Gekippt werden soll das Vorhaben der Gemeinde, die Frischeküche im Kindergarten von Steinkirchen durch eine Ausgabeküche zu ersetzen.
(ty) Eltern laufen Sturm gegen die Pläne, wonach die bestehende Frischeküche im Kindergarten von Steinkirchen durch eine Ausgabeküche ersetzt werden soll. Mit Hilfe eines Bürgerentscheids soll dieses Vorhaben der Gemeinde Reichertshausen gestoppt werden. Heute wurde das entsprechende Bürgerbegehren im Rathaus eingereicht. Die Gemeinde-Verwaltung bestätigte gegenüber unserer Redaktion den Erhalt der Unterschriften-Listen. Nach Angaben der Initiatoren haben 526 Leute unterzeichnet. Wenn alle formalen Kriterien erfüllt sind, steht demnächst in Reichertshausen wohl ein Bürgerentscheid an.
Unter dem Titel "Erhalt der Frischeküche im Bestandsgebäude des Kindergartens Steinkirchen" beantragen die Unterzeichner mit dem jetzt eingereichten Bürgerbegehren die Durchführung eines Bürgerentscheids über die konkrete Frage: "Sind Sie dafür, dass die Gemeinde Reichertshausen die bestehende Frischeküche im Kindergarten Steinkirchen weiterhin erhält und die Frischeküche nicht durch eine Ausgabeküche ersetzt?" Anja Klimke und Christina Thanner hatten, wie berichtet, als Vertreterinnen des Elternbeirats das Bürgerbegehren initiiert.
Zur Begründung des Vorstoßes wird unter anderem erläutert: "Die heute bestehende Frischeküche zeichnet sich durch ihre Qualität, Vielseitigkeit und ihren Geschmack aus. Die Lebensmittel werden regional und teils bio beschafft, Abfall durch Fertigessen in Umverpackungen wird vermieden. Dies ist in Bezug auf die Nachhaltigkeit optimal und fördert den regionalen Wirtschaftsraum. Zusätzlich ist die Stelle der Köchin ein Arbeitsplatz in Steinkirchen. Die Zubereitung vor Ort und im Umfeld der Kinder ist zudem pädagogisch äußerst wertvoll."
Über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens hat gemäß der bayerischen Gemeindeordnung der Gemeinderat nun binnen eines Monat zu entscheiden. Dabei geht es allerdings nicht darum, ob dem Gremium das Bürgerbegehren imponiert oder missfällt, und auch nicht darum, ob es den Erhalt der Frischeküche goutiert oder ablehnt – sondern einzig und allein darum, ob alle erforderlichen Kriterien erfüllt sind. Ist dies der Fall, dann wäre das Bürgerbegehren zulässig und in Reichertshausen stünde bald ein Bürgerentscheid an. Hinfällig werden könnte der Bürgerentscheid mutmaßlich, wenn der Gemeinderat noch schnell eine Entscheidung träfe, die ihn hinfällig machen würde.
Kommt es zum Bürgerentscheid, dann wäre dieser laut Gemeindeordnung an einem Sonntag innerhalb von drei Monaten nach der Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens durchzuführen – der Gemeinderat kann die Frist im Einvernehmen mit den vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens um höchstens drei Monate verlängern. Die Kosten des Bürgerentscheids hätte die Gemeinde zu tragen. Stimmberechtigt wäre dabei jeder Gemeindebürger; die Möglichkeit der brieflichen Abstimmung wäre zu gewährleisten.
Mit ihrem Ansinnen zum Erhalt der Frischeküche waren die Eltern-Vertreter bei Bürgermeister Reinhard Heinrich (CSU) und beim Gemeinderat bekanntlich auf wenig Verständnis gestoßen. Denn die Sache ist etwas kompliziert. Wie von unserer Zeitung bereits ausführlich berichtet (Aufregung um Kindergarten-Essen), hatte sich im vergangenen Jahr nämlich herausgestellt, dass die besagte Küche in dem bereits vorhandenen Kindergarten baurechtlich nicht genehmigt war und dass nun nach mehr als 25 Betriebsjahren eine Sanierung erforderlich sei. Erhebliche Kosten wären damit verbunden, wie ein Planungsbüro festgestellt hatte.
In einer Pressemitteilung, die Anja Klimke sowie Christina und Christoph Thanner im Namen der "Projektgruppe zum Erhalt der Frischeküche" heute Abend herausgegeben haben, wird erklärt: Die Unterschriften-Sammlung für das Bürgerbegehren – die vor allem an den Haustüren erfolgt sei – habe deutlich gemacht, wie groß das Interesse am Erhalt des Frischeküchen-Konzepts sei. Und das, obwohl die große Anzahl der Unterschriften "unter erschwerten Bedingungen" gesammelt worden sei – nämlich in den Sommer-Ferien, sprich: Haupt-Urlaubszeit.
"Es gab dabei kaum Ablehnung des Wunsches der Eltern und ihrer Kinder, dass der Kindergarten Steinkirchen sein vorbildliches und den Kindern sehr wohl schmeckendes Konzept fortführen soll", so das Fazit der Organisatoren. Sie versichern: Im Laufe der Unterschriften-Sammlung sei von der Projektgruppe mit den Bürgern "stets über Fakten" gesprochen worden und "nie über romantische Vorstellungen oder Unwahrheiten". Das hat ihrer Ansicht nach die Menschen überzeugt. "Es ist ihnen allen ein Anliegen, dass der Träger diese Alleinstellungs-Merkmal des Kindergartens Steinkirchen auch nach dem Erweiterungs-Neubau beibehält." Und das sei konzeptionell durchaus möglich.
Für die Kommune sei die heutige Einreichung der Unterschriften außerdem "ein gutes Zeichen", findet die Projektgruppe. Das zeige, wie eine intakte Bürger-Gesellschaft in einer Gemeinde funktioniere, und spiegle den großen positiven Mitgestaltungs-Willen der Menschen wider. Man hoffe, "dass der Eltern- und Bürger-Wille bezüglich des Küchen-Konzepts im Kindergarten Steinkirchen nun das Gehör der politisch Verantwortlichen findet und mit diesem klaren Wunsch vieler Bürger und damit Wähler respektvoll und fair umgegangen wird".
Klimke und Thanner unterstreichen: "Der Projektgruppe und den Unterstützern des Bürgerbegehrens geht es nicht um politische Auseinandersetzungen im Vorfeld der Kommunalwahlen 2020, sondern darum, dass die aktuellen und zukünftigen Kinder des Kindergartens Steinkirchen täglich eine frische und gesunde Ernährung bekommen." Dies sei heute bereits der Fall und dürfe "nicht ohne Not wegen eines Neubaus vom Träger beendet werden".
Mit Verweis auf die rund 530 gesammelten Unterschriften appelliert die Projektgruppe an den gesamten Gemeinderat, sich – unabhängig der Partei-Zugehörigkeit – dieses Anliegen zu eigen zu machen und zu unterstützen. "In einer Demokratie dürfen auch mal vorangegangene Festlegungen einer erneuten, faktenbasierten Betrachtung unterzogen werden." Die etwa 20-köpfige Projektgruppe blickt nach eigenem Bekunden jedenfalls nun der Zulässigkeits-Prüfung sowie einem eventuellen Bürgerentscheid optimistisch entgegen.
Bürgerbegehren und Bürgerentscheid
Ein Bürgerbegehren muss laut Gemeindeordnung in Kommunen mit einer Größe von bis zu 10 000 Einwohnern von mindestens zehn Prozent der Gemeindebürger unterschrieben werden (Einwohner ist dabei nicht gleich Gemeindebürger). Ist dies der Fall und sind alle formalen Kriterien erfüllt, dann kommt es in der Regel zu einem Bürgerentscheid.
Ist die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellt, darf bis zur Durchführung des Bürgerentscheids eine dem Begehren entgegenstehende Entscheidung der Gemeinde-Organe nicht mehr getroffen oder mit dem Vollzug einer derartigen Entscheidung nicht mehr begonnen werden – es sei denn, zu diesem Zeitpunkt haben rechtliche Verpflichtungen der Gemeinde hierzu bestanden.
Voraussetzung für ein formal gültiges Bürgerentscheid-Ergebnis ist dann eine nicht zu geringe "Wahlbeteiligung". Denn wie in der bayerischen Gemeindeordnung festgelegt ist, ist in Kommunen dieser Größe über einen Bürgerentscheid nur dann entschieden, wenn die Mehrheit der Stimmen – egal, ob dafür oder dagegen – mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten beträgt.
Ein gültiger Bürgerentscheid hat den Stellenwert eines Gemeinderats-Beschlusses und ist praktisch für ein Jahr bindend. Denn, so heißt es in der Gemeindeordnung: "Der Bürgerentscheid kann innerhalb eines Jahres nur durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden, es sei denn, dass sich die dem Bürgerentscheid zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage wesentlich geändert hat."
Bisherige Beiträge zum Thema:
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"Bürgermeister Heinrich beging hier klar Wortbruch"
Aufregung um Kindergarten-Essen in Steinkirchen: Es ist kompliziert