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Der Pfaffenhofener Hotelier und Dehoga-Kreischef Sven Tweer weist Kritik der Gewerkschaft zurück und nennt sieben Kernforderungen in Sachen Arbeitszeit.

(ty) Mit Bestürzung reagiert Sven Tweer, Hotelier und Pfaffenhofener Kreischef des Deutschen Hotel- und Gaststätten-Verbands (Dehoga), auf massive Kritik von der Gewerkschaft "Nahrung, Genuss, Gaststätten" (NGG). Wie berichtet, warnte diese vor immer extremeren Arbeitszeiten. Im Kreis Pfaffenhofen seien "gelernte Fachkräfte längst am Limit", monierte die NGG und unterstellte: Wenn es nach der Dehoga gehe, sollten 13-Stunden-Arbeitstage bald der Normalfall sein. Das will Tweer keinesfalls so stehenlassen: "Das Schreckens-Szenario der NGG ist absolut an der Realität vorbei", stellt er klar. Anforderungen und Wünsche an den Arbeitsmarkt hätten sich gerade bei den Arbeitnehmern in den vergangenen Jahren stark gewandelt.

Das heutige System zur Arbeitszeit-Regelung gehe an der Arbeits- und Lebensrealität von Arbeitnehmern und Unternehmen vorbei, so Tweer. Unter anderem seien die aktuellen Regelungen nicht geeignet, die veränderten Bedürfnisse von Arbeitnehmern abzubilden, um die Anforderungen des privaten Lebens mit dem Berufsleben in Einklang zu bringen. Rund 40 000 Betriebe in Bayern mit 447 000 Erwerbstätigen hätten jeden Tag damit zu kämpfen, dass die tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden – die unter bestimmten Voraussetzungen auf maximal zehn Stunden verlängert werden könne – nichts mehr mit der Realität zu tun habe.  "Wir brauchen einfache, transparente und flexible Arbeitszeit-Regelungen", sagt Tweer. "Wir fordern gemeinsam für Arbeitnehmer und Arbeitgeber mehr Flexibilität."

Angesichts der Tatsache, dass heutzutage Waren und Dienstleistungen zu jeder Zeit und an jedem Ort abrufbar seien, hält der Pfaffenhofener Gastronom die bestehenden Arbeitszeit-Vorgaben für kaum noch nachvollziehbar und nicht mehr zeitgemäß. "Diese Regelungen basieren im Wesentlichen auf Anforderungen, die Arbeitnehmer und Unternehmen in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts", sagt Tweer. Die Arbeits- und Lebensrealität habe sich aber für alle seit Mitte der 1980er Jahre massiv verändert.

"Oft wird von Gewerkschaften behauptet, dass es bei der neuen Ausrichtung der Arbeitszeit-Regelungen darum geht, Menschen in Deutschland und Bayern länger und mehr arbeiten zu lassen. Das ist nicht richtig", betont Tweer. Es gehe darum, das zulässige Arbeitszeit-Volumen – also die Zeit, die ein Arbeitnehmer arbeitet – flexibler als heute zu verteilen. "Nur so können wir uns auch in Zukunft mit die kürzesten Arbeitszeiten im weltweiten Vergleich leisten", mahnt er. "Ich verstehe nicht, warum die Gewerkschaften den Mitarbeitern diese Flexibilität nicht gönnen. In Vollzeit vier Tage arbeiten und dann drei Tage frei haben – auch das könnte ein tolles Angebot sein. "

Flexibilität in der Arbeitszeit hält Tweer übrigens für keinen Selbstzweck. Sie biete mehr Gestaltungs-Möglichkeiten für Arbeitnehmer und Firmen. Deshalb liege sie im gemeinschaftlichen Interesse aller Beteiligten. "Wir brauchen eine Balance zwischen den Erwartungen der Kunden, den Flexibilitäts-Wünschen der Mitarbeiter und den Flexibilitäts-Erfordernissen der Betriebe." Zufriedene Kunden seien eine zwingende Voraussetzung dafür, dass Unternehmen am Markt bestehen und sichere Arbeitsplätze bieten könnten, während Arbeitnehmer mehr freie Gestaltungs-Möglichkeiten wollten. Es gehe dabei keineswegs um eine Erhöhung, sondern lediglich um eine flexiblere Verteilung des bestehenden Arbeits-Volumens.

Die derzeitige Problematik macht der Pfaffenhofener Hotelier und Gastronom an praktischen Beispielen deutlich: So habe ein Biergarten-Betreiber aufgrund der ursprünglichen Wetter-Vorhersage das Serviceteam erst für 15 Uhr eingeteilt. Wider Erwarten scheine am Morgen die Sonne und zahlreiche Gäste strömen in den Biergarten. "Die Service-Mitarbeiter fangen so bereits um 11 Uhr an zu arbeiten, statt wie geplant um 15 Uhr, und können aufgrund des großen Andrangs auch vor 23 Uhr am Abend nicht ihre Arbeit beenden." Da ein gutes Biergarten-Geschäft dieser Art nur an maximal 50 Tagen pro Jahr vorkomme, könne der Wirt an so einem Tag nicht wirklich um 20 Uhr seinen Betrieb schließen.

Ein weiteres Beispiel bringt Tweer: Am Samstag findet eine Hochzeitsfeier im Gasthof statt. Die Gäste treffen nach der kirchlichen Trauung um 17 Uhr ein. Die Arbeitszeit der Mitarbeiter begann um 15 Uhr. Das Veranstaltungs-Ende war für 1 Uhr vorgesehen; aufgrund der guten Stimmung werde es jedoch 4 Uhr. Aus verständlichen Gründen könne der Gastwirt nicht um 1 Uhr die Hochzeitsfeier beenden. "Dies wäre dann sicherlich die letzte Veranstaltung dieser Art in seinem Haus", weiß Tweer. 

Der hiesige Dehoga-Kreisvorsitzende formuliert vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die NGG-Kritik in einem Statement an unsere Zeitung sieben Kernforderungen, die wir nachfolgend im Wortlaut wiedergeben:

"1. Wir benötigen einen neuen gesetzlichen Rahmen unter Beachtung des zulässigen Arbeitszeit-Volumens und Ruhezeiten, wie sie die EU-Regelungen vorsehen.

2. Wir benötigen eine flexiblere Verteilung der Arbeitszeit: Weg von einer eher täglichen Betrachtung hin zu einer wöchentlichen Betrachtung der Arbeitszeit mit maximal 48 Stunden pro Woche bei einer täglichen Mindestruhezeit, die im Betrieb entsprechend der jeweiligen Aufgaben und Tätigkeiten festgelegt wird. Hier geht es nicht darum, dass der Mitarbeiter in der Gastronomie zukünftig 48 Stunden arbeiten soll, sondern dass auch Mitarbeiter aus anderen Branchen eine realistische Möglichkeit finden, in der Gastronomie etwas dazu zu verdienen.

3. Wir brauchen flexible Lösungen für Wochenend- und Schichtarbeit unter Berücksichtigung der Mitarbeiter-Gesundheit.

4. Wir benötigen mehr individuellen Spielraum, um die gemeinschaftlichen Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern abbilden zu können.

5. Wir brauchen flexible Möglichkeiten, die die spezifischen Bedürfnisse unterschiedlicher Branchen abbilden, denn es gibt massive Unterschiede zwischen Landwirtschaft, Industrie, Handel, Handwerk und Dienstleistungen.

6. Innerhalb einer Branche müssen betriebs-spezifische Anforderungen abgebildet und individuelle Bedürfnisse von Arbeitnehmern und Unternehmen berücksichtigt werden können.

7. Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen, der die Chancen und neuen Anforderungen der Digitalisierung realitäts- und zeitnah abbildet."

Zur Kritik der Gewerkschaft NGG:

"Im Kreis Pfaffenhofen arbeiten gelernte Fachkräfte längst am Limit"


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