Daten, Zahlen und Fakten zur Unterbringung von Asylbewerbern im Kreis Pfaffenhofen
Von Tobias Zell
Der Landkreis Pfaffenhofen muss bekanntlich bis zum Ende des Jahres noch 900 Asylbewerber aufnehmen. Das war der Kreisbehörde dieser Tage von der Regierung von Oberbayern mitgeteilt worden. Damit erhöht sich die Zahl der im Kreis Pfaffenhofen untergebrachten Flüchtlinge auf rund 2000. Zugleich steigt der Druck, Antworten auf die Frage nach der Unterbringung der Flüchtlinge zu finden. „Unsere derzeitigen freien Kapazitäten werden bald erschöpft sein“, sagte Landrat Martin Wolf (CSU) bereits in der vergangenen Woche.
Am 11. November will Wolf im Rahmen einer außerordentlichen Bürgermeister-Dienstbesprechung die dramatische Entwicklung mit den 19 Gemeinde-Chefs noch einmal thematisieren und Lösungswege erörtern. Fest steht jedenfalls: Die Zeit drängt. Und gefragt scheint nicht weniger als die Quadratur des Kreises. Bei nüchterner Betrachtung der Fakten und der aktuellen Situation ist es schwer vorstellbar, dass an der – zumindest übergangsweisen – Belegung von Turnhallen überhaupt noch ein Weg vorbeiführt. Die Frage dürfte nicht sein, ob Sporthallen belegt werden, sondern wann.
Aus den Listen des Landratsamts ging zuletzt hervor, dass es noch Unterkunftsmöglichkeiten für etwa 140 Asylbewerber im Landkreis gibt. Allerdings rechnet man bis zum Jahresende allein pro Woche mit etwa 120 zusätzlichen Personen. Optimistisch gesehen dürften die Kapazitäten höchstens bis Mitte November reichen. Angesichts der 900 aufzunehmenden Personen bedeutet das: Innerhalb kürzester Zeit gilt es allein in diesem Jahr noch Unterkunfts-Möglichkeiten für zirka 760 Menschen zu schaffen.
"Container-Lösungen im großen Stil"
Das ist schon deshalb eine große Herausforderung, weil man laut Wolf davon ausgehen muss, dass auf dem Immobilienmarkt trotz intensivster Bemühungen nicht entsprechend viele Wohnungen zu akquirieren sind. Deshalb denkt man nun in alle Richtungen. Zuletzt brachte der Landrat „Container-Lösungen im großen Stil“ ins Gespräch. Die dauerhafte Nutzung von Turnhallen, so versicherte er mehrfach, solle vermieden werden. Martin Schmid, Bürgermeister von Vohburg und Chef der SPD-Fraktion im Kreistag, hatte kürzlich sogar gefordert, die Sporthallen ganz außen vor zu lassen.
Im Landratsamt ist man nach eigenen Angaben bemüht, angesichts der Notlage vor allem größere Gebäude und Hallen zu bekommen. Der Hintergrund liegt auf der Hand: Angesichts des massiven Zustroms sind kleine Wohnungen nur ein Tropfen auf den heißen Stein. In den Fokus rückt deshalb einmal mehr das Gelände der Max-Immelmann-Kaserne in Oberstimm bei Manching, auf dem es noch zahlreiche leere Gebäude gibt. Diese früheren Soldaten-Unterkünfte stünden leer und seien in verhältnismäßig gutem Zustand, heißt es aus dem Landratsamt. Und im derzeitigen „Krisenmodus“ könne man auf derartige Immobilien nicht verzichten – zumal, wenn sie sich im öffentlichen Eigentum befinden. Noch vor dem Aufstellen von Containern oder Zelten sollte daher dieser Immobilienbestand sinnvoll genutzt werden, betonte die Kreisbehörde. Die Nutzung des Kasernen-Geländes müsse allerdings erst mit dem Freistaat Bayern abgeklärt werden. Die Gespräche laufen noch, wurde heute auf Anfrage unserer Zeitung erklärt.
Wolf braucht die Unterstützung der Gemeinden
Ungeachtet dessen hat die Regierung von Oberbayern im Landkreis die zweite Stufe des so genannten Notfallplans aktiviert. Das bedeutet eine zusätzliche Belegung der Gebäude an der Pfaffenhofener Trabrennbahn, wo nun auch das Tribünenhaus genutzt wird. Nach der Aufnahme von weiteren 150 Flüchtlingen sind in den Gebäuden an der ehemaligen Trabrennbahn insgesamt 300 Asylbewerber untergebracht. Wie das Landratsamt auf Anfrage mitteilte, werden die 150 Leute, die dort zusätzlich einziehen, aber nicht auf die 900 Personen angerechnet, die es im Landkreis bis zum Jahresende aufzunehmen gilt.
Neu ist indes eine Entscheidung des Innenministeriums, wonach die Landratsämter als Staatsbehörden jetzt auch selbst bauen können. Bislang waren solche Aktivitäten dem Staatlichen Bauamt vorbehalten. Das Problem dabei ist aber: Der Landkreis selbst hat keine Grundstücke. Hier kommen also wieder die Gemeinden ins Spiel. Auf ihre Unterstützung muss Wolf auch weiterhin setzen. „Entweder die Gemeinde baut selbst oder sie stellt ein Grundstück, dann bauen wir“, sagte er.
Egal, wer baut – die Frage ist: Wo?
Bekanntlich haben sich die 19 Landkreis-Kommunen im Rahmen einer Art freiwilligen Selbstverpflichtung bereit erklärt, jeweils zwei Prozent ihrer Einwohnerzahl an Asylbewerbern aufzunehmen – und dazu notfalls mit eigenem Geld und auf eigenem Grund Gebäude zu errichten. Theorie und Praxis klaffen allerdings auseinander. Die Bestrebungen der Gemeinden, als Bauherren und Investoren aufzutreten, halten sich jedenfalls bislang in Grenzen. Das hat verschiedene Ursachen: Finanzielle zum Beispiel. Aber auch geografische. Denn zunächst einmal braucht es geeignete Grundstücke mit Baurecht. Dem entgegenstehen können Lärmschutz, Naturschutz, Hochwasserschutz – oder die Lage im Außenbereich.
Selbst wenn sich das alles rasch lösen ließe und die Gemeinden die Bagger auch tatsächlich schnell anrollen lassen würden – bis zur Fertigstellung von mehr oder weniger massiven Gebäuden verstreichen Wochen oder Monate. Zur Erinnerung: Bis zum Jahresende gilt es jede Woche 120 Flüchtlinge unterzubringen. „Das Hauptproblem wird sein, die Lage zu überbrücken, bis in den Gemeinden was steht“, fasst ein Sprecher des Landratsamts zusammen. Doch selbst für Container-Lösungen braucht es geeignete Grundstücke – hinzu kommen Lieferzeiten.
Wolf beschäftigt sich bereits mit der Möglichkeit, dass das Landratsamt selbst als Bauherr aktiv wird. Ihm schweben „fliegende Bauten“ vor, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung erklärte. Lösungen, die man hinterher entweder wieder abbauen oder bei Bedarf an die Gemeinden verkaufen könne. Konkret denke er über gehobenere Wohncontainer nach, die von ihrer Machart her durchaus zehn Jahre halten sollen, wie er unserer Zeitung sagte. Doch auch andere Varianten werden derzeit im Landratsamt diskutiert und geprüft: Konstruktionen in Holzmodul-Bauweise, Container-Module oder zusammengefügte Fertig-Garagen. Ungeachtet der Machart und ungeachtet dessen, ob sie denn nun die Gemeinde oder der Landkreis aufstellt, bleibt aber die Frage nach den Grundstücken. Und nach den Lieferzeiten.
Appellieren, bitten, drohen?
Bei der Bürgermeister-Besprechung am 11. November dürfte all das zur Sprache kommen. Der Landrat wird vermutlich besonders die Rathauschefs in die Pflicht nehmen, die bei der Aufnahme von Asylbewerbern noch besonders großen Nachholbedarf haben. Dabei kann Wolf jedoch nicht viel mehr tun, als appellieren und bitten. Oder die Keule auspacken und mit der Nutzung der kreiseigenen Turnhallen sowie der Beschlagnahme der gemeindlichen Sporthallen drohen.
Fakt ist: Nur Geisenfeld, Manching, Münchmünster und Pfaffenhofen erfüllen momentan überhaupt die Ein-Prozent-Quote. Bei der Zwei-Prozent-Marke sieht es folglich für alle Kommunen – bis auf Geisenfeld – zappenduster aus. Pfaffenhofen müsste zum Beispiel noch gut 200 Leute aufnehmen, Rohrbach etwa 100, Manching 100, Vohburg 130, Wolnzach 130, Reichertshausen fast 100, Scheyern etwa 80 – und diese Liste lässt sich fortsetzen bis zur kleinsten Gemeinde Ernsgaden, wo noch rund 20 Flüchtlinge aufgenommen werden müssten.
Diese Grafik zur Unterbringung von Flüchtlingen in den Landkreis-Gemeinden wurde kürzlich im Kreistag vorgestellt. "Fehlbeleger" sind Flüchtlinge, die eigentlich aus der ihnen gestellten Unterkunft ausziehen müssten, um sich selbst eine Wohnung zu suchen. Die Abkürzung "umF" steht für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. (Quelle: Landratsamt)
In Vohburg sind die Weichen für die Errichtung eines Gebäudes zur Unterbringung von Asylbewerbern – wie berichtet – bereits gestellt. Hier baut man ein Massivhaus, das später auch für Sozialwohnungen genutzt werden soll. Das Geld kommt aus städtischem Stiftungsvermögen. Bürgermeister Martin Schmid (SPD) aber ärgern in diesem Zusammenhang „bürokratische Hürden“, wie er im Kreistag sagte. Hier nahm er auch Wolf in die Pflicht. „Sonst, lieber Landrat, behalt den schwarzen Peter bei dir“, sagte er – denn die Unterbringung von Asylbewerbern ist bekanntlich keine Aufgabe der Gemeinden.
Atmosphärische Störungen unter Bürgermeistern
Überhaupt scheinen die Bürgermeister – bei allem guten Willen – angesichts der sich zuspitzenden Lage immer dünnhäutiger zu werden. So manchem wird offenbar zunehmend klar, was man sich mit der freiwilligen Selbstverpflichtung zur Zwei-Prozent-Quote auferlegt hat. AUL-Kreisrat Michael Franken, der Bürgermeister von Reichertshofen, lobte zwar den Schulterschluss der Gemeinden, schlug aber auch mahnende Töne an: Er bemerke, dass die Schere auseinandergehe, sagt er. Denn es gibt, wie gesagt, einige Gemeinden, die noch immensen Nachholbedarf bei der Aufnahme von Flüchtlingen haben. Franken regte sogar an, über einen finanziellen Ausgleich für die Kommunen nachzudenken, die mehr Asylbewerber aufnehmen. Über die Kreisumlage könne man diese Zahlungen refinanzieren.
Noch deutlicher wurde Kreisrat Christian Staudter (AUL), der Bürgermeister von Geisenfeld. Er verwies darauf, dass seine Kommune bei der Aufnahme von Flüchtlingen an der Spitze liegt, und blickte kritisch nach Reichertshausen. Dort hat der Gemeinderat jüngst zwar beschlossen, auf die Suche nach einem Grundstück für die Errichtung eines Gebäudes zur Unterbringung von Flüchtlingen zu gehen, aber zugleich einen recht strengen Kriterien-Katalog aufgestellt. Dass der die Suche nach einem geeigneten Areal nicht gerade vereinfacht, liegt auf der Hand. Staudter gab sich jedenfalls höchst skeptisch, ob man unter diesen Bedingungen überhaupt Erfolg haben könne, und kritisierte diese Vorgehensweise wortwörtlich als „unsolidarisch“.
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