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Im Entenjagd-Berufungsverfahren vor dem Landgericht Ingolstadt versuchte der Angeklagte heute, die Schuld seinem toten Freund unterzujubeln 

(ty) „Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich Ihnen das abnehme“, meinte Staatsanwalt Nicolas Kaczynski heute beim Auftakt zum Berufungsverfahren zu der tödlichen Entenjagd an Silvester 2013 auf einem Privatweiher in der Nähe von Geisenfeld. Zwei Jäger waren damals ertrunken, als das überladene Boot kenterte. Und der Besitzer des Weihers, Siegmund B., steht seit heute erneut vor Gericht wegen fahrlässiger Tötung und gefährlichen Eingriffs in den Schiffsverkehr. Und wie er in die neue Verhandlung vor dem Landgericht ging, das war in der Tat einigermaßen dreist. Denn nicht er, sondern sein Freund Dr. M. habe seinen Aussagen zufolge die Entenjagd mit dem tödlichen Ausgang organisiert. Er habe damit eigentlich gar nichts zu tun gehabt.

Das ging sowohl dem Richter Konrad Riedel als auch dem Staatsanwalt dann doch ein wenig zu weit. „Sie versuchen, die ganze Schuld auf dem Rücken Ihres toten Freundes abzuladen“, warf ihm der Staatsanwalt vor und fasste damit treffend zusammen, was der 71-jährige Angeklagte zwei Stunden lang an Rechtfertigungsversuchen zu Protokoll gegeben hatte.

Das kleine, etwa 3,2 Meter lange und 1,1 Meter breite Boot mit fünf Menschen an Bord hatte am Silvesternachmittag 2013 vom Ufer eines Privatweihers bei Geisenfeld zu einer Entenjagd abgelegt. Es sollte zwei Frauen und – mit dem Bootsführer – drei Männer zu Plattformen in dem Gewässer bringen, von denen aus dann gejagt werden sollte.

Doch es kam alles anders. Zwei der Jäger bezahlten den Silvesterausflug mit ihrem Leben, noch ehe der erste Schuss fiel. Das Boot ging unter. Der Bootsführer und die zwei Frauen – darunter die Gattin des Angeklagten – konnten sich aus dem etwa vier Grad kalten Wasser ans Ufer retten, den beiden anderen Waidmännern brachte das Unglück den Tod.

Im Dezember 2014 hatte das Pfaffenhofener Amtsgericht Siegmund B. zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen à 140 Euro verurteilt. Dieses Urteil indes wollte Siegmund B.  – im Gegensatz zu dem damals ebenfalls angeklagten Bootsführer, der noch während der Verhandlung "ausstieg" und einen Strafbefehl akzeptierte – nicht hinnehmen und steht deshalb jetzt erneut vor Gericht.

Und dieses Gericht scheint ihm nicht sonderlich wohl gesonnen. Denn als Richter Konrad Riedel dem Angeklagten seine früheren Aussagen und die Diskrepanzen zu seinen heutigen vorhielt, da entfuhr es Siegmund B. schon: „Sie wollen mich in die Enge treiben.“

Und das sieht er nicht einmal so ganz verkehrt. Aber in die Enge treibt er sich selbst mit seinen Behauptungen, dass nicht er, sondern der bei dem Unfall ums Leben gekommene Dr. B. diese Jagd organisiert und sich um alles gekümmert habe. Der Angeklagte habe lediglich „seinen Senf dazu gegeben“. Auf die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften indes hatte Siegmund B. offenbar nicht bestanden. So habe er zwar den anwesenden Jagdfreunden gezeigt, wo sich beispielsweise die Schwimmwesten befanden. Aber die hätten ihn beinahe ausgelacht ob des Hinweises, die Westen auch zu benutzen: „Das waren ja alles erfahrene Leute“, meint Siegmund B. Und schließlich sei jeder für sich selbst verantwortlich. Zumal eben jener tote Dr. M zu ihm gesagt haben soll: „Du brauchst Dich um nichts zu kümmern. Ich mache das schon.“ Aber den, wie Richter Riedel anmerkte, könne man halt nicht mehr fragen.

„Was sie da erzählen, könnte man als Widerspruch auffassen“, sagte der Richter und meinte damit die zahllosen Unstimmigkeiten, die sich zwischen den Aussagen des Angeklagten in der ersten Instanz und der heutigen ergaben. So war in der ersten Instanz mit keiner Silbe die Rede davon, dass sein Freund Dr. M. die Entenjagd organisiert habe. Und die Frau des Angeklagten hatte gegenüber der Polizei sogar eindeutig gesagt: „Mein Mann und ich haben ein paar Freunde zur Entenjagd eingeladen.“ Kein Wort auch hier von Dr. M.

Mit seinen Versuchen, den toten Freund als Verantwortlichen hinzustellen, erntete der Angeklagte bei Richter und Staatsanwalt wenig Sympathie. Ebenso mit seiner Eigenart, Fragen nicht zu beantworten, sondern mit Gegenfragen oder kruden Schilderungen zu kontern. Mehrmals mussten ihm Richter und Staatsanwalt sagen, dass sie nicht gedächten, Fragen des Angeklagten zu beantworten.

Fakt ist: Im Boot befanden sich weder Schwimmwesten noch Rettungsringe. Ob eine Schaufel und ein Ruder an Bord waren, das konnte Siegmund B. heute nicht sagen. Fakt ist ferner, dass das Boot mit rund 440 Kilogramm wohl total überladen war. Obwohl es, wie der Angeklagte das formulierte, „wunderschön dahingelitten“ sei. Eine wenig passende Beschreibung für jene Todesfahrt.

Die weiteren Unstimmigkeiten wird das Verfahren klären müssen. Ob der Bootsführer H. – für den die Sache erledigt ist, weil er seinen Strafbefehl akzeptiert hatte – nun einen Führerschein für das Boot hat, ob er genug Erfahrung hatte, da er ja am Vormittag der Jagd noch eine Probefahrt machen musste, um das Boot kennenzulernen. Und ob Dr. M. auch nur das Geringste mit der Organisation der Jagd zu tun gehabt hatte.

Was nicht so rasend glaubhaft klingt, zumal Dr. M. erst gegen Mittag jenes Tages an dem Weiher aufgetaucht war und die Jagd angeblich am Telefon organisiert haben soll. Und auch, weil der Angeklagte Siegmund B. zwischendrin schon immer wieder Sätze fallen lässt wie: „Ich habe mir schon Gedanken gemacht wegen der Beladung des Bootes.“

„Vielleicht habe ich mich zu wenig um die Organisation gekümmert“, meinte Siegmund B. und dürfte damit nicht ganz verkehrt liegen. Immerhin ist er der Eigner des Weihers und des Bootes. Verkehrt dürfte auch die am ersten Verhandlungstag etwas frühe Einschätzung sein, dass in diesem Berufungsverfahren vor dem Landgericht Ingolstadt alles drin ist, nur kein Freispruch.

Bisherige Berichte zum Thema:

Die Entenjagd, die zwei Menschenleben forderte

Kein Wort des Bedauerns

Das Urteil ist gesprochen

Laut Gutachter war das Todesboot deutlich überladen

Warum sank das Todesboot?


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