Nach der fristlosen Kündigung des früheren Ilmtalklinik-Geschäftsführers Marco Woedl muss der Pfaffenhofener Kreistag die entscheidende Frage beantworten: Zahlt der Landkreis eine Abfindung oder trifft man sich vor Gericht? Beim Rauswurf des Krankenhaus-Chefs im Dezember glaubte man offensichtlich noch, triftige Gründe für diesen Schritt zu haben. Inzwischen scheint man sich nicht mehr so sicher zu sein, ob die auch vor dem Richter ziehen.
Von Tobias Zell
Gut eine Woche ist es her, dass der Pfaffenhofener Landrat Martin Wolf (CSU) die Chefs der Kreistagsfaktionen ebenso eilends wie kurzfristig zusammengerufen hat, um noch schnell vor der Urlaubszeit hinter verschlossenen Türen über neue Entwicklungen im Fall Marco Woedl zu informieren. Dem früheren Geschäftsführer der Ilmtalklinik GmbH war bekanntlich im Dezember fristlos gekündigt worden – und seither steht die Frage im Raum, ob es zu einer gütlichen Einigung zwischen der Landkreis-Seite und Woedl kommt oder ob sich beide Parteien vor Gericht treffen. Diese Frage ist seit jenem Treffen vom Donnerstag vergangener Woche neu aufgeflammt und schon jetzt zeichnet sich ab, dass sie die maßgeblichen Kreispolitiker die Sommerpause über intensiv beschäftigen wird.
Ob man sich auf eine Abfindung mit Woedl einigt oder ob der Landkreis als Gesellschafter der Ilmtalklinik GmbH den Weg vor den Richter vorzieht, scheint aktuell noch völlig offen. Eine außergerichtliche Einigung kostet auf jeden Fall viel Geld. Steuergelder. Gewinnt man vor Gericht, bleibt dem Kreis eine Zahlung erspart. Verliert man aber, wird es möglicherweise sogar noch teurer. Was also tun? Zu treffen hat diese Entscheidung das Kreistags-Gremium – und das wird aller Voraussicht nach erst im September wieder zusammentreten. Viel Zeit also noch, um zu debattieren, beraten und abzuwägen – und möglicherweise auch viel Zeit, um bis dahin fragend zurückzubleiben. Denn dass sich nun ausgerechnet in der Haupt-Urlaubszeit, wo mancher schwer erreichbar ist, alle die Köpfe zermartern müssen, macht die Sache nicht gerade einfacher.
"Wege zu einer gütlichen Einigung"
Ungeachtet dessen, was man grundsätzlich von der Idee hält, eine gütliche Einigung anzustreben mit einem Ex-Geschäftsführer, den man zuvor fristlos rausgeworfen hat, haben sich die Chancen auf eine außergerichtliche Lösung nach Informationen unserer Zeitung zumindest theoretisch erhöht. Bei dem jüngsten Treffen wurden die Fraktionssprecher durch den vom Landkreis beauftragten Rechtsanwalt über den Verfahrensstand informiert, teilte das Landratsamt mit. Und dabei wurden auch „Wege aufgezeigt, die zu einer gütlichen Einigung führen könnten“, wurde auf Anfrage unserer Zeitung erklärt.
Dass Wege zu einer möglichen gütlichen Einigung aufgezeigt wurden, bedeutet freilich, dass neue Zahlen beziehungsweise geänderte Forderungen bezüglich eines außergerichtlichen Vergleichs auf dem Tisch liegen müssen. Nach Informationen unserer Redaktion wurde in der Sitzung auch tatsächlich über deutlich niedrigere Dimensionen gesprochen, als sie bislang im Raum standen. Im Mai hatte Landrat Wolf, der zugleich Chef des Klinik-Aufsichtsrats ist, gegenüber unserer Zeitung erklärt, dass die von Woedl geforderte Abfindung in Höhe von 450 000 Euro im Kreistag keine Mehrheit gefunden habe. Dem Vernehmen nach wurde jetzt aber über Summen gesprochen hat, die nicht einmal die Hälfte dessen ausmachen. Hinter vorgehaltener Hand macht die Zahl von 190 000 Euro die Runde. Jedenfalls muss es aktuell schon deshalb um wesentlich geringere Summen als die zunächst im Raum stehenden 450 000 Euro gehen, weil man sonst wohl kaum von Wegen zu einer möglichen gütlichen Einigung sprechen könnte.
Marco Woedl, der frühere Geschäftsführer der Ilmtalklinik, hat inzwischen einen neuen Job.
Offiziell gibt dazu keine Stellungnahme. In der besagten Fraktionssprecher-Sitzung sei Vertraulichkeit über die Inhalte der Auseinandersetzung vereinbart worden, heißt es aus dem Landratsamt. Anfang September solle eine Kreistagssitzung stattfinden, in der über den Vorschlag einer gütlichen Einigung oder die Annahme des Prozesses entschieden werde. Im nicht-öffentlichen Teil, davon muss man ausgehen.
Im Hintergrund glühen nun seit dem besagten Donnerstag die Drähte quer durch die Fraktionen. Offiziell hat sich noch niemand zu Wort gemeldet. Lediglich SPD-Kreischef Markus Käser hat sich einmal kurz aus der Deckung gewagt und auf Facebook die Zahlung einer Abfindung generell als „moralisch nicht tragbar“ bezeichnet. Das sei aber seine persönliche Meinung, stellte er auf Anfrage klar. Zudem habe auch er noch viele offene Fragen in diesem Fall.
Offene Fragen – die dürfte es noch bei allen Fraktionen in rauhen Mengen geben. Wie hoch wird das Prozess-Risiko eingeschätzt? Wie teuer käme ein Vergleich tatsächlich? Und was könnte es den Landkreis schlimmstenfalls kosten, wenn man vor Gericht zieht und verliert? Wie optimistisch ginge man überhaupt in eine Verhandlung? Welche Argumente hat man in der Hand? Und welche könnte die Gegenseite ins Feld führen?
Vertraglich fixiertes Rückkehrrecht
Auf Wiedereinstellung kann Woedl wohl nicht klagen, denn er hat inzwischen einen neuen Job: Seit 1. April arbeitet er als Geschäftsführer der „Asklepios Orthopädische Klinik Lindenlohe“ bei Schwandorf. Doch was hat es mit dem Rückkehrrecht auf sich, dass man Woedl eingeräumt hat, als zum 1. Januar 2013 sein Geschäftsführervertrag bis Ende Juni 2015 verlängert wurde? Zu Konditionen und Bedingungen übrigens, die den bayerischen kommunalen Prüfungsverband (BKPV) schon damals nicht gerade begeisterten.
Wie aus einem Sonderprüfungsbericht zur Ilmtalklinik hervorgeht, der unserer Zeitung vorliegt, hatte der BKPV schon im Februar 2012 den Landkreis darauf hingewiesen, dass aus seiner Sicht die bisher entrichtete Vergütung Woedls „über dem von uns als angemessen erachteten Betrag liegt“ und dass zudem „ein vertraglich vereinbartes Rückkehrrecht nicht empfohlen wird“. Doch von diesem Fingerzeig ließen sich offensichtlich die Verantwortlichen im Landkreis Pfaffenhofen nicht beirren. Ungeachtet dessen wurden ein neuer Geschäftsführervertrag „mit einer höheren als der von uns als angemessen erachteten Vergütung geschlossen und ein Rückkehrrecht eingeräumt“, schreibt der BKPV.
Die genannte Sonderprüfung, mit der der BKPV im September vergangenen Jahres beauftragt worden war, sollte vor allem „die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung“ untersuchen. Das Ergebnis wurde dann im November in einer Schlussbesprechung erörtert – und wie aus den Unterlagen hervorgeht, wurde es am 10. Dezember auch dem Klinik-Aufsichtsrat präsentiert. Dann ging alles ganz schnell: Nur drei Tage später soll Woedl die Kündigung erhalten haben. Der Geschäftsführervertrag mit ihm wurde damals außerordentlich und fristlos gekündigt; hilfsweise vorsorglich ordentlich zum 30. Juni 2014.
Brisanter Prüfungsbericht
Wie das Landratsamt schon damals mitteilte, sei die fristlose Kündigung aufgrund des Inhalts des BKPV-Prüfungsberichts erfolgt. Offensichtlich ging man also davon aus, dass sich in dem Papier genügend Argumente und Hinweise finden, die den umgehenden Rauswurf rechtfertigen. Inzwischen scheint man sich da zumindest nicht mehr ganz so sicher – sonst würde man sich auf Seiten des Landkreises ja wohl erst gar nicht mit einer möglichen außergerichtlichen Einigung befassen, die auch noch Geld kosten würde.
Die Frage, die die Kreisräte nun im September zu beantworten haben, lautet: Soll man sich mit Woedl gütlich einigen und ihm eine Abfindung bezahlen, die dem Vernehmen nach um die 200 000 Euro beträgt? Oder lässt man es auf eine Gerichtsverhandlung ankommen? Dann hätte das Gericht darüber zu entscheiden, ob die fristlose Kündigung gerechtfertigt war.
In der Kreispolitik scheint es zu dieser Frage zwei grundsätzliche Lager zu geben. Die einen neigen eher dazu, den Fall durch Zahlung einer Abfindung ohne erneutes großes Aufsehen zumindest halbwegs geräuschlos vom Tisch zu bekommen – auch, um die Ilmtalklinik nicht wieder in die Schlagzeilen zu bringen, wo sich jetzt doch die Lage wieder beruhigt hat. Denn in einem öffentlichen Arbeitsgerichts-Prozess würden freilich beide Seiten – schon aus eigenem Interesse – alles auf den Tisch bringen, was sie an „Munition“ haben.
Die anderen finden: Wenn man jemandem fristlos kündigt, weil man davon überzeugt ist, dass man dafür stichhaltige Gründe hat, dann sollte man in der Folge auch dahinterstehen und nicht auch noch demjenigen eine Abfindung überweisen, den man zuvor eben gerade wegen dieser scheinbar guten Gründe rausgeworfen hat. Zumal es dem Vernehmen nach bei so manchem Kreisrat bereits Bedenken gibt, wie man eine Abfindungs-Zahlung dem Bürger vermitteln soll. Denn hier geht es auch um Steuergelder.
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