Die SPD macht sich für weitreichende Maßnahmen zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum stark, ihr Vorsitzender betont außerdem: "Das Leitbild der autogerechten Stadt war eine Fehlentwicklung."
(zel) Wenn es nach den Pfaffenhofener Sozialdemokraten geht, ist der Fall klar: Die kommunale Wohnungsbau-Gesellschaft soll als Bauherr oder Vermieter auftreten, auch für das hiesige Einheimischen-Modell. Genossenschaftlicher Wohnungsbau soll gefördert werden. Im „Urbanen Gebiet“ sollen in Gewerbegebieten Wohnungen errichtet werden. Bei der Ausweisung von neuem Bauland sollen die der Stadt entstehenden Folgekosten für soziale Infrastruktur teilweise umgelegt werden. Außerdem sollen das Zu-Fuß-Gehen und der Radverkehr gestärkt werden. „Dazu gehören die konsequente Ausweisung von Fahrradstraßen oder Durchfahrtssperren“, sagt SPD-Chef Markus Käser im Interview mit unserer Zeitung.
Bei der jüngsten Versammlung waren sich die Pfaffenhofener Genossen einig: Es muss etwas unternommen werden, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, erschwinglichen Baugrund zu ermöglichen und den Druck auf dem Immobilienmarkt zu lindern. Der an jenem Abend einstimmig wiedergewählte SPD-Ortsvorsitzende Käser stellte ein Maßnahmen-Paket vor, das anschließend von den Parteifreunden einhellig abgesegnet wurde. Nun sollen diese Vorhaben politisch aufbereitet und letztlich über die Fraktion gemeinsam mit den übrigen Parteien des bunten Rathaus-Bündnisses diskutiert sowie dann in die Fortschreibung des Koalitionspapiers eingearbeitet werden. Wir sprachen mit Käser über die anvisierten Maßnahmen.
Herr Käser, wenn es nach der Pfaffenhofener SPD geht, dann soll die kommunale Wohnungsbau-Gesellschaft künftig selbst Eigentums- und Mietwohnungen errichten sowie diese im Rahmen des Einheimischen-Modells günstig anbieten. Wie soll das konkret ablaufen?
Markus Käser: Pfaffenhofener und ihre Kinder sollen sich ihre Heimatstadt auch in Zukunft wieder leisten können. Der Stadtrat hat erst 2015 einen Fünf-Jahres-Plan zur Neuausrichtung der Wohnungswirtschaft und damit eine erhebliche Ausweitung des Angebots an Sozialwohnungen beschlossen. Mit unserer kommunalen Wohnungsbau-Gesellschaft und einer Wohnungsbau-Offensive könnte die Stadt aber auch zusätzlich dämpfend in den regulären Wohnungsmarkt eingreifen, indem vergünstigter Wohnraum mit Bindung im Rahmen des Einheimischen-Modells geschaffen wird. Die kommunale Wohnungsbau-Gesellschaft würde dabei selbst als Bauherr oder als Vermieter auftreten. Vorbilder dazu gibt es viele. Am bekanntesten ist sicher der Wiener Gemeindebau. Aber auch die Münchner Wohnungsbau-Gesellschaft befindet sich zu 100 Prozent in öffentlicher Hand und ist im Besitz von 37 000 Wohnungen. Ziel muss es sein, dass ein Teil des möglichen Wohnraums nicht zu Höchstpreisen, sondern ohne Spekulations- und Gewinnzuschläge verfügbar gemacht wird.
Sie haben es selbst gesagt: Sobald die Stadt ihren Blick auf eine bestimmte Fläche richtet, würden die Preise dafür in die Höhe schießen. Wie wollen Sie das verhindern?
Käser: Ich habe damit beschrieben, dass es keinen Sinn macht, wenn die Stadt auf dem freien Markt Grundstücke teuer erwirbt und damit möglicherweise selbst zum Preistreiber wird. Die Stadt kann aber aktiv weiteres Bauland im Rahmen des Einheimischen-Modells entwickeln und so Baugrund viel günstiger erschließen. Dies geht vor allem deshalb, weil die bunte Koalition bereits 2015 das Einheimischen-Modell dahingehenden ausgeweitet hat, dass 50 Prozent bei Neuausweisungen und 25 Prozent der Flächen bei Nutzungsänderung von Mischgebiet zu Wohngebiet für Einheimische bereitgestellt werden.
Sie haben weitere Veränderungen beim Einheimischen-Modell angekündigt. Was schwebt der SPD da vor?
Käser: Wir wollen denjenigen, die berechtigt sind, sich am Einheimischen-Modell zu beteiligen, aber lieber eine Wohnung kaufen oder mieten wollen, ebenfalls eine Perspektive auf günstigen Wohnraum oder die Schaffung von Wohneigentum bieten. Derzeit sind aber im Rahmen des Einheimischen-Modells nur Grundstücks-Verkäufe für Einfamilienhäuser, Doppelhaus-Hälften oder Sozialwohnungen verfügbar. Künftig könnten wir auch Eigentumswohnungen von unserer kommunalen Wohnungsbau-Gesellschaft bauen lassen und an Einheimischen-Modell-Berechtigte verkaufen oder vermieten. Eben wie bei einem Bauträgermodell, allerdings ohne preistreibenden Gewinnzuschlag. Die Idee und die Möglichkeiten dazu sollen zunächst von der Stadtverwaltung geprüft und dann rasch umgesetzt werden. Wir müssen bedenken: Alles, was wir heute beschließen, dauert mindestens drei Jahre, bis es seine Wirkung entfaltet.
Die Stadt soll gezielt genossenschaftlichen Wohnungsbau fördern. Das ist ein weiterer Punkt, in dem sich die SPD-Mitglieder einig waren. Was ist mit fördern gemeint und wie soll das ablaufen?
Käser: Wohnungsbau-Genossenschaften sind die nachhaltigste Methode, günstigen Wohnraum zu schaffen und langfristig zu gewährleisten, dass dieser auch bezahlbar bleibt. Zur Förderung könnten beispielsweise über das Einheimischen-Modell Grundstücke für Genossenschaften auf Erbpacht zur Verfügung gestellt werden. Dies würde dazu führen, dass eine Genossenschaft, bestehend aus Pfaffenhofener Mitgliedern, keine Kredite zum Grundstückskauf aufnehmen müsste. Des weiteren könnte die Stadt aktiv Gründungsberatung für Wohnungsbau-Genossenschaften betreiben.
Ein weiterer Schritt wäre aus Sicht Ihrer Partei, in Pfaffenhofen verstärkt Arbeiten und Wohnen unter einem Dach durch die Ausweisung von so genannten urbanen Gebieten zu ermöglichen. Was ist denn das Besondere an solchen Gebieten – Mischgebiete gibt es ja bereits?
Käser: Bereits im „P.L.A.N 2020“ der bunten Koalition ist die Ausweisung von bezahlbarem Gewerbegrund, insbesondere für Mischgebiete für Wohnen und Arbeiten unter einem Dach, als Ziel formuliert. Urbane Gebiete schaffen Wohnraum. Mit der neuen Baurechts-Kategorie können auch in Gewerbegebieten oder in stark verdichteten städtischen Gebieten neue Wohnungen gebaut werden. Das Miteinander von Wohnen und Arbeiten wird dadurch erleichtert. Es soll nun geprüft werden, wo die neue Gebietskategorie „urbane Gebiete“ in Pfaffenhofen angewendet werden kann. Zum Beispiel aktuell an der Posthofstraße, unterhalb der Ilmtalklinik.
Ausgesprochen haben sich die SPD-Mitglieder außerdem für eine gerechte Bauland-Entwicklung durch Folgekosten-Berechnung. Bei der Ausweisung von neuem Bauland sollen demnach die der Stadt dadurch entstehenden Folgekosten für soziale Infrastruktur – etwa für Kitas, Schulen, Grünanlagen, Spielplätze oder neue Straßen – teilweise umgelegt werden. Wie soll das ablaufen?
Käser: Siedeln kostet Geld. Jede Bauland-Strategie wirkt sich auf den Geldbeutel unserer Stadt aus. Neue Baugebiete erzeugen oft erhebliche Folgekosten für die Gemeinde und ihre Bürger. Die Frage ist: Was kostet mein Baugebiet? Und wer zahlt eigentlich die Folgekosten? Wir wollen eine gerechtere Verteilung nach dem Verursacherprinzip. Das heißt, dass Folgekosten auf die Baugebiete umgelegt werden, die diese auslösen. Die Schaffung von jedem neuem Bauland führt für die Stadt immer zu Kosten und Lasten, wie beispielsweise Kitas, Schulen oder Straßen, die von der Allgemeinheit getragen werden müssen. Peripher gelegene und wenig verdichtete Siedlungen verursachen beispielsweise höhere Infrastruktur-Kosten als zentral gelegene und verdichtete Siedlungen. Neben der Lage – innen oder außen – spielt die Bebauungsdichte eine wesentliche Rolle. Es gilt die Faustformel: Halbe Dichte bedeutet doppelte Kosten.
Und was leiten Sie daraus ab?
Käser: Diese Kosten werden nicht vollumfänglich von denjenigen bezahlt, die sie verursachen, was einen Fehlanreiz darstellt. Zudem steht im Artikel 161 der bayerischen Verfassung: Steigerungen des Bodenwerts, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen. Auch dem ist Rechnung zu tragen. Zunächst wollen wir also deshalb eine Grundsatz-Entscheidung herbeizuführen, dass zukünftig die Baukosten für die soziale Infrastruktur – also Kitas, Schulen und so weiter –, welche durch Ausweisung neuer Baugebiete ausgelöst werden, nach dem Verursacherprinzip kalkuliert und anteilig umgelegt werden. Die Stadtverwaltung soll die Anwendung dieser Regelung prüfen und eine beispielhafte Berechnung vorlegen.
Glauben Sie nicht, dass diese Folgekosten-Beteiligung die Preise zusätzlich in die Höhe treibt?
Käser: In erster Linie hätte die Regelung eine Auswirkung auf die Verteilung der Folgekosten eines Baugebiets. Eben nach dem Verursacherprinzip. Mit der Ausweisung eines Baugebiets geht schließlich auch für die Planungsgewinnler eine immense Wertsteigerung einher. Eine unverhältnismäßige Preissteigerung durch die vorgeschlagene Regelung sehe ich nicht. Beispielsweise wird bei uns der Mietpreis ja auch nicht dadurch festgelegt, wie hoch die Herstellungskosten sind, sondern leider danach, wie viel der Markt gerade hergibt. Für Berechtigte im Einheimischen-Modell hat die Regelung kaum eine Auswirkung. Zudem würde sie nur bei Neuausweisung greifen.
Wie sind denn diese Folgekosten überhaupt abzusehen? Wer stellt sie fest und wer legt sie letztlich fest?
Käser: Berechnungsgrundlage für die Weitergabe von Kosten, welche der Stadt im Zusammenhang mit der Entwicklung neuer Wohngebiete entstehen, ist eine nachvollziehbare, aufgeschlüsselte Gesamtplanung zur Stadtentwicklung für einen klaren Planungszeitraum. Also beispielsweise über fünf, zehn oder 15 Jahre auf einem eindeutig festgelegten Gebiet. Rechtliche Grundlage wäre der Abschluss eines städtebaulichen Vertrags. Die Voraussetzungen dazu sind durch die Rechtsprechung hinlänglich geklärt und gängige Praxis. Modelle finden seit langem in der Landeshauptstadt München, aber auch in vielen Gemeinden Bayerns – wie Gauting und Grafing – erfolgreich Anwendung.
Bei der SPD-Versammlung wurde ein "goldener Quadratmeter" gezeigt, um zu illustrieren, wie stark die Immobilienpreise angestiegen sind.
„Wir sollten den Mut haben, uns zu richtungsweisenden Entscheidungen durchzuringen“, haben sie bei der jüngsten SPD-Versammlung erklärt. Dabei ging es auch um Maßnahmen zur Reduzierung der Verkehrsbelastung in der Stadt. Was verstehen Sie unter richtungsweisenden Entscheidungen?
Käser: Wir gehören nicht zu denen, die sich mit dem Status quo zufrieden geben. Wir wollen auch die schwierigen Themen anpacken. Wir wollen Pfaffenhofen weiterdenken. Pfaffenhofen wächst. Und das wird mittelfristig mehr Verkehr nach sich ziehen. Hinzu kommt, dass bereits heute rücksichtsloses Autofahren bei uns ein Ausmaß erreicht, dem man nicht mehr untätig zusehen kann. Gleichwohl können mehr und größere Straßen nicht die Antwort sein auf die Herausforderungen der Zukunft. Denn Verkehrspolitik ist gleichzeitig Stadtentwicklung. Das Leitbild der autogerechten Stadt ist überholt und war eine Fehlentwicklung der Stadtplanung.
Wie meinen Sie das?
Käser: Das Auto ist praktisch und bequem, aber die dafür nötige Infrastruktur erwürgt unsere Innenstadt und steht im Widerspruch zur Aufenthaltsqualität. Klar, eine Stadt kann nicht im Alleingang versuchen, den Autoverkehr abzuschaffen, weil das im Chaos endet. Aber sie kann versuchen, mit Augenmaß die Richtung zu ändern. Fahrradfreundlichkeit erhöhen, Lärmreduzierung und Raser-Bekämpfung sowie wie die Verdrängung des überörtlichen Verkehrs aus der Stadt stehen ja bereits als Zielsetzung in unserem Koalitionspapier. Wir wollen mit klaren Prioritäten in der Verkehrsplanung das Zu-Fuß-Gehen und den Radverkehr stärken. Ziel ist ein sicheres und entspanntes Radfahren sowie ein faires Miteinander auf den Straßen, Plätzen und Gehwegen. Aufklärungsarbeit und Bewusstseinsbildung durch eine Umsteiger-Kampagne wird dazu immer eine gute Begleitmaßnahme sein. Aber für konkret und sofort wirksame Lösungen müssen wir auch bereit sein, mutige Neuregelungen zu entscheiden.
Woran denken Sie da konkret?
Käser: Dazu gehören die konsequente Ausweisung von reinen Fahrradstraßen oder Durchfahrtssperren für Fahrzeuge. Um nur ein Beispiel zu nennen, im Bereich der Frauenstraße hinter dem Rathaus am Zebrastreifen zur Eisdiele. Auch Shared-Space, ein Gestaltungskonzept für öffentliche Räume, welches Begegnung vor Beruhigung stellt, sollte man in Betracht ziehen. Autorasern kann man ganz einfach durch verstärkte Kontrollen an den bekannten Rennstrecken Herr werden. Ich würde jetzt gerne noch viele zusammenhängende Maßnahmen aufzählen. Wir wollen zur endgültigen Diskussion aber die Vorschläge aus dem aktuell in der finalen Ausarbeitung befindlichen Verkehrskonzept noch abwarten. Unser Messlatte dazu ist klar: Das neue Verkehrskonzept muss spürbare Veränderungen mit sich bringen und die Perspektive hin zu einer neuen Mobilitätskultur aufzeigen.
Kommt also der komplett autofreie Hauptplatz?
Käser: Die bunte Koalition strebt eine wachsende Fußgängerzone in Abhängigkeit zur Parkflächen-Planung an. Auch das neue Parkkonzept steht mit der Gesamtverkehrsplanung im Rahmen des Flächennutzungsplanes noch dieses Jahr zur Entscheidung an.
Noch bis Ende August können die Pfaffenhofener kostenlos mit dem Stadtbus fahren. Vor dem Hintergrund der Gartenschau soll die Verkehrsbelastung auf diese Weise reduziert werden. Konsequent wäre es wohl einerseits, den Stadtbus dauerhaft gratis anzubieten – aber dann würde man andererseits auch satte Zuschüsse verlieren.
Käser: Ein komplett kostenloser Stadtbus wäre schön und ist ein Ziel für die Zukunft. Aber ohne staatliche Zuschüsse ist das für unsere Stadt nach heutigen Informationen finanziell noch nicht dauerhaft realisierbar. Machbar sind aber sicher weitere Optimierungen des Stadtbus-Systems, beispielsweise in punkto Taktzeiten für Pendler oder Klinik-Besucher. Ebenso sollten wir das Thema Car-Sharing nicht aus den Augen verlieren.
Bei der SPD-Versammlung war auch die Rede von einem überparteilichen Bündnis "Pro Radl, Fußgänger und Aufenthaltsqualität". Mitstreiter werden demnach gesucht; die Gründung könnte noch im Sommer erfolgen. Was soll dieses Bündnis denn tun und welche Maßnahmen sind konkret geplant?
Käser: Ich bin sicher, dass die Pfaffenhofener mittlerweile mit großer Mehrheit hinter mehr Fahrrad und Fußwegen, weniger Autoverkehr und mehr Aufenthaltsqualität in der Innenstadt stehen. Dieser Mehrheit wollen wir mit einem offenen Bündnis eine Plattform und eine Stimme verleihen, also quasi eine Lobby für Radler und Fußgänger schaffen. Letztlich auch für eine entschleunigte Innenstadt. Das Bündnis wird von uns demnächst öffentlich ausgerufen. Ein erstes Info-Treffen für Interessierte findet am 3. Juli um 19 Uhr am Marienbrunnen auf dem Hauptplatz statt.
Herr Käser, wir haben jetzt viele Themen angesprochen. Wie geht es mit all diesen Vorhaben jetzt politisch weiter?
Käser: Das waren ja noch längst nicht alle neuen Themen, die uns für die nächsten drei Jahre unter den Nägeln brennen. Hinzu kommen noch Maßnahmen zur Energiewende, zum Umweltschutz, zur Förderung des gesellschaftlichen Lebens. Diese werden auf einer der kommenden Mitgliederversammlungen vorgestellt. Zuerst diskutieren wir alle Punkte immer mit unseren Freunden aus der bunten Koalition. Gemeinsam wollen wir dann das Koalitionspapier fortschreiben. Am Ende werden wir alle Projekte gemeinsam im Stadtrat diskutieren und hoffentlich einstimmig beschließen.
Hier finden Sie den Bericht zur erwähnten SPD-Versammlung: "Wer soll es sonst machen, wenn nicht die SPD"