Laut NGG-Berechnungen haben die Beschäftigten im vergangenen Jahr damit den Unternehmen 25 Millionen Euro geschenkt.
(ty) Wenn die Leute im Landkreis Pfaffenhofen richtig schuften, dann kommt ein Berg von Überstunden heraus: Rund 1,8 Millionen Arbeitsstunden haben die Beschäftigten hier im vergangenen Jahr zusätzlich geleistet. Davon eine Million Überstunden zum Nulltarif – ohne Bezahlung. Das gehe aus dem "Überstunden-Monitor" hervor, den das Pestel-Institut im Auftrag der Gewerkschaft "Nahrung, Genuss, Gaststätten" (NGG) erstellt habe. Demnach, so betont die Gewerkschaft in einer heutigen Mitteilung, "haben alle Beschäftigten den Unternehmen im Kreis Pfaffenhofen 25 Millionen Euro geschenkt".
Allein in Hotels und Gaststätten leisteten die Beschäftigten im Kreis Pfaffenhofen laut NGG im vergangenen Jahr rund 47 000 Überstunden. Das habe das Pestel-Institut auf Basis des Mikrozensus berechnet. Die Wissenschaftler seien von bundesweiten Durchschnittswerten ausgegangen. Demnach seien 45 Prozent aller im Landkreis Pfaffenhofen geleisteten Überstunden im Gastgewerbe unbezahlt gewesen. Für das vergangene Jahr bedeutet dies – bei zwölf Euro Lohnkosten pro Stunde für den Arbeitgeber – ein "Lohn-Geschenk" von 250 000 Euro.
"Von der Küchenhilfe im Hotel bis zum Kellner im Biergarten: Wer im Gastgewerbe arbeitet, ist auf jeden Euro angewiesen. Dabei sind 52 Prozent dieser Arbeitsplätze im Kreis Minijobs", sagt NGG-Geschäftsführer Rainer Reißfelder. Das Problem der 450-Euro-Kräfte: Sie dürften keinen Euro hinzuverdienen. "Also werden die Überstunden entweder gar nicht oder schwarz bezahlt – bar auf die Hand." Reißfelder fordert unmissverständlich: "Statt Minijobber mit 450 Euro abzuspeisen, sollte das Gastgewerbe endlich mehr Menschen regulär beschäftigen und ordentlich bezahlen."
Die NGG geht nach eigenem Bekunden in Sachen Arbeitszeit jetzt in die Offensive: Sie stellt sich demnach mit der Gastgewerbe-Kampagne "#fairdient" hinter die rund 2000 Beschäftigten in den Hotels, Restaurants und Gaststätten im Kreis Pfaffenhofen. Denn ihnen drohe – über den verlorenen Lohn bei Umsonst-Überstunden hinaus – noch ein anderes Problem, behauptet die Gewerkschaft: Der Deutsche Hotel- und Gaststätten-Verband (Dehoga) dränge die Bundesregierung, die Arbeitszeiten noch flexibler zu machen. "Es geht darum, das Arbeitszeit-Gesetz zu durchlöchern", kritisiert Reißfelder. "Ziel der Arbeitgeber ist es, die Höchstarbeitszeit auf bis zu 13 Stunden pro Tag auszuweiten."
Der Dehoga werde sich allerdings mit seinem Vorstoß "ein Eigentor schießen", prophezeit die NGG. Denn das Hotel- und Gaststätten-Gewerbe könnte – so findet jedenfalls die Gewerkschaft – durch eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit an Attraktivität einbüßen. "Gerade junge Menschen werden dadurch verschreckt", meint Reißfelder: Und das bei der – im Branchenvergleich – ohnehin schon besonders niedrigen Ausbildungsquote." Er warnt: Mehr arbeiten zu müssen, bedeute immer auch ein höheres Gesundheitsrisiko. "Schlafstörungen, Erschöpfung, Rückenschmerzen und sogar Arbeitsunfälle können die Folge sein." Die bestehende Regelung der Arbeitszeit sei deshalb ein wichtiger Schutz der Beschäftigten.
Im Gastgewerbe sei es – so die NGG weiter – bereits heute gang und gäbe, überdurchschnittlich oft an Wochenenden und Feiertagen, spätabends und auf Abruf zu arbeiten. "Dazu kommt ein guter Flex-Faktor durch Arbeitszeit-Konten", so Reißfelder. In Tarifverträgen habe die NGG mit dem Dehoga vielfältige Arbeitszeit-Modelle vereinbart. "Zu viele Betriebe setzen diese aber gar nicht in der Praxis um, sondern wollen einen Freifahrtschein", kritisiert der Gewerkschafter. "Wir fordern die Unternehmen auf, sich an diese Regelungen zu halten und die Dienstpläne frühzeitig und verlässlich zu schreiben."
Was die Gegenseite sagt
Mit Bestürzung und deutlichen Worte hatte der Pfaffenhofener Hotelier Sven Tweer, hiesiger Kreischef des Deutschen Hotel- und Gaststätten-Verbands (Dehoga), bereits im April gegenüber unserer Zeitung auf massive Kritik von der NGG reagiert. Wie berichtet, hatte die Gewerkschaft vor immer extremeren Arbeitszeiten gewarnt. Im Kreis Pfaffenhofen seien "gelernte Fachkräfte längst am Limit", monierte die NGG damals und unterstellte: Wenn es nach der Dehoga gehe, sollten 13-Stunden-Arbeitstage bald der Normalfall sein.
Das wollte Tweer keinesfalls so stehen lassen: "Das Schreckens-Szenario der NGG ist absolut an der Realität vorbei", stellt er gegenüber unserer Redaktion klar und legte dar: Anforderungen und Wünsche an den Arbeitsmarkt hätten sich gerade bei den Arbeitnehmern in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Lesen Sie dazu einen ausführlichen Bericht: "Das Schreckens-Szenario der NGG ist absolut an der Realität vorbei"