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Die Gemeinden im Landkreis Pfaffenhofen befürchten, dass sie der Familiennachzug von anerkannten Asylbewerbern vor eine unlösbare Herausforderung stellt

Hintergrund: „Das wird uns an den Rand der Katastrophe führen“

(zel) Bei der Unterbringung von Asylbewerbern im Landkreis Pfaffenhofen haben die Gemeinden die Zwei-Prozent-Marke im Blick. Denn wie mehrfach berichtet, haben sich die Kommunen in einer Art freiwilligen Selbstverpflichtung bereit erklärt, jeweils zwei Prozent ihrer Einwohnerzahl an Flüchtlingen aufzunehmen – und dafür notfalls auf eigenem Grund und auf eigene Kosten Gebäude zu errichten. Aktuell haben überhaupt erst  sechs Gemeinden die Ein-Prozent-Marke erreicht, wie aus den heute im Kreistag präsentierten Datenmaterial hervorgeht: Baar-Ebenhausen, Geisenfeld, Hohenwart, Münchsmünster, Pfaffenhofen und Reichertshofen. Die Zwei-Prozent-Marke erfüllt momentan einzig und allein Geisenfeld.

Während also 18 der 19 Gemeinden noch großen bis sehr großen Nachholbedarf haben, droht – wie berichtet – aber schon die nächste Herausforderung. Und die könnte noch viel größer werden. Denn bekanntlich dürfen vermutlich viele anerkannte Flüchtlinge ihre Familien nachholen. Bleibt die Frage: Wo sollen diese Leute wohnen? Anerkannte Flüchtlinge müssten eigentlich schon jetzt aus den ihnen zur Verfügung gestellten Unterkünften ausziehen und sich auf dem freien Markt eine Wohnung suchen – wer aber die angespannte Situation auf dem hiesigen Immobilienmarkt kennt, der weiß: Das ist praktisch aussichtslos. Deshalb werden auch anerkannte Asylbewerber in den Asylbewerber-Unterkünften geduldet – sie heißen dann aber offiziell „Fehlbeleger“. 

Aktuelle Verteilung der Asylbewerber in den Landkreis-Gemeinden (MIK steht für Max-Immelmann-Kaserne).

Angesichts des nicht abreißenden Zustroms von Flüchtlingen – nach heutiger Aussage kommen jetzt jede Woche 51 weitere in den Landkreis Pfaffenhofen – dürfte es aber problematisch werden, die Fehlbeleger weiterhin in den Asyl-Unterkünften zu belassen. Denn die sind ja eigentlich für Asylbewerber gedacht und nicht für Flüchtlinge mit anerkanntem Asyl-Status. Dem Landkreis werden die Fehlbeleger auf die Quote, die von der Regierung von Oberbayern vorgegeben wird und die er zu erfüllen hat, offiziell nicht angerechnet. Außerdem braucht man die Plätze in den Asyl-Unterkünften auch zunehmend für die neuen Flüchtlinge, die tatsächlich Anspruch auf eine gestellte Unterkunft haben. 

Wenn aber nun anerkannte Asylbewerber ihre Familien nachholen, dann könnten aus 20 Personen schnell mal 80 werden, wie heute Martin Schmid, Vohburger Bürgermeister und Chef der SPD-Fraktion im Kreistag, verdeutlichte. Seine Frage an Landrat Martin Wolf (CSU) lautete deshalb: „Was machen wir, wenn die Nachzügler nicht auf die Quote angerechnet werden?“ Sollte dem nämlich so sein, "dann können die Kommunen das nicht mehr leisten". Denn dann müssten die Gemeinden ja neben den Plätzen für die Asylbewerber noch weitere Plätze für anerkannte Asylberber und deren Familien schaffen – und zwar in einem Ausmaß, das derzeit noch gar nicht abzuschätzen ist. 

"Das wird uns an den Rand der Katastrophe führen"

"Das wird uns nicht nur überfordern, sondern an den Rand der Katastrophe führen“, hatte Manfred Russer (CSU), Rathauschef von Hohenwart und Sprecher der Bürgermeister im Landkreis, schon Anfang Dezember im Gespräch mit unserer Zeitung zum Thema Familiennachzug gesagt. Es könne nicht sein, dass den Gemeinden die Bewältigung einer Aufgabe aufgebürdet werde, die eigentlich Sache der Bundesregierung sei. Das sei von den Kommunen organisatorisch schon gar nicht zu leisten – und finanziell gleich zwei Mal nicht. „Da müssen ein paar Dinge dringend geklärt werden.“

Der Hintergrund ist klar: Anerkannte Asylbewerber und deren nachgeholte Familien sind – wenn sie keine Wohnung finden – praktisch obdachlos. Und für Obdachlose sind in der Regel die Gemeinden zuständig. Schmid forderte deshalb heute in der Kreistags-Sitzung vom Landrat die verbindliche Zusage, dass auch dieser Personenkreis auf die Zwei-Prozent-Quote angerechnet wird, zu der sich die Kommunen – freiwillig, wohl gemerkt – verpflichtet haben. Es gebe nämlich ein „gewisses Rumoren“ angesichts dieser Situation, ließ Schmid wissen.

Zusage – "bis auf Weiteres"

Aber wie soll Wolf diese Zusage machen – nicht wissend, was noch kommen mag? Der Landrat erklärte deshalb, man könne diese Zusage „bis auf Weiteres machen“. Das heißt: So lange der Freistaat die Miete für die Flüchtlinge – und deren Familien – auch dann noch übernehme, wenn sie eigentlich aus den ihnen gestellten Unterkünften ausziehen müssten. Sollte dem nicht mehr so sein, dann müsse man, so Wolf, das Thema im Kreistag behandeln und darüber abstimmen. Bis auf Weiteres sollen den Kommunen die Fehlbeleger jedenfalls erst einmal ebenso auf die Quote angerechnet werden wie die Personen, die im Rahmen des Familiennachzugs kommen. 

Wolf erklärte außerdem, dass aktuell „verschiedene Prüfungen“ zur Zuständigkeit laufen. Im Klartext bedeutet das: Man will geklärt wissen, ob es sich bei den Personen, die im Rahmen des Familiennachzugs kommen und von der Obdachlosigkeit bedroht sind, um einen Fall der „normalen Obdachlosigkeit“ handelt, für den dann die Kommunen zuständig wären – oder ob es sich hier nicht um „politisch verursachte Obdachlosigkeit“ handelt. Denn, so die Argumentation: Der Familiennachzug ist ja eine Folge der bundespolitischen Weichenstellung. Die Herausforderungen für die Gemeinden werden in jedem Fall nicht geringer.

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