Der Kreistag stimmt heute darüber ab, ob man dem früheren Ilmtalklinik-Geschäftsführer Marco Woedl nach der fristlosen Kündigung 190 000 Euro überweist oder vors Arbeitsgericht zieht. Die einen wollen zahlen, damit Ruhe ist, andere sehen noch grundlegende (straf)rechtliche Fragen ungeklärt
Inzwischen ist entschieden: Lieber zahlen und nicht klagen
Von Tobias Zell
Als Marco Woedl, dem früheren Geschäftsführer der Ilmtalklinik GmbH, am 13. Dezember vergangenen Jahres die fristlose Kündigung ins Haus flatterte, glaubten die Absender nach entsprechenden Beschlüssen in den Gremien und mit Blick auf fachliche Berichte, stichhaltige Gründe für diesen gewichtigen Schritt zu haben. Inzwischen ist man sich da bekanntlich nicht mehr so sicher. Denn heute Nachmittag wird der Pfaffenhofener Kreistag ab 16 Uhr hinter verschlossenen Türen darüber entscheiden, ob man vor das Arbeitsgericht zieht, um diese Kündigung zu verteidigen, oder ob man sich mit Woedl auf einen außergerichtlichen Vergleich einigt. Im Raum stehen, wie berichtet, 190 000 Euro – zu bezahlen aus Steuergeldern.
Doch auch heute, da angesichts der wichtigen Abstimmung eigentlich alles klar sein sollte, sind noch viele Fragen offen. Zwar hat sich die CSU-Fraktion als größte Riege im Kreistag ja schon vor einigen Tagen festgelegt und sich einstimmig für den Vergleich ausgesprochen. Aber so einhellig dürfte es heute im Kreistag beileibe nicht zugehen. So mancher will nicht recht einsehen, warum man zuerst fristlos kündigt und dann den Gang vors Arbeitsgericht scheut beziehungsweise wieso man freiwillig zahlen soll. Andere sehen noch viel grundlegendere Fragen offen.
Fristlos gekündigt wurde Woedl vor allem angesichts der Erkenntnisse, die aus dem Bericht nach der Sonderprüfung des „Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands“ (BKPV) hervorgingen und die für Empörung sorgten. Das hatte das Landratsamt damals gegenüber unserer Zeitung erklärt. Aus dem 19-seitigen BKPV-Bericht gehen, wie berichtet, einige Hinweise auf mögliche Pflichtverletzungen hervor.
Ungeachtet der Frage, ob der eine oder andere vom BKPV monierte Sachverhalt den Aufsichtsgremien schon früher hätte auffallen können oder müssen, wurde Woedl jedenfalls im Dezember fristlos gekündigt. Ein Schritt der – in der arbeitsrechtlichen Realität – nicht selten nur mit der Zahlung einer satten Abfindung zu halten ist. Jedenfalls wurde in der nicht-öffentlichen Sitzung des Klinik-Aufsichtsrats am 10. Dezember vergangenen Jahres angesichts der vorliegenden Erkenntnisse einstimmig beschlossen, „dass sowohl eine zivilrechtliche Schadenersatzklage gegen Herrn Woedl als auch ein strafrechtliches Vorgehen (...) geprüft werden soll“.
Dieser Beschluss wurde auch umgesetzt, aber möglicherweise nur teilweise. Jedenfalls wurde ein Anwalt mit der Prüfung von zivil- und strafrechtlichen Tatbeständen beauftragt. Und der kam zu dem Fazit, „dass zivilrechtliche Schadensersatzansprüche möglich sind“ und dass Woedl eine strafrechtliche Verantwortlichkeit „mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nachzuweisen“ sei, wie aus den unserer Redaktion vorliegenden Unterlagen hervorgeht.
Ausdrücklich nicht eingegangen wird dabei allerdings auf mögliche Insolvenzstraftaten. Die Aussagen seien viel zu vage, heißt es da. „Und im Übrigen müsste dies einer Sonderprüfung durch einen Fachmann im Insolvenz(-straf-)recht vorbehalten bleiben.“
Insolvenzrechtliche Tatbestände wurden also hier nicht geprüft. Obwohl im Aufsichtsrat zuvor „ein umfassendes Vorgehen auch mit Prüfung der strafrechtlichen Seite“ gefordert und dann laut Protokoll ja auch beschlossen worden war. Und obwohl es möglicherweise auch noch Aufklärungsbedarf gegeben hätte. Denn wie aus dem von Landrat Martin Wolf (CSU) in Auftrag gegebenen Bericht einer Wirtschaftsprüfungsfirma, der vom 1. Dezember 2013 datiert, hervorgeht, war „insbesondere auf insolvenzrechtliche Tatbestände sowie notwendige Maßnahmen“ hingewiesen worden.
In dem Wirtschaftsbericht ist unter anderem die Rede von Kontoständen, die sich „seit längerem permanent im Minus (zirka –1,9 Millionen Euro)“ befanden. Dies habe sich, aufgrund der dauerhaften Inanspruchnahme des Kontokorrentkredits mit hohen Zinszahlungen, negativ auf das Ergebnis ausgewirkt. Die Gespräche vor Ort führte die Wirtschaftsprüfungsfirma nach eigenen Angaben Anfang August vergangenen Jahres. „Die Liquiditäts-Situation war zum Zeitpunkt der Gespräche sehr angespannt. Spätestens bei einer notwendigen Rückzahlung des Gesellschafter-Darlehens zum 31. Oktober 2013 war mit einer Illiquidität zu rechnen“, heißt es – „was jedoch mit einem aktualisierten und detaillierter ausgestalteten Liquiditätsplan noch geprüft werden sollte“.
Als „sehr brisant“ wird auch die zu diesem Zeitpunkt vorherrschende Eigenkapital-Situation, beurteilt. „Bei einem EK in Höhe von zirka 0,9 Millionen Euro zum 31. Juni 2013, aber bereits im ersten Halbjahr 2013 aufgelaufene Verluste von –1,2 Millionen Euro, war eine bilanzielle Überschuldung in den laufenden Monaten, bei sonst unveränderten Bedingungen, sehr wahrscheinlich“, so die Wirtschaftsprüfer. „Maßnahmen mussten hier dringend eingeleitet werden.“
Bekanntlich hat Landrat Wolf im vergangenen Jahr per Eilentscheidung verfügt, der in finanzieller Schieflage steckenden Ilmtalklinik per Überbrückungskredit aus Rücklagen des Landkreises auszuhelfen, um die Liquidität zu sichern. Andernfalls hätte das Krankenhaus, dessen Gesellschafter der Landkreis ist, dem Vernehmen nach die Löhne der Angestellten nicht mehr bezahlen können. Die FDP-Kreistagsfraktion hatte sich damals an dieser Vorgehensweise gestört und Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Wolf eingereicht. Die Regierung von Oberbayern sah aber kein Fehlverhalten des Kreischefs.
Zurück zum Fall Woedl. Heute nun haben die Kreisräte zu entscheiden: Klagen oder zahlen? Inzwischen – Woedl hat einen neuen Job – sind allerdings „nur“ mehr 190 000 Euro statt der zunächst geforderten 450 000 Euro für eine außergerichtliche Einigung im Gespräch. Und es gibt Signale, wonach ein Großteil der Kreisräte dazu neigt, das leidige Thema durch Überweisung dieser Summe nun ein für alle mal zu beenden. Andernfalls träfe man sich vor Gericht. Und da würden dann freilich beide Seiten – schon aus eigenem Interesse – alles auf den Tisch legen, was sie an „Munition“ haben. In diesem Zusammenhang könnten dann auch unangenehme Fragen aufgeworfen werden, die man in den zuständigen Landkreis-Gremien wohl nicht so gerne hört.
Zum Beispiel, ob man im Aufsichtsrat oder im Kreistag nicht hätte genauer hinschauen oder früher reagieren müssen. Oder warum im Jahr 2012 bei der Verlängerung des Geschäftsführervertrags mit Woedl eine Vergütung vereinbart wurde, die nach Einschätzung des BKPV höher als angemessen ist – worauf auch hingewiesen wurde. Zudem wurde Woedl – ebenfalls entgegen der Empfehlung des Prüfungsverbands – ein so genanntes Rückkehrrecht eingeräumt.
Jedenfalls ist seit der fristlosen Kündigung im Dezember offenbar nicht viel passiert. Zwischendurch lehnte der Kreistag die außergerichtliche Einigung über die von Woedl geforderten 450 000 Euro ab, denn diese Summe erschien den Politikern zu hoch. Und kurz vor der politischen Sommerpause informierte dann Landrat Wolf über den neuen Stand. Da kam die Summe von 190 000 Euro auf den Tisch – und seither steht die Frage im Raum: Zahlen oder klagen?
Inwiefern in der Zwischenzeit aber die insolvenzrechtlichen Fragen doch noch detailliert geprüft und ob die als möglich erachteten zivilrechtlichen Schadenersatz-Ansprüche – die möglicherweise einer Abfindung entgegengehalten werden könnten – noch genauer analysiert wurden, ist unklar.
Möglicherweise werden aber ja die Kreisräte heute in der nicht-öffentlichen Kreistagssitzung ab 16 Uhr (der Kreisausschuss tagt zuvor ab 15 Uhr) darüber informiert – kurz vor der dann von ihnen zu treffenden durchaus pikanten Abstimmung, bei der man sich bekanntlich auch nicht enthalten kann. Strafanzeige gegen Woedl wurde übrigens nicht gestellt, wie die Staatsanwaltschaft Ingolstadt heute auf Anfrage erklärte.
Weitere Beiträge zum Thema:
Im Fall Woedl hat sich die CSU festgelegt