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Trotz haushoher Überlegenheit hat der FC Ingolstadt heute daheim gegen den Karlsruher SC verloren – ein Erklärungsversuch

Von Tobias Zell

Ralph Hasenhüttl, der Trainer des FC Ingolstadt, hat es nach der heutigen 1:3-Heimpleite seines Teams auf den Punkt gebracht. „So brutal kann Fußball sein“, fasste er in der Pressekonferenz zusammen. Vor gut 12 000 Zuschauern hatten die Schanzer im heutigen Top-Spiel der zweiten Bundesliga gegen den Tabellenvierten aus Karlsruhe in vermutlich allen Statistiken die Nase vorn, doch am Ende standen sie mit leeren Händen da. Noch kein Heimsieg steht heuer für den Liga-Primus zu Buche. Und der Vorsprung an der Tabellenspitze ist von sechs auf drei Punkte zusammengeschrumpft. Es ist eine Niederlage, die weh tut – nicht nur den Fans, selbst dem objektivem Betrachter. 

Ja, so brutal kann Fußball sein. Die Ingolstädter waren das spielerisch stärkere Team. Sie waren die über weite Strecken bessere Mannschaft. Sie waren phasenweise haushoch überlegen. Sie hatten mehr Torchancen. Sie spielten schöner, sie hatten das Heft in der Hand. Und sie hätten – bei neutraler Sichtweise – den Sieg auch verdient gehabt. Aber darum geht es im Fußball ja nicht. Am Ende hatte der KSC, der seine Chancen eiskalt nutzte, drei Tore gemacht. Das Team aus Ingolstadt, das mit seinen Gelegenheit grob fahrlässig umging und auch ein bisschen Pech hatte, traf nur ein Mal.

Ritt auf der Rasierklinge

Dabei hatten die Schanzer vor allem Mitte der zweiten Halbzeit eine Phase höchster Dominanz, als sie praktisch im Minuten-Takt beste Gelegenheiten herausspielten, aber nicht reüssierten. Moritz Hartmanns Schuss klatschte dann auch noch an den Innenpfosten, das Leder sprang aber statt ins KSC-Netz zurück aufs Feld. An solchen Tagen passt das wunderbar ins Bild. Die Gäste machten dagegen aus gefühlten zwei Chancen drei Tore. Weil sie einen Ritt auf der Rasierklinge wagten. Weil sie unter der Regie von Trainer Markus Kauczinski eine gewagte Taktik ausbaldowert hatten, die mit etwas Dusel am Ende aber sowas von aufging, dass es wehtut.

Karlsruhe ließ Ingolstadt machen. Setzte auf Defensive, wollte einfach nur kein Tor kriegen sowie hie und da den Spielfluss (zer)stören. Und lauerte auf Fehler der Schanzer oder sonstige glückliche Fügungen. Wie sehr die Marschroute des KSC nach hinten ausgerichtet war, zeigte sich an einem Freistoß in der ersten Halbzeit, den die Gäste freiwillig an der Mittellinie ausführen wollten, obwohl er mindestens 15 Meter weiter vorne hätte stattfinden dürfen.

Und während sich die Schanzer sichtlich (be)mühten, vor ihren Fans ein schönes Match mit Ordnung und Spielzügen aufzuziehen, fand aus dem Nichts nach einer Ecke in der 33. Minute ein KSC-Kopfball dermaßen unverdient den Weg ins FC-Tor, dass es einem schwindlig werden konnte. Das wäre aber alles kein Problem gewesen, denn die Schanzer wirkten ja nicht einmal sonderlich geschockt und hatten weiterhin das Heft in der Hand. Und als Moritz Hartmann in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit – ebenfalls nach einer Ecke – zum Ausgleich einköpfte, schien die Fußball-Welt ja auch wieder in Ordnung.

„Ich habe ein sehr engagiertes Spiel meiner Mannschaft gesehen“, sagte FC-Coach Hasenhüttl nach dem Schlusspfiff. Seine Jungs seien in der zweiten Halbzeit praktisch nur mehr in der gegnerischen Hälfte gewesen. Wie Recht er hat. Beste Gelegenheiten in Serie verbuchten die Schanzer zum Beispiel in den Minuten 63, 64, 65 und 67 – zuvor hatte KSC-Keeper Dirk Orlinghausen verhindert, dass ein Freistoß von Pascal Groß (50.) zum Tor des Monates wurde.

Die Überlegenheit des FC Ingolstadt lässt sich auch an Zahlen festmachen.  17:11 Torschüsse, 53:47 Prozent Aktionen am Ball, 53 Prozent Zweikampf-Quote, 6:2 Eckbälle, 11:6 Flanken aus dem Spiel heraus. FC-Mittelfeld-Regisseur Pascal Groß, der heute wahrlich nicht seinen besten Tag hatte, vermeldete dennoch 98 Ballkontakte, der beste Karlsruher brachte es auf 77. Nur bei den Fouls hatten die Gäste die Nase mit 20:16 vorn – und in der Abseits-Statistik. 

Warum hat der KSC gewonnen?

Aber wer das Spiel gesehen hat, der braucht all diese Zahlen nicht. Man muss kein großer Fußball-Kenner sein, um zu wissen: Hier hätte heute nur eine Mannschaft siegen dürfen – und die kommt sicher nicht aus Karlsruhe. Aber warum hat dann der KSC mit 3:1 beim Tabellenführer gewonnen? Weil sich der FC Ingolstadt heute „im Schönspielen selbst erstickt“ hat, wie Trainer Hasenhüttl es metaphorisch ausdrückte. Und weil der FC im Moment zu Hause „nicht das Quäntchen Glück“ hat, wie er findet. Das kann man sagen: An guten Tagen springt der Innenpfosten-Kracher von Moritz Hartmann rein und nicht raus. Und an guten Tagen hast du halt auch einen Schiri, bei dem du das 1:2 nicht kassierst – weil er sieht, dass der Ball vor dem entscheidenden Freistoß nicht geruht hat, und die Aktion zurückpfeift.

Aber es geht ja nicht um Glück oder Pech. Denn dass die Schanzer Hintermannschaft beim 1:2 kollektiv geschlafen hat, kann wohl niemand in Abrede stellen. Man darf sich halt nicht darauf verlassen, dass der Schiri persönlich auf den Ball tritt, bevor ein Freistoß ausgeführt wird. Man hätte einfach schneller reagieren, zurücklaufen müssen. Und, wie Hasenhüttl ganz praktisch anführte: Einer seiner Spieler hätte den Ball blockieren müssen, damit der Freistoß einfach nicht so rasch ausgeführt werden kann. Ruhender Ball hin oder her.  So aber konnte der KSC Rouwen Hennings auf die Reise schicken, der mit einem Flachschuss zur erneuten Führung traf – und am Ende aus ganz ähnlicher Situation auch das 3:1 machte. Da sieht man mal wieder, dass selbst ein Tabellenführer nicht auslernt.

Viel besser geht's nicht – aber cleverer

„Ich glaube, dass wir nicht viel besser Fußballspielen können, als wir es heute getan haben“, sagte – nein, nicht der Trainer des KSC. Ralph Hasenhüttl erklärte das auf der Pressekonferenz. Er habe „viel Willen, aufopferungsvolle Laufarbeit und schöne Spielzüge“ bei seinen Jungs gesehen, lobte er. Zu Recht übrigens. Er sah aber am Ende auch „leere Hände“, wie er es formulierte. Und er zog daraus bereits eine erste Konsequenz: „Wir müssen zu Hause wieder konsequenter aufs Ergebnis gehen.“ Er habe jedenfalls nicht das Gefühl, dass der Fußball, den sein Team spielt, nicht funktionieren würde – sonst hätte er längst reagiert, versicherte er. 

In der Tat: Der Fußball, den der FC heute – es war immerhin das Top-Spiel gegen den Vierten – demonstrierte, war der deutlich bessere und schönere. Aber für die Gäste hat der Ritt auf der Rasierklinge funktioniert. Mit einer ausgeklügelten Taktik, viel Glück, ein bisschen Hilfe vom Schiri und einem Rouwen Hennings, der zwei Mal eiskalt traf. 

„So brutal kann Fußball sein.“ Da kann man also Hasenhüttl nur zustimmen. Dass die bessere Mannschaft nicht automatisch gewinnt, dafür gibt es viele Beispiele – eines der prominentesten ist das „Finale dahoam“: Bayern München verlor im Jahr 2012 trotz haushoher Überlegenheit gegen den FC Chelsea das Endspiel der Champions-League im eigenen Stadion nach Elfmeter-Schießen und man musste – wie auch schon Jahre zuvor, nach der Last-Minute-Pleite im Champions-League-Finale gegen Manchester United – bezweifeln, dass es einen Fußball-Gott gibt.

Verfolger machen Druck

Zurück zum FC Ingolstadt, dem Nach-wie-vor-Tabellenführer der zweiten Fußball-Bundesliga. Der in diesem Jahr noch nicht so im Tritt ist: Nach der Winterpause gab es ein starkes 1:0 bei Greuther-Fürth, dann eine peinliche 1:3-Heimpleite gegen Sandhausen, ein 1:1 in Aalen und ein Heim-Remis gegen die Münchner Löwen, das sich anfühlte, wie eine Niederlage. Es folgte ein 3:0-Erfolg in Aue, der die Kritiker ruhig stellte – und heute eine 1:3-Heimpleite, die Kopfzerbrechen bereitet. Und jetzt?

Die Verfolger machen jedenfalls Druck, haben dieses Wochenende ihre Spiele gewonnen – und nächsten Samstag (13.30 Uhr) müssen die Schanzer ausgerechnet beim ehemaligen Erstligisten Eintracht Braunschweig (Platz 5) ran. Wenn es dort wieder eine Niederlage setzt, dann ist die Tabellenführung möglicherweise verspielt. Allerdings treffen nächstes Wochenende auch die weiteren Spitzenteams aufeinander: Der Tabellenzweite Darmstadt muss beim Sechsten Düsseldorf ran – und der Dritte aus Kaiserslautern muss zum auf Rang vier rangierenden KSC, der nach dem Erfolg heute vermutlich vor Selbstvertrauen strotzt.

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