Nach einer Sonderprüfung des Kommunalen Prüfungsverbands war dem früheren Geschäftsführer der Ilmtalklinik fristlos gekündigt worden. Ein Blick in den Bericht zeigt, warum. Und doch scheint völlig offen, ob man nun vor Gericht zieht oder doch eine Abfindung überweist. Im Raum stehen 190 000 Euro. Zu entscheiden haben das demnächst die Kreisräte – doch so mancher fühlt sich noch gar nicht ausreichend informiert.
Von Tobias Zell
Der politische Sommer im Landkreis Pfaffenhofen ist – bis auf die Schwarzbau-Affäre, die sich das Landratsamt selbst am eigenen Anbau geleistet hat – eher ruhig. Doch hinter den Kulissen beschäftigt die Mitglieder des Kreistags ein pikantes Thema, das bei manchem durchaus für Bauchgrimmen sorgt. Es geht um die Frage, ob man nach der fristlosen Kündigung des früheren Ilmtalklinik-Geschäftsführers Marco Woedl nun auch konsequenterweise vor das Arbeitsgericht zieht oder sich doch lieber auf einen Vergleich einigt.
Im Raum steht für eine außergerichtliche Lösung nach Informationen unserer Zeitung derzeit die Summe von 190 000 Euro – die aus Steuergeldern zu bestreiten wäre. Zunächst waren ja bekanntlich von Woedl 450 000 Euro gefordert worden, doch der Kreistag hatte angesichts dieser Dimension abgewunken. Nun, bei weniger als der Hälfte, kommt man aber offenbar doch noch einmal ins Grübeln – und das zeigt, dass man sich gar nicht mehr so sicher scheint, ob der fristlose Rauswurf vor Gericht auch als gerechtfertigt durchgeht.
Zu entscheiden haben die Kreisräte Anfang September. Dann findet eine Kreistagssitzung statt, in der über den Vorschlag einer gütlichen Einigung oder aber die Annahme des Prozesses entschieden werden soll. Das Problem dabei: Wie hinter vorgehaltener Hand die Runde macht, sieht sich so mancher Kreisrat auf Basis der ihm vorliegenden Informationen bis dato gar nicht in der Lage, guten Gewissens eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Dabei bleibt nicht mehr viel Zeit.
Zwar hatte Landrat Martin Wolf (CSU), wie berichtet, kurz vor der Sommerpause noch eilends ein Treffen der Fraktionschefs einberufen, in dem der vom Landkreis engagierte Anwalt hinter verschlossenen Türen über den aktuellen Stand in der Sache Woedl berichtet hat – doch erschöpfend ausdiskutiert und aufgehellt ist das ganze Thema offenbar längst nicht. Vielmehr fühlt sich seither so mancher in einen Sommerurlaub entlassen, in dem man von Fraktionskollegen immer wieder gefragt wird, was denn nun Sache sei – aber auch immer wieder vertrösten muss, obwohl die Entscheidung naht.
Freilich gab und gibt es bei der einen oder anderen Fraktion interne Gespräche zum Thema „Zahlen oder klagen?“. Doch viele Fragen zum Verständnis, zur Tragweite, zu den Hintergründen oder den Folgen ergeben sich naturgemäß erst bei der intensiven Beschäftigung mit dem Thema. Zwar soll der Landrat den Fraktionen zunächst angeboten haben, sie könnten sich mit dem vom Landkreis engagierten Anwalt zusammensetzen, um alles in Ruhe zu erläutern und sich erklären zu lassen. Doch andererseits ist nun wiederum durchgesickert, dass aus diesen Terminen möglicherweise doch nichts wird – weil man offenbar Angst hat, dass der Kreis derer, die dann nähere Details wissen, zu groß ist. Und weil man sich sorgt, dass dann etwas nach außen dringen könnte, was nicht für die Allgemeinheit oder die Gegenseite bestimmt ist.
Sollte es indes aber keine Möglichkeit für die Kreisräte mehr geben, sich einigermaßen rechtzeitig vor der Sitzung, in der sie „Hü“ oder „Hott“ sagen müssen, umfangreich und ohne Zeitdruck zu informieren, dann dürfte das so manchen bei der Abstimmung in einen Gewissenskonflikt bringen. Enthalten kann man sich im Kreistag ja bekanntlich nicht. Wie aber soll man für den Klageweg oder die außergerichtliche Lösung und damit die Überweisung einer nicht unbedeutenden Summe votieren, wenn man einfach zu wenig über die ganze Sache weiß: Wie groß ist das Prozessrisiko? Was kostet es schlimmstenfalls, wenn man vor Gericht zieht und verliert? Und was hat man im Falle einer Klage überhaupt im Köcher?
Es geht jedenfalls, Woedl hin oder her, bei der ganzen Sache auch um eine ganz grundsätzliche Frage: Ist man bereit, jemandem – dem man zunächst fristlos gekündigt hat, weil man der Meinung war, dass man dafür stichhaltige Gründe hat – nun auch noch eine satte Abfindung zu bezahlen, damit die Sache vom Tisch ist und Ruhe einkehrt? Oder geht man einigermaßen selbstbewusst davon aus, dass man mit den Argumenten, mit denen man den Rauswurf damals begründet hat, nun auch vor Gericht bestehen kann?
Ungeachtet dessen gibt es auch bereits zaghafte Stimmen, die sagen, man sollte allein der nötigen Aufklärung wegen vor Gericht ziehen. Nicht vorrangig gegen Woedl also, sondern vor allem für die Transparenz. Andere wiederum haben möglicherweise genau darauf keine große Lust. Denn in einem öffentlichen Gerichtsverfahren würden freilich beide Seiten – schon aus eigenem Interesse – alles auf den Tisch legen, was sie an „Munition“ haben. Und das könnte in der Öffentlichkeit Fragen aufwerfen. Nicht nur die, warum man dem Klinik-Geschäftsführer ein Gehalt überwiesen hat, das über dem lag, was der Bayerische Kommunale Prüfungsverband (BKPV) für angemessen hielt. Und warum man das auch nach dem entsprechenden Hinweis bei der Vertragsverlängerung beibehielt und sogar noch ein Rückkehrrecht vereinbarte.
Die Ilmtalklinik GmbH selbst befindet sich inzwischen wieder in ruhigerem Fahrwasser.
Der Hauptauslöser für die fristlose Kündigung war im Dezember vergangenen Jahres der Bericht des BKPV nach einer Sonderprüfung, wie aus dem Landratsamt damals auch bestätigt wurde. Dabei waren insbesondere die Geschäftsführung ab dem Jahr 2012 sowie in wesentlichen Punkten auch die wirtschaftlichen Verhältnisse unter die Lupe genommen worden.
In der Tat offenbart der 19-seitige Sonderprüfungsbericht, der unserer Redaktion vorliegt, bemerkenswerte Erkenntnisse. So kommt der BKPV etwa zu dem Schluss, dass von Seiten Woedls „nicht regelmäßig über die Entwicklung der Ertragslage Bericht erstattet“ wurde. Vom Verdacht auf Verstöße gegen das Arbeitnehmergesetz und gegen Hygienevorschriften sei der Aufsichtsrat nicht durch Woedl, sondern zuerst durch ein Schreiben des Betriebsrats informiert worden. Bemängelt wurde auch in einigen Punkten die Qualität der Berichterstattung gegenüber dem Aufsichtsrat.
Im Hinblick auf das Jahresergebnis 2012 stellten die Prüfer fest, dass hierüber „erst sehr spät“ informiert wurde. Zudem seien die Informationen „sehr vage“ gewesen. „Es wurde eine große Bandbreite des Jahresergebnisses genannt“, so der BKPV. Ungeachtet dessen sei der Jahresfehlbetrag von 1,6 Millionen Euro im geprüften Jahresabschluss noch „wesentlich höher als prognostiziert“. Ebenso war aus Sicht der Prüfer die Annahme im Wirtschaftsplan 2013, die Klinik GmbH könnte ein ausgeglichenes Jahresergebnis erzielen „nicht realistisch“. Und die finanziellen Auswirkungen der Zusammenlegung der Speisenversorgung in den Kliniken Pfaffenhofen und Mainburg wurden laut BKPV „nicht zutreffend“ dargestellt.
Bereits durch die lokalen Medien gegangen ist der Fall der dem Aufsichtsrat vorenthaltenen Teile einer Präsentation, den auch der BKPV in seinem Bericht erwähnt. In der Aufsichtsrats-Sitzung am 13. Mai 2013 wurde demnach von Woedl eine 35 Folien umfassende Abschlusspräsentation über die Ergebnisse einer Beratungsfirma zur Restrukturierung der Intensivstation vorgestellt. „Durch eine Information des Vertreters des Betriebsrats im Aufsichtsrat wurde jedoch bekannt, dass diese Präsentation im Vergleich zu der Fassung (41 Folien), die der Geschäftsführung von der Beraterfirma vorgestellt wurde, nicht vollständig war.“ Nach eigener Darstellung hatte Woedl die vollständige Präsentation – also inklusive der zunächst vorenthaltenen Folien – in der darauf folgenden Aufsichtsrats-Sitzung geplant. Das wurde von ihm aber erst erklärt, als schon Kritik an der unvollständigen Präsentation laut geworden war. „Die fehlenden sechs Folien hatten zum Teil kritische Stellungnahmen gegenüber der Geschäftsführung zum Inhalt“, so der BKPV.
Konkret ausgeführt werden in dem Sonderprüfungsbericht auch zwei weitere Vorgänge. So wurde am 14. Juli 2011 mit einer Firma die Vereinbarung über die Überlassung von Räumlichkeiten in der Ilmtalklinik geschlossen; es ging um den Betrieb eines Sanitätshauses. Der Vertrag wurde, so der BKPV, vom damaligen Landrat Anton Westner (CSU) unterschrieben – allerdings habe der vor Unterzeichnung handschriftlich die Regelung gestrichen, wonach der Mieter im ersten Jahr von der Miete befreit wäre. Vier Tage später wurde eine Nebenabrede zwischen Woedl und der besagten Firma vereinbart – die wiederum die Befreiung von der Miete für zwölf Monate vorsah. „Nach den uns erteilten Auskünften war der Landrat darüber nicht informiert“, schreibt der Prüfungsverband und stellt klar: „In der fehlenden Genehmigung über diese wesentliche Grundlage des Vertragsverhältnisses sehen wir einen Verstoß gegen den Pacht- und Überlassungsvertrag.“ Die Befreiung von der Miete für ein Jahr habe zu einem Ertragsausfall von rund 13 000 Euro geführt.
Und an einen in München niedergelassenen Arzt wurden im Rahmen dessen konsiliarärztlicher Tätigkeit Fahrkostenerstattungen von rund 20 000 Euro ausbezahlt – obwohl nach Darstellung des BKPV die mit dem Arzt getroffenen Vereinbarungen gar keine derartige Regelung enthielten beziehungsweise diese sogar ausschlossen.
Diese und weitere Erkenntnisse aus dem Sonderprüfungsbericht lieferten also die Gründe für die fristlose Kündigung. Und nach Informationen unserer Zeitung ließ man sogar mögliche Schadensersatz-Ansprüche prüfen, die man gegenüber Woedl auf zivilrechtlichem Wege geltend machen könnte. Auch über mögliche strafrechtliche Verantwortlichkeiten informierte man sich; darüber wurde dem Vernehmen nach auch im Aufsichtsrat gesprochen. Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt erreichte die Angelegenheit aber nicht. Wie Helmut Walter, der Leitende Oberstaatsanwalt, auf Anfrage unserer Zeitung erklärt, liege diesbezüglich keine Strafanzeige vor.
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