaltung in ein neues Rathaus an den "Unteren Markt" ziehen – da nur in diesem Fall "nennenswerte Zuschüsse der Städtebau-Förderung zu erwarten" seien. "Das Schloss zurück in Bürgerhand", wird hier das Schlagwort genannt.
Wolfgang Freudenberger präsentierte – so wird erklärt – die Überlegungen der Interessen-Gemeinschaft. Kernpunkt sei: Nutzung des neuen Schlosses als Rathaus, Sanierung des alten Schlosses als Bürgerhaus und Neubau einer Bücherei mit einem Veranstaltungsraum am „Unteren Markt“. Wie Jutta Freudenberger betont habe, sei ihr der "Erhalt des historischen Erbes mit altem und neuem Schloss" besonders wichtig. Sie befürchte allerdings, dass nach einem Rathaus-Neubau kein Geld mehr für die Sanierung des Ensembles vorhanden sei.
Sowohl Bürgermeister Franken als auch CSU-Rätin Breitmoser hätten unterstrichen, dass genau deshalb – also, um die Sanierung des Schloss-Ensembles zu sichern – das Zukunftskonzept des Gemeinderats aufgestellt worden sei. Demnach könne sich die Gemeinde eine Sanierung des Denkmals nur mit Mitteln der Städtebau-Förderung leisten. Diese Gelder würden jedoch nur zum Beispiel bei einer Nutzung als Bürger- und Kulturschloss fließen, nicht aber bei einer Sanierung als Rathaus.
Der Gemeinderat habe bei der Zusammenkunft betont, dass nach derzeitiger Förder-Situation sein Konzept "das finanziell günstigere, wirtschaftlichere" sei. Das Gremium könne sich vorstellen, zeitnah das Nutzungskonzept für das alte und neue Schloss als Bürger- und Kulturschloss voranzutreiben und mindestens zeitgleich mit dem Start eines Rathaus-Neubaus am „Unteren Markt“ mit der Sanierung des ersten Bauabschnitts (Altes Schloss und denkmalgeschützte Stallungen) am historischen Ensemble zu beginnen.
Die Vertreter der Interessen-Gemeinschaft wollen jetzt – so wird abschließend erklärt – die auf dem Tisch liegenden Argumente, Aussagen und Vorschläge bewerten sowie prüfen, ob damit auch die Ziele ihrer Initiative erreicht werden könnten. Bis dahin sollen von Freudenberger & Co. "keine Aktivitäten zur Durchführung eines Bürgerentscheids stattfinden", heißt es in der gemeinsamen Erklärung.
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