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Vertreter des in Pfaffenhofen ansässigen Landesnetzwerks für Bürgerenergie verfolgten heute vor Ort die Experten-Anhörung im Landtag – und sehen sich bestätigt

(ty) Der Wirtschaftsausschuss des bayerischen Landtags hatte heute Experten aus Wirtschaft, kommunalen Verbänden, Energie und Umweltschutz zur Anhörung in Sachen Änderung der bayerischen Bauordnung eingeladen. Konkret ging es um die von der Staatsregierung geplanten und kontrovers diskutierten größeren Abstandsflächen bei der Windkraft, kurz „10H“ genannt. Denn Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte sich bekanntlich für die 10H-Regelung stark gemacht. Das bedeutet: Der Abstand einer Windkraftanlage von der nächsten Wohnbebauung solle mindestens das Zehnfache der Windrad-Höhe betragen. Für große Anlagen bedeutet das einen Abstand von immerhin zwei Kilometern, was Kritiker zu der düsteren Prophezeiung bringt, das sei das Ende der Windkraft im Freistaat. 

Unterm Strich kam Seehofers 10H-Idee heute bei der Experten-Anhörung gar nicht gut weg. Mehrere Fachleute von kommunalen Verbänden, aus Wirtschaft, Politik und Forschung haben die 10H-Regelung aus unterschiedlichen Warten beleuchtet. Als Vertreter des neuen Landesnetzwerks „Bürgerenergie Bayern“ mit Sitz in Pfaffenhofen waren auch Lisa Badum, Katharina Habersbrunner und der Vorsitzende Markus Käser in München vor Ort, um die Wortmeldungen und Stimmungen verfolgen.

Käser, der auch SPD-Vorsitzender im Kreis Pfaffenhofen ist, betont nach der Anhörung im Gespräch mit unserer Zeitung: „Alle maßgeblichen Redner waren sich in einem Punkt einig: Die 10H-Regel ist unnötig und der Gesetzentwurf unausgereift.“ Und mit dieser Sichtweise steht er keineswegs alleine da. „Seehofers Windradbremse fällt bei Experten durch“, fasst etwa Focus-Online die Veranstaltung zusammen. Der Grünen-Politiker Martin Stüpfig wird mit den Worten zitiert, die Anhörung sei „eine gewaltige Ohrfeige für Seehofer und die Staatsregierung“ gewesen.

"10H verschlechtert die Rahmenbedingungen für die Energiewende massiv. Die Folgen wären unerwünschte Alternativen in Form von zum Beispiel Gaskraftwerken und ein zwangsläufig erweiterter Übertragungsnetzausbau“, lautet Käsers Fazit als Chef des noch jungen Landesnetzwerks für Bürgerenergie im Freistaat. „Zudem werden mit einem weiteren Hindernis für die bayerische Windkraft zahlreiche Chancen für Bürgerenergie-Projekte und damit für regionale Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Klimaschutzfortschritte sehenden Auges verspielt." 

Die Vertreter des Landesnetzwerks haben die Anhörung heute genauestens verfolgt – und sie hörten, wie die Experten der 10H-Regelung aus unterschiedlichsten Gründen eine Absage erteilten. Da war die Rede von handwerklichen Fehlern, von noch mehr Planungs-Unsicherheit für die Kommunen, gar von verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Vertreter des Städtetages zitierte seinen Vorsitzenden Ulrich Maly: Das Gesetz sei die Kommunalisierung öffentlichen Ärgers. Aktuelle Planungen würden konterkariert. Verlangt wurde auch ein erweiterter Bestandsschutz für bestehende und gerade in Planung befindlichen Anlagen.

„Alle kommunalen Spitzenverbände erachteten darüber hinaus das ,Vetorecht’ der Nachbargemeinde, wie es ebenfalls im Gesetzentwurf steht, für baurechtlich nicht haltbar“, betont Käser. Er verweist auch auf die Bedenken, die Rechtsprofessor Martin Kment von der Uni Augsburg geäußert hat. Der warnte unter anderem vor einer „erheblichen finanziellen Belastung durch Entschädigungsansprüche von Windkraftanlagen-Investoren“. 

Der „Bürgerenergie Bayern e.V.“ ist ein kürzlich aus der Taufe gehobener landesweiter Zusammenschluss mit Sitz in Pfaffenhofen. Er bündelt nach eigenen Angaben  die gemeinsamen wirtschaftlichen, politischen und zivilgesellschaftlichen Interessen aller Bürgerenergie-Akteure. Dazu zählen in erster Linie rund 240 bayerische Bürgerenergiegenossenschaften – rund ein Viertel aller deutschen – und Stadtwerke, welche sich mehrheitlich in öffentlicher Hand befinden, aber auch andere Gesellschaften, die dezentrale und regenerative Bürgerenergieprojekte betreiben. Kein Wunder also, dass die heute geäußerten Bedenken und Kritikpunkte zur geplanten 10H-Regelung wie Musik in den Ohren von Käser & Co. waren.

Erst kürzlich hatten der bayerische Grünen-Chef Dieter Janecek und Käser ein gemeinsames Statement abgegeben. "Bürgerenergie braucht Perspektive und Planungssicherheit", wurde gefordert. "Bei der Ausgestaltung und Umsetzung der neuen Rahmenbedingungen für die Energiewende dürfen dezentrale Bürgerenergiegesellschaften nicht benachteiligt werden“, appellierten Janecek und Käser unter anderem. Janezek ist auch wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion im Bundestag.

Kurz nach Janecek hatte auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post ein gemeinsames Statement mit dem Landesnetzwerk veröffentlicht. Seehofers 10H-Abstandsregelung bei Windrädern wurde als "populistische Windkraftbremse“ kritisiert. „Wir fordern die Anerkennung bereits bestehender Regionalplanungen sowie die Umsetzung des bayerischen Winderlasses. Die CSU soll wieder auf ihren selbst gesetzten Kurs in Richtung ,Bürgerenergieland und Energiewende’ zurückzukehren und nicht der Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken den Weg zu bereiten.“ Post ist energiepolitischer Sprecher der bayerischen SPD-Landesgruppe und Berichterstatter für Kommunalwirtschaft im Wirtschafts- und Energieausschuss des Bundestages.

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"Seehofers populistische Windkraftbremse"

"Bürgerenergie braucht Perspektive und Planungssicherheit"

Netzwerk für bayerische Bürgerenergie


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