Es war einer der Aufsehen erregendsten Polizei-Einsätze des Jahres in der Region.
(ty) Ist der 28-Jährige, der am 6. November im Pfaffenhofener Jugendamt eine 31-jährige Sachbearbeiterin als Geisel genommen genommen und stundenlang in seiner Gewalt hatte, überhaupt schuldfähig? Diese Frage ist nach wie vor nicht beantwortet. Wie die Ingolstädter Staatsanwaltschaft gegenüber unserer Zeitung erklärte, werde derzeit ein psychiatrisches Gutachten über den Mann erstellt. Vom Ergebnis hängt maßgeblich ab, ob er im Falle einer Verurteilung ins Gefängnis muss oder in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht wird.
Wann mit dem Vorliegen des Gutachtens zur Schuldfähigkeit des 28-Jährigen gerechnet werden kann, ist noch unklar, hieß es weiter. Wie die Staatsanwaltschaft mit Verweis auf das Strafgesetzbuch erklärt, wird Geiselnahme mit einer Gefängnisstrafe nicht unter fünf Jahren geahndet. In minderschweren Fällen liegt die Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Wird der Mann als schuldunfähig eingestuft, dann kann er laut Staatsanwaltschaft aber nicht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden. In diesem Fall würde nach einer Verurteilung wohl die Unterbringung in einer Fachklinik erfolgen.
Mehr als fünf Stunden lang befand sich die Sachbearbeiterin des Jugendamts an der Pfaffenhofener Kreisbehörde in der Gewalt des Geiselnehmers. Tatort: Ein externes Büro am Hofberg, direkt gegenüber dem Landratsamt-Gebäude. Ein Fluchtversuch endete für die Frau bereits am Morgen blutig: Der Beschuldigte, ein 28-jähriger Ingolstädter mit kasachischen Wurzeln, hatte ein Messer bei sich. Gegen 13.40 Uhr sah die Polizei dann – wie berichtet – einen günstigen Moment, das SEK griff zu und überwältigte den Mann. Bei dem SEK-Einsatz kam auch ein so genannter Taser, eine Elektroschock-Pistole, zum Einsatz. Der 28-Jährige wurde festgenommen.
Am Tag nach der Geiselnahme wurde der Beschuldigte dem Haftrichter vorgeführt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde ein Unterbringungsbefehl gegen ihn erlassen, daraufhin brachte man den Mann in eine psychiatrische Klinik. Seine Schuldfähigkeit ist damit zumindest in Frage gestellt. Das besagte Gutachten soll diese Frage klären. Unabhängig davon lautet der Vorwurf, der gegen den Mann erhoben wird, auf Geiselnahme. Jedenfalls war es einer der spektakulärsten Einsätze für die regionalen Polizeikräfte in diesem Jahr. Bundesweit berichteten Medien.
Für die Polizei und die Justiz war der 28-Jährige bereits vor der Aufsehen erregenden Geiselnahme kein Unbekannter. Der Mann war in der Vergangenheit schon wegen Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, wie erklärt wurde. Außerdem sei er bereits mehrfach auf Basis des Unterbringungsgesetzes in Gewahrsam genommen worden.
Als Hintergrund der Geiselnahme gilt eine Entscheidung des Pfaffenhofener Jugendamts, mit welcher der Mann nicht einverstanden war – und die er nicht akzeptieren wollte. Der 28-Jährige ist Vater einer kleinen Tochter, die auf Betreiben des Jugendamts hin bei einer Pflegefamilie untergebracht worden war. Der Deutsch-Russe und die Mutter des Kindes lebten nach Angaben des Landratsamts zeitweilig zusammen, trennen sich wieder, waren dann wieder zusammen. Der Entzug des Sorgerechts für die Tochter soll das Motiv der Geiselnahme gewesen sein.
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