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Frei erfundene Nachrichten – Folge 7: Warum Martin Wolf um ein Haar als deutscher Teilnehmer zum Eurovision-Song-Contest 2016 gefahren wäre

(zel) Für bundesweiten Wirbel hat die angedachte Entsendung des Pfaffenhofener Landrats Martin Wolf (CSU) als deutschen Teilnehmer für den „Eurovision Song-Contest“ (ESC) gesorgt. Die Wellen schlugen hoch, als aus vermeintlich gut informierten Kreisen verlautete, dass ausgerechnet ein oberbayerischer Kreischef die Nation nächstes Jahr in Stockholm zum Sieg singen soll. Inzwischen wurde bekannt: Die ganze Sache ist noch viel komplizierter, als man zunächst dachte und sorgte für tumultartige Szenen in kommunalpolitischen Kreisen. 

Aber der Reihe nach: Nachdem die ARD zunächst den umstrittenen Sänger Xavier Naidoo – völlig ohne Beteiligung des Publikums – dazu auserkoren hatte, das Land der Dichter und Denker musikalisch zu vertreten, war die Aufregung bekanntlich groß. Eine Welle der Empörung schwappte durchs Land und „Das Erste“ besann sich angesichts des Aufschreis auf den leicht abgewandelten Slogan des ZDF: „Mit dem Zweiten singt man besser.“ Jedenfalls ruderte man eilends zurück und ließ Naidoo wissen, dass er nun bei der ARD doch nicht mehr in der ersten Reihe sitzt.

Schnell machten daraufhin diverse Vorschläge über mögliche richtige Kandidaten die Runde. Die Liste der gehandelten Namen reichte von Stefan Raab über Rammstein bis hin zur unvermeidlichen Helene Fischer. Auch die erfolgreiche Schlagersängerin Claudia Jung, die im beschaulichen Gerolsbach im Kreis Pfaffenhofen lebt, wurde ins Gespräch gebracht. Spätestens damit war die Diskussion über den deutschen ESC-Vertreter in der Region angekommen. Das wurde noch befeuert, als Jung, die bekanntlich auch für die AUL im Pfaffenhofener Kreistag sitzt, erklärte, sie könne sich einen Auftritt in Stockholm grundsätzlich vorstellen – aber nur im Duett mit Landrat.

Angesichts dieses Bekenntnisses gab es kein Halten mehr. Die Botschaft verbreitete sich in Windeseile und wie ein Lauffeuer. Sie wurde als Eilmeldung sofort von seriösen Nachrichten-Magazinen wie „Gala“, „Bunte“ und „Bild der Frau“ aufgegriffen, selbstredend stiegen auch Boulevard-Medien wie „Spiegel“, „Focus“ und FAZ groß ein. Den Rest erledigten das Internet, die „Neue Zürcher Zeitung“ und die Apotheken-Umschau, die sogar mit einer Sonderausgabe erschien.

Im Pfaffenhofener Landratsamt glühten derweil die Drähte und platzten die elektronischen Postfächer. Journalisten-Anfragen und Interview-Wünsche aus aller Welt gingen ein, zeitweise brach die Telefon-Anlage zusammen. Nach Informationen unserer Zeitung mussten bei der Bewältigung des medialen Ansturms sogar Beamte aus Sachgebieten aushelfen, die normalerweise damit beschäftigt sind, Gerichtsbeschlüsse falsch zu interpretieren. Kurzum: Ausnahmezustand.

Eilends tagte im Sitzungssaal des Rentamts, wo normalerweise sinkende Müllgebühren oder rechtswidrige Giebel beschlossen werden, ein eigens eingerichteter Krisenstab. Neben sämtlichen noch nicht strafversetzten Abteilungsleitern und mehreren Anwälten wurden auch PR-Berater sowie die Spitzen der Kreistags-Fraktionen zusammengerufen. Die zentrale Frage: Wie geht man mit dieser Situation um? Und vor allem: Soll Wolf es machen oder nicht?

Stundenlang soll hinter verschlossenen Türen ebenso hitzig wie kontrovers diskutiert worden sein, berichten Teilnehmer hinter vorgehaltener Hand. Wolf selbst sei hin- und hergerissen gewesen. Einerseits habe er eine ausgezeichnete Gelegenheit gewittert, das Hopfenland Hallertau und den boomenden Landkreis der Weltöffentlichkeit, zumindest aber den Europäern, zu präsentieren. Andererseits soll er aber einem Duett mit Claudia Jung zunächst äußerst skeptisch gegenüber gestanden haben. Nicht wegen ihr, sondern weil ihm ein Solo-Auftritt lieber gewesen wäre. Daraufhin soll mindestens einem aus der CSU der Kragen geplatzt sein. Der genaue Wortlaut ist zwar nicht überliefert. Sinngemäß soll man Wolf aber an den Kopf geworfen haben, es reiche schon, wenn er in der Kreispolitik ein Solo nach dem anderen auf die Bühne bringe.

„Es war klar, dass die Situation unweigerlich eskalierte“, berichtet uns einer aus dem Krisenstab, der lieber anonym bleiben will. Aus seiner eigenen Fraktion musste Wolf sich angeblich maßregeln lassen, er möge doch erst einmal prüfen lassen, ob es für einen Auftritt beim „Eurovision Song-Contest“ überhaupt ein staatliches Förderprogramm gebe, bevor er weitere Gelder der Kommunen verschleudere und man die Kreis-Umlage deshalb wieder nicht auf ein Rekord-Tief senken könne.

Der Dritte Landrat Josef Finkenzeller (FW) soll seine Zustimmung sogar an eine klare Bedingung geknüpft haben: Er werde diesen Populismus höchstens dann unterstützen, wenn er erstens im Rahmen einer Dienstreise mit nach Stockholm dürfe. Und wenn er zweitens für die Fahrt dorthin auch endlich mal, wie Vize-Landrat Anton Westner (CSU) sowieso dauernd, einen Audi A4 vom Landkreis gestellt bekomme. Bereit zu stehen habe der Wagen vollgetankt im Innenhof des Landratsamts. 

Markus Käser, Chef der SPD-Fraktion und Drittplatzierter beim Pfaffenhofener „Heimatsong“-Wettbewerb, soll die aufgeheizte Stimmung genutzt haben, um zu einer Generalabrechnung mit Wolf auszuholen. Der Landrat könne gar nicht weit genug in den Norden fahren, dass er es nicht wieder vergeige, habe der Obersozi geätzt. Und ob Wolf ernsthaft meine, er könne mit „Ein bisschen Giebel“ in die Fußstapfen von Nicole treten? 

Grünen-Kreischefin Kerstin Schnapp versuchte angeblich zu beschwichtigen. „Also, ich finde: Wenn wir in Stockholm verlieren, dann haben wir es alle miteinander verkackt“, soll sie an den Zusammenhalt appelliert haben. Man habe schließlich nicht nur beim Giebel, sondern auch im Fall Woedl und bei der 17 Millionen Euro teuren Sanierung des dann immer noch viel zu kleinen Landratsamts bewiesen, was man mit vereinten Kräften leisten könne.

Beruhigen konnte das die aufgebrachten Gemüter nicht. Und gerade, als dem Vernehmen nach schon mit ersten Handgreiflichkeiten zu rechnen war, platze eine Auszubildende mit einem eiligen Fax in der Hand in die hitzige Debatte. Es handelte sich um eine Pressemitteilung von Claudia Jung. Nur ein knapper Dreizeiler, der es aber in sich hatte: „...bedauere ich angesichts der entstandenen Irritationen um meine Person, dass ich offensichtlich nicht korrekt zitiert worden bin“, stand da. Und: „Tatsächlich habe ich erklärt, dass ich mir einen Auftritt beim ,Eurovision Song-Contest’ in Stockholm, wenn überhaupt, nur im Duett mit Lena Meyer-Landrut vorstellen kann.“ Landrut also, nicht Landrat. 

Bisher sind in der Serie "Frei erfundene Nachrichten" folgende Beiträge erschienen:

Skandale erschüttern Pfaffenhofen

RTL sendet Dschungel-Camp-Special mit Landkreis-Politikern

Gnadenlose Enthüllungen

„Promi-Big-Brother“ made in Pfaffenhofen

CSU plant Verkauf der Exklusivrechte an Wortmeldungen im Stadtrat

GfG gibt Stadtratsmandat an FDP-Chef Daschner ab


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