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In Wolnzach koalieren für manchen überraschend die Freien Wähler mit CSU und Grünen – für SPD-Chef Hammerschmid ist das Wortbruch, für FDP-Boss Stockmaier ein Sündenfall. Für Aufregung und weiteren Diskussionsstoff sorgt dieser politische Zusammenschluss allemal

Von Tobias Zell

In Wolnzach wurde in den vergangenen Tagen und Wochen viel gerechnet und spekuliert. Wer macht im künftigen Gemeinderat mit wem gemeinsame Sache, um sich eine Mehrheit zu organisieren? Für Schlagzeilen hatten Gedankenspiele von einer bunten Koalition von SPD, FDP/UW, Freien Wählern und Bürgergemeinschaft gesorgt, die zunehmend konkreter wurden. Dieses Bündnis hätte – unabhängig von der Stichwahl um den Bürgermeisterposten – die Mehrheit gebracht und den dann doch wiedergewählten Rathauschef Jens Machold (CSU) in eine Minderheitenregierung gestürzt. SPD, FDP/UW und Bürgergemeinschaft waren sich einig, sie wollten den Wechsel – die Freien Wähler hielten die bunte Koalition für denkbar, aber sich zugleich noch alles offen. Jetzt kommt es anders. Zwar auch irgendwie bunt, aber mit anderen Farben: Die Freien Wähler haben sich nämlich entschieden, mit der CSU-Fraktion und dem Grünen-Gemeinderat Willi Kling gemeinsame Sache zu machen. Damit sehen die potenziellen Partner der ursprünglich geplanten bunten Koalition schwarz.

Diese – für den einen mehr, für den andern weniger – überraschende Entwicklung sorgt nun freilich wiederum für Schlagzeilen. Bei den einen für Freude, bei den andern für puren Frust und Ärger. Hier die Reaktionen, Kommentare und Erklärungen.

SPD: „Betrug am Wähler“

Der hiesige SPD-Vorsitzende Werner Hammerschmid, der in der Stichwahl um den Bürgermeisterposten gegen Amtsinhaber Jens Machold (CSU) unterlegen war, zeigt sich „menschlich tief enttäuscht“ und wirft den Freien Wählern nicht weniger als Wortbruch vor. Am meisten störe ihn, dass gegebene Ehrenworte plötzlich nichts mehr zählten, schimpft er im Gespräch mit unserer Zeitung. Bekanntlich hatte sich Hammerschmid guter Dinge gezeigt, dass es mit der Koalition von SPD, FDP/UW und Bürgergemeinschaft klappt. Er berief sich dabei auf entsprechende Gespräche und Signale.

Besonders schlecht zu sprechen ist Hammerschmid auf Dierl und Guld von den Freien Wählern. Es habe immer den klaren Konsens unter den potenziellen Partnern der bunten Koalition gegeben, dass der Gemeinderats-Kandidat mit dem zweitbesten Stimmenergebnis zweiter Bürgermeister werden soll und der mit den drittmeisten Stimmen dritter Rathauschef. „Das wurde auch immer wieder mit Ehrenworten hinterlegt“, sagt Hammerschmid. „Aber nun zeigt sich, dass ein Ehrenwort nichts mehr gilt, wenn andere Interessen bestehen.“

 

Die künftige Sitzverteilung im Wolnzacher Gemeinderat.

Zum Hintergrund: Machold bekam 5582 Stimmen, Altbürgermeister Josef Schäch 5318, Hammerschmid 4861. Machold wurde zum Bürgermeister gewählt und Schäch hatte erklärt, er stehe für einen Stellvertreter-Posten nicht zur Verfügung. Somit wäre auf Basis dieser angeblichen Absprach Hammerschmid der designierte Vize-Bürgermeister gewesen. Die Freien Wähler seien „wortbrüchig ohne Ende“, wettert Hammerschmid. Denn nun soll, so will Hammerschmid erfahren haben, FW-Mann Guld Zweiter Bürgermeister werden.

Als Dritter Bürgermeister stehe er definitiv nicht zur Verfügung, sagt Hammerschmid heute klipp und klar und verweist auf den Wählerwillen. Er habe von allen Gemeinderatskandidaten – nach Machold und Schäch – die meisten Stimmen bekommen und bei der Bürgermeister-Stichwahl gegen Machold 40 Prozent geholt. „Da lasse ich mich nicht mit dem Posten des Dritten Bürgermeisters abspeisen“, sagt er.

Den Freien Wählern wirft Hammerschmid vor, das Wahlergebnis zu untergraben, „indem sie sich an die CSU verkaufen“. Und er wird noch deutlicher: „Ich verstehe nicht, wie man als FW einen Wahlkampf absolut und ausdrücklich gegen die CSU und auch gegen Machold führen kann, um nun mit wehenden Fahnen zur CSU zu laufen und auf Kuschelkurs umzuschalten. Ich würde mir da als FW-Wähler verarscht vorkommen. Aus meiner Sicht ist das Betrug am Wähler.“

Freie Wähler: „Stabile Grundlage“

In einer umfangreichen Pressemitteilung haben die vier künftigen Gemeinderäte der Freien Wähler – Georg Guld, Christian Dierl, Florian Werther und Astrid Elender – ihre Sicht der Dinge dargelegt und erklärt, warum sie nun mit der CSU und den Grünen koalieren.

Die Freien Wähler wurden in den vergangenen Wochen stets als das Zünglein an der Waage bezeichnet, erinnern die FW-Räte  „Dieser Rolle und der sich daraus ergebenden Verantwortung für den Markt Wolnzach waren wir uns stets bewusst.“ Vor der Festlegung über eine künftige Zusammenarbeit im Gremium „haben wir mit unterschiedlichen Fraktionen Gespräche geführt und die Entscheidung nicht vorschnell, sondern wohl überlegt, getroffen.“

Ein buntes Bündnis mit SPD, FDP/UW und der Bürgergemeinschaft sei für die Freien Wähler „lange Zeit mehr als eine Option“ gewesen, erklären sie. „Die ersten Gespräche waren sachlich, konstruktiv und von gutem Inhalt. Dazu stehen wir, das streiten wir gar nicht ab.“ Nun kommt das große Aber: „Wir mussten jedoch dann feststellen, dass nicht bei allen Personen eine sinnvolle Zusammenarbeit im Sinne der Sache im Mittelpunkt steht. Dies zeigte sich in einigen Gesprächen und auch schon des Öfteren bei Abstimmungen oder Anträgen im Gemeinderat, sowie bei diversen Äußerungen in Wort und Schrift. Äußerungen und Meinungen, die nicht der Sache dienen, Wolnzach nicht weiterbringen und mit welchen wir uns nicht identifizieren können.“ Leidtragende seien diejenigen aus diesen Fraktionen, die bei den Gesprächen stets im Sinne der Sache vernünftig argumentiert haben.

„Der Wähler hat entschieden, dass Jens Machold weiter die Geschicke des Rathauses führen soll. Und somit ist auch klar, dass er eine stabile Grundlage und Unterstützung braucht, damit es in Wolnzach voran geht“, finden die FW-Räte. Das funktioniert ihrer Meinung nach nur, „wenn wir als Freie Wähler uns als gleichberechtigter Partner bei dieser Zusammenarbeit positionieren und versuchen, durch unsere sachliche Arbeit ohne Parteibuch den Marktgemeinderat in Wolnzach zu stabilisieren.“ Deshalb habe man sich für eine Zusammenarbeit mit Machold, seiner CSU-Fraktion und Willi Kling (Grüne) entschieden.

Die mit Blick auf die Koalition von CSU, FW und Grüne geführten Gespräche verlaufen nach Angaben der Freien Wähler „äußerst angenehm und konstruktiv“. Viele Themen aus dem FW-Wahlprogramm würden eingebracht. „Gerade im Hinblick auf unsere Hauptthemen Transparenz und Bürgerbeteiligung haben wir Zustimmung erhalten. Dies war eine grundsätzliche Voraussetzung für eine künftige Zusammenarbeit. Hiervon werden wir nicht abrücken und unseren Standpunkt klar vertreten.“

Die FW-Fraktion werden sich in dieser Koalition „als Partner auf Augenhöhe präsentieren und dabei stets an der Sache orientieren“. Eine Politik mit Parteibrille und ohne über den Tellerrand hinauszuschauen werden die Freien Wähler nach eigenen Worten nicht mittragen. „Die Verteilung der Posten und Referate ist zweitrangig und stand nicht im Mittelpunkt der Gespräche. Konkrete Ergebnisse gibt es noch nicht.“ Der ausdrückliche Wunsch der FW-Fraktion sei es außerdem, „dass alle Fraktionen mit verantwortungsvollen Referaten ausgestattet werden, denn nur, wenn alle die Möglichkeit haben, sich einzubringen, kann im Sinne der Sache etwas bewegt werden“.

CSU: „Große Schnittmengen“

Auf Anfrage unserer Zeitung bestätigt auch der Wolnzacher Landtagsabgeordnete und Gemeinderat Karl Straub (CSU), dass es eine Koalition von Christsozialen, Freien Wählern und Grünen geben werde. Er verweist auf eine entsprechende Vereinbarung, die bereits getroffen worden sei. „Wir sind uns inhaltlich einfach einig“, so Straub. „Wir haben sehr gute Gespräche geführt und es gibt große Schnittmengen.“ Die Koalition wolle viel erreichen und auch die übrigen Parteien einbeziehen. „Auch für die SPD steht die Tür offen“, sagt Straub: „Für konstruktive Vorschläge sind wir immer offen.“

FDP: "Sündenfall der FW"

Thomas Stockmaier, der Vorsitzende der Wolnzacher FDP bezeichnet die Entscheidung der Freien Wähler, mit der CSU und den Grünen zu koalieren, als "Sündenfall". Seit November habe man Gespräche mit den Freien Wählern und der SPD geführt und sei sich einig gewesen, dass es zu einer Veränderung des Politikstils in Wolnzach kommen müsse. "Das ist nun alles durch das Verhalten der Freien Wähler ausgehebelt", kritisiert Stockmair.

Für ihn komme der Sinneswandel der FW "ziemlich überraschend", so der FDP-Chef. "Damit haben die Freien Wähler ihr Wahl-Versprechen und ihre Aussagen im Wahlkampf komplett verworfen." Und wie die FW-Fraktion mit Werner Hammerschmid umgehe, das sei "eine Unverschämtheit". Unterm Strich befürchtet Stockmaier, dass diese Koalition von CSU, FW und Grünen vor allem eines erreiche: "Sie verlängern die Lethargie."

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