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Als man im Dezember dem damaligen Ilmtalklinik-Chef Marco Woedl fristlos kündigte, glaubte man triftige Gründe zu haben – jetzt ist man sich gar nicht mehr sicher und will ihm lieber 190 000 Euro überweisen. So sieht es die Mehrheit des Kreistags – dagegen waren Grüne, FDP und drei Sozialdemokraten. SPD-Kreischef Käser fordert restlose Aufklärung

Von Tobias Zell 

Nun ist also offiziell, was sich in den vergangenen Tagen bereits angedeutet hatte. Im Fall des im vergangenen Dezember fristlos gekündigten ehemaligen Ilmtalklinik-Geschäftsführers Marco Woedl soll es eine außergerichtliche Lösung geben und eben keinen Prozess vor dem Arbeitsgericht. Dafür hat sich jedenfalls heute Nachmittag der Pfaffenhofener Kreistag in einer außerordentlichen Sitzung hinter verschlossenen Türen ausgesprochen. Das teilte Karl Huber, der Sprecher des Landratsamts, am Abend in einer Presseerklärung mit.

Mitte Dezember war Woedl fristlos entlassen worden, weil man damals überzeugt davon war, triftige Gründe für diesen gewichtigen Schritt zu haben. Vor allem aus dem umfangreichen Bericht nach einer Sonderprüfung des "Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands" (BKPV) glaubte man, stichhaltige Argumente für den Rauswurf beziehen zu können. Nun ist man sich ganz offensichtlich überhaupt nicht mehr sicher. Und ist eher bereit, dem Geschassten freiwillig rund 190 000 Euro zu überweisen, als gegen ihn vor Gericht zu ziehen.

Den Angaben zufolge fiel der Beschluss pro Vergleichsvereinbarung heute mit 42:10 Stimmen und damit relativ deutlich. Dem Vernehmen nach verlief die Sondersitzung sachlich, aber geprägt von dem Gedanken, das leidige Thema endlich vom Tisch zu bekommen, sowie beseelt von dem Glauben, damit Ruhe für die Klinik zu bekommen. Entschieden wurde „nach intensiver Abwägung der für das weitere Vorgehen maßgeblichen Gesichtspunkte“, heißt es dazu offiziell in der Pressemitteilung. 

Marco Woedl.

Gegen die außergerichtliche Lösung votierten drei Kreisräte der SPD-Fraktion sowie alle vier Mitglieder der Grünen-Fraktion und alle drei FDP-Kreisräte. Das heißt, alle anwesenden Kreisräte von CSU, Freien Wählern, AUL und ÖDP sowie ein Großteil der Sozialdemokraten stimmten für den Vergleich. 

Landrat Martin Wolf (CSU) wurde demnach ermächtigt, in der Gesellschafterversammlung der Ilmtalklinik GmbH für einen Einigungsbetrag in Höhe von rund 190 000 Euro zu stimmen. Diese Summe war in den vergangenen Wochen immer wieder im Gespräch. Sie kam, wie berichtet, bei einem vor der politischen Sommerpause von Wolf eilends einberufenen Treffen der Fraktions-Spitzen auf den Tisch, bei dem der Anwalt des Landkreises über den aktuellen Stand im Fall Woedl berichtet hatte. Ursprünglich waren bekanntlich von Woedl 450 000 Euro gefordert worden; bei dieser Summe hatte der Kreistag damals aber abgewunken. Inzwischen hat Woedl eine neue Stelle angetreten, was die verringerte „Forderung“ erklären dürfte.

Der von Seiten des Landkreises – als Gesellschafter der Ilmtalklinik GmbH – mit der Angelegenheit beauftragte Prozessvertreter, Prof. Dr. Josef Langenecker, soll nun beauftragt werden, eine entsprechende Vergleichsvereinbarung auszuarbeiten, heißt es in der Erklärung weiter. Stimmen alle Gremien auf Seiten der Klinik-Gesellschafter zu, ist der Fall letztlich mit Unterzeichnung der Vergleichsvereinbarung und nach Zahlung der rund 190 000 Euro aus Steuergeldern an Woedl erledigt – vorausgesetzt freilich, auch der stimmt zu und unterschreibt. Ansonsten käme es doch noch zum Prozess vor dem Arbeitsgericht.

Statements der Fraktionen

Landrat Wolf sagte nach der heutigen Sitzung, es gehe um das Interesse der Klinik. „Eine vergleichbare Einrichtung hätte in einer derartigen Situation genau so entschieden“, betonte der Kreischef, der auch Vorsitzender des Ilmtalklinik-Aufsichtsrats ist.

CSU-Fraktionssprecher Reinhard Heinrich meinte, dass eine gerichtliche Auseinandersetzung zu unsicher sei. Bereits in der vergangenen Woche hatten sich die Christsozialen nach einem internen Treffen ja einhellig für einen Vergleich ausgesprochen. „Oberste Prämisse ist es, die nunmehr spürbare positive Entwicklung der Ilmtalklinik nicht zu gefährden“, so Heinrich.

FDP-Fraktionssprecher Thomas Stockmaier wollte betont wissen, dass die Liberalen konsequent abgestimmt hätten, weil sie bereits in einer früheren Sitzung den Dienstvertrag mit dem ehemaligen Geschäftsführer abgelehnt hatten.

Die Grünen haben sich nach den Worten der Fraktions- und Kreisvorsitzenden Kerstin Schnapp zwar heute mit ihrem Votum gegen den Vergleich ausgesprochen und damit in dieser Sache anders entschieden als die Mehrheit des Kreistags. Das heutige Ergebnis sei aber eine demokratische Entscheidung, zu der die Grünen deshalb auch stehen. 

„Die anderen Fraktionssprecher standen für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung“, teilte Landratsamt-Sprecher Karl Huber nach der nicht-öffentlichen Sitzung mit. Die SPD-Fraktion habe mehrheitlich dem Vergleich – vorbehaltlich etwaiiger insolvenzrechtlicher Tatbestände – zugestimmt, erklärte Fraktionsvize Markus Käser nachträglich auf dem Landkreis-Blog seiner Partei.

"Insolvenzrechtliche Tatbestände", "geschönte Berichte", "gefälschte Zahlen"

Ausführlich zu Wort gemeldet hat sich Käser, der auch Vorsitzender der Sozialdemokraten im Landkreis ist, indes in einem persönlichen Statement. „Geld für Woedl und Ruhe für die Ilmtalklinik:
 Die Mehrheit der Kreisräte ist heute dieser vereinfachten Formel gefolgt – trotz der vorliegenden Gutachten und Fakten. Wobei ich nicht sicher bin, ob wirklich jeder im Kreistag alle Informationen bekommen beziehungsweise auch gelesen hat“, kommentierte er im Landkreis-Blog. Man wolle mit diesem außergerichtlichen Vergleich nun das „Buch Woedl“ endgültig schließen. „Lassen wir uns aber nicht täuschen. Das Thema ist bei weitem nicht so banal“, so  Käser. „Denn unabhängig von arbeitsrechtlichen Umständen, weil die fristlose Kündigung scheinbar doch nicht trägt, bleiben noch viel zu viele andere Fragen offen“, findet er.

Käser verweist dabei auf die Berichte und Gutachten zum Fall Woedl, in denen es Hinweise auf „insolvenzrechtlichen Tatbestände“, „geschönte Gerichte“ und „gefälschte Zahlen“ gebe. „Das klingt nach dringend notwendiger Aufklärung.

Einmal hinsichtlich möglicher Unterlassungen seitens der Kreisverwaltung und des Landrats. Aber vor allem hinsichtlich der insolvenzrechtlichen Aspekte, welche ja offenbar gänzlich ungeklärt geblieben sind.“

Im Wirtschaftsgutachten wurde auf insolvenzrechtliche Tatbestände hingewiesen und im Gutachten von Rechtsanwalt Langenecker heißt es, dass auf Insolvenzstraftaten nicht eingegangen wurde, da dies einer Sonderprüfung durch einen Fachmann vorbehalten bleiben sollte, erinnert Käser und betont:
“Es ist also nicht alles klar. Denn diese weiteren Prüfungen haben bisher nicht stattgefunden.“ Für den SPD-Kreisvorsitzenden bedeutet das: „Seit Monaten sind diese Hinweise bekannt und heute stimmte der Kreistag einem außergerichtlichen Vergleich zu, mit dem ja nun alle gegenseitigen Ansprüche erledigt sind.“

Und das, so Käser, „obwohl immer noch ungeprüfte Hinweise auf insolvenzrechtliche Tatbestände vorhanden sind“. Insofern stelle sich ihm die Frage, ob Landrat Wolf nichts längst hätte reagieren müssen. Sowohl das Wirtschafts- als auch das Anwalts-Gutachten lägen seit Monaten vor. Für Käser ist klar, „dass diese Straußenpolitik, sich jetzt einfach in die Furche zu legen und warten, bis der Wind darübergezogen ist, in diesem Fall längst nicht mehr funktioniert“. Viel zu viele Fragen bleiben seiner Ansicht nach offen.

Käser: "Glaubwürdigkeit der Kreispolitik wieder herstellen"

„Wenn wir wirklich Schaden für die Zukunft abwenden wollen, dann sollten wir zuerst die Glaubwürdigkeit der Kreispolitik wieder herstellen und zeigen, dass wir in der Lage sind, eine öffentliche Klinik nach öffentlichen Standards zu führen“, fordert der SPD-Kreischef. „Zeigen wir also,  dass wir fähig sind, Fehler einzugestehen, die die Kreispolitik in diesem Fall (von Krisenmanagement bis Informationspolitik) zur Genüge gemacht hat.“

Geklärt werden muss nach Meinung von Käser beispielsweise, wie die genauen Abläufe seit Bekanntwerden der Probleme an der Klinik waren. Wer habe wann und wie reagiert? Wer habe wen, wie und wann informiert? „Ein interner Prüfungsausschuss wäre hier sicher angebracht“, erklärt Käser und appelliert an die Kreispolitiker: „Beweisen wir, dass wir nichts unter den Teppich kehren wollen, und zeigen den Willen, die Sache restlos aufzuklären. Das sind wir der Öffentlichkeit und nicht zuletzt den Mitarbeitern der Klinik schuldig.“ 

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