Appell an die Kreisräte: "Nutzen wir die Chance, die sich mit der unerwartet hohen Schlüsselzuweisung bietet, und investieren das Geld in eine klimafreundliche und enkelgerechte Welt."
Von Tobias Zell
Kerstin Schnapp, die Kreisvorsitzende der Grünen, schlägt vor, dass der Landkreis Pfaffenhofen die überraschenden Mehreinnahmen in Höhe von 1,5 Millionen Euro, die er heuer aus den so genannten Schlüsselzuweisungen vom Freistaat Bayern kassiert, in weitere Maßnahmen zum Klimaschutz stecken soll. Das wäre ihrer Meinung nach nicht nur konsequent, sondern auch sinnvoller, als schon wieder über eine noch weitere Senkung der ohnehin bereits rekordverdächtig niedrigen Kreisumlage zu philosophieren, erklärte sie heute im Gespräch mit unserer Zeitung. Und man könne obendrein zeigen, dass man es mit dem Klimaschutz wirklich ernst meine.
"Am Montag ist im Kreistag praktisch ein Wettbewerb um die besten Lösungen für den Klimaschutz im Landkreis entbrannt", sagt Schnapp. "Das freut uns natürlich sehr", so die Chefin der Grünen-Fraktion. Aber mit den von dem Gremium einhellig für dieses Jahr zur Umsetzung von zehn bis zwölf konkreten Projekten freigegeben 20 000 Euro werde man nicht weit kommen. Sie wolle nicht das von Landrat Martin Wolf (CSU) initiierte "Jahres-Aktions-Programm Klimaschutz" kritisieren, betont Schnapp. Denn das sei ein gutes und wichtiges Signal an die Bevölkerung. Doch zugleich mahnt sie: "Es geht nicht darum, jetzt vollmundig möglichst viele potenzielle Projekte zu benennen und zu sammeln, sondern sie auch tatsächlich umzusetzen."
"Bevölkerung aufrütteln"
Beim Klimaschutz, so heißt es aus der Landkreis-Verwaltung, werde der Grundsatz eines Dreisprungs verfolgt: Energie einsparen, Energie-Effizienz steigern und die Nutzung erneuerbarer Energieträger ausbauen. Hierbei gebe es viele Ansatzpunkte. Im Kreis Pfaffenhofen sollen auf Wolfs Initiative hin nun neben den längerfristigen Projekten zusätzlich "schlaglichtartig" Aktionen zum Klimaschutz durchgeführt werden, "um das Bewusstsein in der Bevölkerung für das Thema hochzuhalten". Konkret schweben ihm zehn bis zwölf Aktionen vor, "die die Bevölkerung aufrütteln", erklärte er am Montag im Kreistag.
Wolf wünschte sich, dass alle Fraktionen Vorschläge einbringen. Die Bürger sollten über die Landkreis-Politiker sagen können: "Jawoll, die haben den Ernst der Lage voll erkannt." Denn, so Wolf: "Wir haben eine große Verantwortung." Welche Projekt-Vorschläge am Ende realisiert werden, darüber soll nach den Worten des Landrats der Umwelt-Ausschuss befinden. Man möge aber die Maßnahmen auswählen, welche die Bevölkerung "am meisten berühren". Dieses Grund-Konzept wurde im Kreistag einstimmig abgesegnet, zugleich gab das Gremium die vorgeschlagenen 20 000 Euro für Aktionen frei.
Jede Menge Vorschläge
Man finde die Idee gut, erklärte Kreisrat und Landtags-Abgeordneter Karl Straub (CSU). Seiner Meinung nach dürfen auch gern mehr als zwölf Projekte realisiert werden: Die Christsozialen legten – wie berichtet – noch in der Sitzung einen Katalog mit zehn möglichen Maßnahmen vor. Die SPD hat nach den Worten von Markus Käser bereits 25 Ideen zusammengetragen. Siegfried Ebner benannte für die ÖDP ein erstes Projekt, weitere Vorschläge sollen folgen. Und die Grünen haben laut Schnapp eine Liste mit 24 Punkten an das Landratsamt geschickt. Unter anderem regen sie ein stärkeres Engagement für naturnahen und nachhaltigen Tourismus sowie die weitere Verringerung des CO2-Ausstoßes beim Landkreis-Fuhrpark an. Ausschreibungen und Beschaffungen des Landkreises sowie bei den Tochter-Unternehmen sollten sich künftig an Klimaschutz- und Nachhaltigkeit-Kriterien orientieren, so Schnapp weiter.
Um zu zeigen, dass man es wirklich ernst meint, sollte man nach Dafürhalten der Grünen-Kreisvorsitzenden gleich die ohnehin nicht einkalkulierten Mehreinnahmen in Klimaschutz-Projekte stecken. Wie berichtet, fließt auch heuer im Zuge der so genannten Schlüsselzuweisungen des Freistaats Bayern jede Menge Geld in den Landkreis Pfaffenhofen. Wie Straub am vergangenen Donnerstag kundgetan hatte, sind es diesmal insgesamt rund 21,4 Millionen Euro – im Vorjahr waren es sogar 24 Millionen Euro. Davon erhalten die Gemeinden zusammengerechnet rund 5,9 Millionen Euro (Vorjahr: 8,02 Millionen), der Landkreis selbst darf sich über 15,5 Millionen Euro (Vorjahr: 15,89 Millionen) freuen.
Unerwarteter Geldsegen
Kreiskämmerer Walter Reisinger hatte für heuer lediglich mit 14 Millionen Euro an Einnahmen aus den Schlüsselzuweisungen gerechnet. Will sagen: Der Landkreis kann stolze 1,5 Millionen Euro mehr verbuchen als gedacht. Um diese Größenordnung einschätzen zu können, kann folgender Vergleich herangezogen werden: Jeder Punkt beim Kreisumlagen-Hebesatz bedeutet für den Kreis Pfaffenhofen laut Reisinger umgerechnet Einnahmen in Höhe von etwa 1,6 Millionen Euro. Das liefert den Bürgermeistern im Landkreis neue Argumente, um sich für eine weitere Reduzierung des Hebesatzes auszusprechen.
Der Hebesatz der Kreisumlage, er beträgt im Kreis Pfaffenhofen aktuell 45 Punkte, legt – vereinfacht gesagt – fest, welchen Anteil ihrer Einnahmen die 19 Gemeinden an den Landkreis abliefern müssen, damit der seine Aufgaben erfüllen, Investitionen tätigen und Personal bezahlen kann. Die Kreisumlage ist alljährlich die größte und damit wichtigste Einnahme-Quelle des Landkreises. Andererseits haben die Kommunen freilich grundsätzlich ein Interesse an einem niedrigen Hebesatz – damit möglichst viel Geld bei ihnen, für eigene Projekte, bleibt. In den vergangenen Jahren betrug der hiesige Kreisumlage-Hebesatz unverändert 45,0 Punkte. Das war zuletzt der niedrigste Wert in Oberbayern – der Durchschnitt lag bei gut 49 Punkten.
Kreisumlage soll sinken
Bei der traditionellen Klausur-Tagung im Spätherbst vergangenen Jahres hatten sich die Spitzen der Kreistags-Fraktionen auf Folgendes verständigt: Der Hebesatz der Pfaffenhofener Kreisumlage soll heuer von 45 Punkten um 1,5 auf dann 43,5 Punkte sinken. Offiziell beschlossen werden muss das erst noch vom Kreistag, in Zusammenhang mit dem Kreis-Etat. Landrat Wolf hatte diese Übereinkunft aber nach dem Treffen gegenüber unserer Redaktion bestätigt. Außerdem, so ließ er wissen, habe man sich im Rahmen einer Absichts-Erklärung darauf verständigt, dass der auf 43,5 Punkte reduzierte Hebesatz dann auch im Jahr 2020 auf diesem gesenkten Niveau verharren soll – falls nicht einschneidende Ereignisse dazwischenkommen.
Als einschneidend könnten aus Sicht der Bürgermeister die nicht einkalkulierten Mehreinnahmen aus den Schlüsselzuweisungen zu bewerten sein. Manfred Russer (CSU), Rathauschef von Hohenwart und Sprecher der 19 Gemeinde-Oberhäupter im Landkreis, hatte unserer Redaktion bereits erklärt, dass diese Finanzspritze "Spielraum nach unten" beim Kreisumlagen-Hebesatz bringt. Er geht zwar davon aus, "dass wir das Fass für heuer nicht mehr aufmachen", sprich: dass es für dieses Jahr bei der vereinbarten Senkung um 1,5 Punkte bleibt. "Sollte allerdings die Bereitschaft zu einer sofortigen weiteren Senkung da sein, wäre das natürlich zu begrüßen." Auf jeden Fall behalte man sich angesichts der neuen Entwicklung vor, den Hebesatz für 2020 neu zu beleuchten.
"Nochmal verhandeln"
Ebenso sieht das Martin Schmid, Bürgermeister von Vohburg und Chef der SPD-Fraktion im Kreistag. Er stehe zu seinem Wort, sagte er gegenüber unserer Zeitung mit Verweis auf die bei der Klausur-Tagung ausgemachte Reduzierung um 1,5 Punkte. Zugleich kündigt jedoch auch er mit Blick auf das nächste Jahr an: Man werde "nochmal über die Kreisumlage verhandeln". Die unerwartete Mehreinnahme in Höhe von 1,5 Millionen aus den Schlüsselzuweisungen "gilt es zu berücksichtigen" bei der Festlegung des Kreisumlage-Hebesatzes für 2020, postuliert er schon jetzt.
Grünen-Kreischefin Schnapp will von solchen Vorstößen nichts wissen: "Statt wieder einmal über die Senkung der Kreisumlage zu philosophieren, sollten wir die ungeplanten Mehreinnahme in Höhe von 1,5 Millionen aus den Schlüsselzuweisungen in den Klimaschutz in investieren", fordert sie. "Die vom Menschen verursachte Klima-Krise wird zur Klima-Katastrophe, wenn wir den Ausstoß von Treibhausgasen nicht drastisch reduzieren.
Schon heute nehmen weltweit extreme Wetter-Ereignisse wie Stürme, Hitze und Dürren stark zu." Der Klimawandel sei auch im Kreis Pfaffenhofen bereits spürbar. "Leider wird es nötig sein, die Bürger zu beraten, wie sie ihr Eigentum vor den Folgen des Klimawandels schützen können", so Schnapp weiter.
Grüne sehen viele Arbeitsfelder
Es gelte unter anderem, sowohl ein Klimaschutz-Konzept als auch ein Klima-Anpassungs-Konzept gemeinsam mit Kommunen, Unternehmen und Bürgern für den zu Landkreis erstellen. "Arbeitsfelder, die man mit 1,5 Millionen Euro zeitnah beackern könnte, gibt es jedenfalls genug", so Schnapp.
Die Palette reiche von kleinen Aktionen wie einem Klimaschutz-Preis bis hin zum forcierten Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und damit der Stärkung von klimafreundlicher Mobilität. "Klimaschutz ohne Verkehrswende, ohne Dekarbonisierung der Mobilität, wird nicht gelingen", prophezeit Schnapp. "Unabdingbar für zukunfts-orientierte Verkehrspolitik im Landkreis ist das bereits beschlossene Mobilitäts-Konzept von dem ich hoffe, dass wir es bis Herbst vorgelegt bekommen."
Kleinere Vorhaben – wie zum Beispiel die Beteiligung des Landkreises am "Stadtradeln", die Zertifizierung der Kreis-Verwaltung als fahrrad-freundlicher Arbeitgeber oder auch ein Förder-Programm für Klimaschutz-Projekte von Kindern und Jugendlichen – lassen, sich laut Schnapp vielleicht mit den für heuer freigegebenen 20 000 Euro umsetzen. Doch mit zusätzlichen 1,5 Millionen Euro könnte man auch Größeres anschieben. Sie verweist dabei auch auf drei am Montag präsentierte CSU-Vorschläge: Forschungs-Projekt zur Wasserkraft, Veranstaltung einer "Grünen Woche" und Schaffung eines "Online-Hofladens". Oder, wie etwa von der SPD angeregt: Beschleunigung der Erneuerbare-Energie-Produktion und verstärkte Energie-Effizienz-Maßnahmen bei Landkreis-Liegenschaften.
Schnapp appelliert an die Kreisräte: "Nutzen wir also die Chance, die sich uns mit der unerwartet hohen Schlüsselzuweisung bietet, und investieren das Geld in eine klimafreundliche und damit enkelgerechte Welt."
Zum Hintergrund:
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