Logo
Anzeige
Anzeige

Staatsanwaltschaft gibt umfangreiche Details zum mutmaßlichen Vorgehen der Beschuldigten bekannt und verweist auf 30 ähnliche Taten in Deutschland und Österreich. Es geht um professionelles Handeln und um Millionen.

(ty) Nach dem Aufsehen erregenden Diebstahl des Goldschatzes aus dem Kelten-Römer-Museum in Manching, der im November 2022 verübt worden war, hat die Staatsanwaltschaft von Ingolstadt nun Anklage gegen vier Männer erhoben. Den in U-Haft sitzenden Angeschuldigten im Alter zwischen 43 und 51 Jahren soll vor dem Landgericht der Prozess gemacht werden. Ihnen wird unter anderem zur Last gelegt, den Kelten-Schatz im Wert von gut 1,5 Millionen Euro geklaut zu haben. Vorgeworfen werden ihnen aber auch viele weitere schwere Banden-Diebstähle aus den Jahren 2014 bis 2022 in Deutschland und Österreich. Einer aktuellen Mitteilung der Staatsanwaltschaft sind umfangreiche Details zu entnehmen, die auch dem Drehbuch eines Fernseh-Krimis entstammen könnten. Es geht um konzertiertes und professionelles Vorgehen, um Millionen, um Hunderte sichergestellte Gegenstände und sogar um Sozialleistungs-Betrug. Aber lesen Sie selbst.

Die Tat in Manching sorgte bundesweit für Schlagzeilen: Das Kelten-Römer-Museum war bekanntlich in der Nacht zum Dienstag, 22. November 2022, seiner wertvollsten Artefakte beraubt worden. Kriminelle drangen in den Gebäude-Komplex ein und brachen die Vitrine auf, in der sich der größte keltische Goldfund des 20. Jahrhunderts befand. Sie schnappten sich diesen Schatz sowie aus einer weiteren Vitrine noch drei Münzen und verschwanden mitsamt der Beute von Millionenwert.

Aktion dauerte nur neun Minuten

Gedauert hatte dieser filmreife Einbruch gerade einmal um die neun Minuten. Die Alarm-Anlage des Museums hatte – wie mehrfach berichtet – laut Erkenntnissen des bayerischen Landeskriminalamts (LKA) zwar ausgelöst. Doch weil zuvor ein Sabotage-Akt an einer Glasfaser-Verteilerstelle der deutschen Telekom in Manching für einen großen Telefon- und Internet-Ausfall im Raum Manching gesorgt hatte, war dieser Alarm schlicht nicht übermittelt worden.

Aus dieser Boden-Vitrine wurde der Goldschatz gestohlen.

Wegen des Verdachts auf schweren Banden-Diebstahl hat die Staatsanwaltschaft von Ingolstadt nach eigenen Angaben mittlerweile Anklage zum Landgericht von Ingolstadt gegen die Angeschuldigten R.K., A.K., J.M. und M.S. erhoben. Diesen vier Männern im Alter zwischen 43 und 51 Jahren werde vorgeworfen, in der Nacht vom 21. auf den 22. November 2022 mit Hilfe von schwerem Brechwerkzeug in das Kelten-Römer-Museum in Manching eingedrungen zu sein und den dort ausgestellten keltischen Goldschatz im Wert von 1 542 144 Euro sowie drei weitere Münzen entwendet zu haben.

13 000 Haushalte betroffen

Um bei dieser Aktion unentdeckt zu bleiben, sollen die Angeschuldigten – so der Anklage-Vorwurf – vorab einen Netz-Knotenpunkt der Telekom in Manching sabotiert haben, sodass laut Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft damals zeitweise in mehr als 13 000 Haushalten das Internet und die Telefonie ausfielen sowie außerdem 14 Mobilfunk-Standorte zusammenbrachen.

In ihrer Anklage wirft die Staatsanwaltschaft den Angeschuldigten "eine Vielzahl weiterer schwerer Banden-Diebstähle zwischen 2014 und 2022 vor, bei denen sie in unterschiedlicher Besetzung über Jahre hinweg in regelmäßigen Abständen in Verbrauchermärkte, Schnellrestaurants, Zulassungsstellen und Tankstellen einbrachen und dort Geldautomaten oder Tresore mit einem Winkelschleifer auftrennten". Die Staatsanwaltschaft geht nach eigenem Bekunden in ihrer nun erhobenen Anklage von folgendem, vor Gericht noch zu beweisenden Sachverhalt aus.

Alarm-Anlage funktionslos gestellt

"Nach den durchgeführten Ermittlungen begaben sich die Angeschuldigten in der Nacht des 22. November zum Verteiler-Haus der Telekom in Manching, stiegen dort unbemerkt ein und durchtrennten ab 0.31 Uhr mit einer Ast-Schere und einem Seitenschneider die Glasfaser-Kabel. Dies diente dem Zweck, die Alarm-Anlage des nahegelegenen Museums funktionslos zu stellen. Nachdem sie bis 1.26 Uhr abgewartet hatten, ob doch Alarm ausgelöst wurde, brachen zwei Angeschuldigte eine Seitentür des Museums mittels Brecheisen auf, während die anderen beiden Angeschuldigten die Tat außerhalb des Museums absicherten."

Sichergestellte Goldklumpen; im Hintergrund eine Vergleichsmünze. 

In dem Museum, so der weitere Vorwurf, brachen sie innerhalb von neun Minuten eine weitere Tür auf und schlugen beziehungsweise hebelten die Vitrine des Goldschatzes sowie eine weitere Vitrine brachial auf. "Sie nahmen den Schatz, welcher aus dem ersten Jahrhundert vor Christus stammt, und drei weitere Münzen an sich." Im Zuge der Ermittlungen seien später etwa 500 Gramm des 3,74 Kilogramm schweren Schatzes bei einem Angeschuldigten in zusammengeschmolzener Form sichergestellt worden. Lesen Sie dazu: So kam die Polizei auf die Spur der mutmaßlichen Goldschatz-Diebe. "Der Rest ist weiterhin unauffindbar", heißt es in der gestern veröffentlichten Presse-Mitteilung der Staatsanwaltschaft.

Wohl zuvor schon ein Versuch

Die Staatsanwaltschaft geht übrigens außerdem davon aus, "dass mindestens zwei der Angeschuldigten bereits am 5. Oktober 2021 versucht hatten, in das Museum einzudringen, und hierfür bereits einen Telekom-Verteiler-Kasten direkt vor dem Museum sabotiert hatten". Weiter heißt es dazu: "Da dies damals nicht den gewünschten Ausfall der Alarmanlage zur Folge hatte, hatten die Angeschuldigten damals eine weitere Tat-Ausführung abgebrochen."

Aufgrund der umfangreichen Ermittlungen des LKA – Soko "Oppidum" – unter Federführung der Staatsanwaltschaft Ingolstadt sei der Tatverdacht ab Februar vergangenen Jahres auf die nun Angeschuldigten gefallen. Die Männer seien Teil einer aus Schwerin stammenden Gruppierung. Die Vorgehensweise dieser Gruppierung sei dabei "ausweislich der Ermittlungen seit mittlerweile Jahrzehnten gleich", erklärt die Staatsanwaltschaft von Ingolstadt: "Nach dem Ergebnis der Ermittlungen sabotierten die Angeschuldigten vor dem eigentlichen Einbruch Verteiler-Kästen oder sogar Verteiler-Häuser der Telekom, um die Internet- und Telefon-Versorgung der gesamten Umgebung stillzulegen."

Störsender

Sie seien dabei geplant und mit hohem Fachwissen vorgegangen. "Dadurch leiteten an den Einbruchs-Objekten installierte Alarm-Anlagen einen Alarmfall nicht mehr weiter, sodass die Angeschuldigten am Objekt über Stunden hinweg ungestört agieren konnten." Vor Ort platzierten sie nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft zudem einen Störsender, einen so genannten Jammer, um eine eventuell noch vorhandene Funkverbindung ebenso zu stören. Dann verschafften sie sich den Ermittlungen zufolge gewaltsam Zutritt zum Objekt, zerstörten sämtliche Sicherheits-Elektronik und flexten – über Stunden hinweg – Tresore und Geldautomaten auf.

Umfangreiche Absuch-Maßnahmen fanden nach der Tat rund um das Museum statt; dabei waren auch Taucher im Einsatz.

"Weitere Täter sicherten von außen die Tat ab und standen mit den Tätern im Objekt in – durch den Störsender nicht gestörten – Funkkontakt", so die Staatsanwaltschaft weiter. Bei der Tat seien die mutmaßlichen Täter stets gleich ausgerüstet gewesen: Den Angaben zufolge trugen sie dunkle Ganzkörper-Anzüge – so genannte SWAT-Overalls – sowie schwarze Sturmhauben. "Sie verwendeten bei den Taten – neben den Funkgeräten – Brecheisen, Handstörsender, Schraubendreher, Winkelschleifer, Atemschutz-Masken (wegen des Flex-Staubs), Ohrenschützer, schwere Arbeitsschuhe, Rucksäcke und manchen Fällen weiteres Werkzeug wie Spreizer und Blechscheren." 

30 weitere Taten

Die Staatsanwaltschaft von Ingolstadt wirft den vier Beschuldigten in ihrer Anklage "in wechselnder Besetzung schwere Banden-Diebstähle mit dem geschilderten Modus Operandi in insgesamt 30 weiteren Fällen vor". Diese seien in den Jahren 2014 bis 2022 begangen worden. Es handele sich unter anderem um Einbrüche in Verbrauchermärkte, Zulassungsstellen, Schnellrestaurants und Tankstellen in Bad Aibling (Bayern), Ruhla (Thüringen), Schwarzheide (Brandenburg), Krummesse (Schleswig-Holstein), Nieheim (Nordrhein-Westfalen), Bispingen (Niedersachen) und Querfurt (Sachsen-Anhalt) sowie in Krems (Österreich).

"Aufgrund der sehr professionellen Vorgehensweise, welche kaum nachverfolgbare Spuren zurückließ, und des Umstands, dass die Angeschuldigten ihre Taten über das ganze Bundesgebiet und bis nach Österreich streuten, konnte die Gruppierung über diesen langen Zeitraum weitgehend ungestört agieren", so die Staatsanwaltschaft von Ingolstadt. Die nun erhobene Anklage stütze sich auf DNA-Spuren, daktyloskopische Spuren, Werkzeug-Spuren, Erkenntnisse aus Telefon-Überwachung und Mobiltelefon-Auswertung, intensive Finanz-Ermittlungen, weitere bei Durchsuchungen gefundene Beweismittel sowie Zeugen-Angaben.

Millionen-Werte sollen eingezogen werden

Die Staatsanwaltschaft von Ingolstadt beantragt laut eigener Mitteilung mit der Anklage zusätzlich beim mutmaßlichen Haupttäter eine Einziehung von Wertersatz in Höhe von 2 174 367,93 Euro für das Erlangte aus den Taten. Darin einberechnet sei auch der bis heute nicht mehr auffindbaren Teil des historisch bedeutsamen Goldschatzes aus dem Museum in Manching. Bei den übrigen Angeschuldigten sei "die Einziehung vergleichbar hoher Summen beantragt" worden, so die Justiz-Behörde.

Absuch-Maßnahmen nach der Tat.

Im Rahmen von Durchsuchungen seien im Juli vergangenen Jahres bei den jetzt Angeschuldigten "unzähliges Tatwerkzeug wie Störsender, Funkgeräte, Brecheisen, Winkelschleifer, Trennscheiben, Ganzkörper-Anzüge, Sturmhauben und auch größere Summen Bargeld sichergestellt" worden. Die Staatsanwaltschaft von Ingolstadt beantrage mit der Anklage auch die Einziehung des Genannten als Tatmittel. Es handele sich dabei insgesamt um "weit über 500 Gegenstände".

Sozialleistungs-Betrug

Neben den jetzt angeklagten Banden-Taten liege einem der vier Beschuldigten zudem Sozialleistungs-Betrug zur Last, "indem er ab Juli 2022 bis zu seiner Festnahme im Juli 2023 erst Arbeitslosengeld und dann Bürgergeld bezog, ohne offenzulegen, dass er in Wahrheit unangemeldet auf dem Bau arbeitete – Schadenspunkt: weitere 11 480,91 Euro". Ein weiterer Angeschuldigter sei zum Zeitpunkt der Durchsuchung im Besitz einer voll funktionsfähigen halbautomatischen Kurzwaffe mit Munition gewesen. Auch diesbezüglich beantragt die Staatsanwaltschaft die Einziehung.

Die vier Angeschuldigten befinden sich nach offizieller Mitteilung seit dem 18. Juli vergangenen Jahres in Untersuchungshaft. "Sie äußerten sich bislang nicht zum Tatvorwurf", teilte die Staatsanwaltschaft von Ingolstadt gestern weiter mit. Die Justiz-Behörde hat nach eigenen Angaben am 21. August dieses Jahres die besagte Anklage zum Landgericht von Ingolstadt erhoben. Über die Eröffnung des Hauptverfahrens und über die Terminierung der Hauptverhandlung werde die zuständige Strafkammer des Landgerichts entscheiden.

Zum Zeitraum zwischen der Anklage-Erhebung am 21. August und der Veröffentlichung der Presse-Mitteilung am gestrigen 3. September erklärt die Staatsanwaltschaft: Nach den Richtlinien für das Straf- und Bußgeld-Verfahren dürfe eine Anklage-Erhebung der Presse erst dann bekannt gegeben werden, wenn die Anklageschrift einem Angeschuldigten beziehungsweise dessen Verteidigung nachweislich zugegangen sei.

Nach der Tat im Museum.

Bisherige Beiträge zum Thema:

Manching: So kam die Polizei auf die Spur der mutmaßlichen Goldschatz-Diebe

Nach Goldschatz-Klau von Manching: Vier Festnahmen und Durchsuchungen

Nach dem großen Goldschatz-Klau: So gehts im Manchinger Museum weiter

Spannende TV-Doku beleuchtet auch den großen Goldschatz-Klau von Manching

Kelten-Römer-Museum Manching: "Einbruch und Diebstahl haben uns schwer getroffen"

Goldschatz-Klau in Manching: 20.000 Euro Belohnung und weitere Details zur Tat

Nach Keltenschatz-Klau in Manching: Taucher suchen mehrere Gewässer ab

Nach dem Goldschatz-Klau von Manching: Große Absuche an beiden Tatorten

So lief der filmreife Coup von Manching: Goldschatz-Klau dauerte nur neun Minuten

Keltischer Goldschatz aus Manchinger Museum geklaut: Was bisher bekannt ist

Einbruch ins Manchinger Museum: Täter erbeuten den keltischen Goldschatz

Großer Ausfall von Telefon, Internet und Mobilfunk im Bereich von Manching 


Anzeige
RSS feed