Logo
Anzeige
Anzeige

In einer denkwürdigen Sitzung hat der Pfaffenhofener Stadtrat mehrheitlich beschlossen, dass ein Teil der Grün- und Spielfläche in dem Ortsteil zum Baugrund wird – FDP-Rat Franz Niedermayr durfte weder mitreden noch mitstimmen, CSU will das prüfen lassen

Von Tobias Zell 

Es bleibt dabei: Knapp die Hälfte der 2500 Quadratmeter großen Spiel- und Grünfläche im Pfaffenhofener Ortsteil Förnbach werden als Baugrund ausgewiesen. So entschied es am gestrigen Donnerstagabend der Stadtrat mehrheitlich – und bestätigte damit den knappen 7:6-Beschluss, den der Bauausschuss am 17. März gefällt hatte. Auf Antrag der CSU-Fraktion wurde das Ausschuss-Votum einer Nachprüfung durch das Ratsgremium unterzogen. Die Christsozialen hatten sich dadurch freilich ein anderes Ergebnis erhofft – doch letztlich stellte sich die Mehrheit hinter das Ansinnen von Bürgermeister Thomas Herker (SPD). Damit kann nun auf dem umstrittenen Areal, das im Besitz der Kommune ist, ein Doppelhaus errichtet werden. Das ist das Fazit einer denkwürdigen Debatte, die allerlei zu bieten hatte – inklusive Ausschluss eines Stadtrats und des Vorwurfs der Rechtsbeugung. 

Denkwürdig schon deshalb, weil in Pfaffenhofen vermutlich nie zuvor Gebrauch gemacht worden war von Artikel 32, Absatz 2 der bayerischen Gemeindeordnung beziehungsweise von Paragraf 8, Absatz 2, Satz 2 der Geschäftsordnung des Stadtrats.  Demnach stehen die Entscheidungen beschließender Ausschüsse unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durch den Stadtrat. Eine solche Nachprüfung hat zum Beispiel zu erfolgen, wenn ein Viertel der Stadtratsmitglieder diese beantragt. Das ist bekanntlich geschehen, die gesamte zehnköpfige CSU-Fraktion stand hinter diesem Schritt. 

Versprechen eingelöst 

Mit ihrem Nachprüfungs-Antrag kam die CSU nicht nur der Ankündigung von Altbürgermeister Hans Prechter nach, der dieses Instrument bereits in der besagten Sitzung des Bauausschusses prophezeit hatte. Die Christsozialen machten damit auch ein Versprechen wahr, das sie bei einer Veranstaltung in Förnbach den Bürgern gegeben hatten. CSU-Chef Florian Schranz proklamierte damals, seine Partei werde alles in ihrer Macht Stehende tun, damit die 2500 Quadratmeter große Spiel- und Grünfläche erhalten bleibt.   

Denn zahlreiche Förnbacher hatten sich bereits im Vorfeld der Bauausschuss-Sitzung gegen die Bauland-Ausweisung ausgesprochen; im Rathaus waren gut 250 Einwendungen eingegangen. Das Gremium votierte allerdings mit 7:6 denkbar knapp für die von der Stadtverwaltung vorgeschlagene Änderung des Bebauungsplans – und somit dafür, dass ein Teil der Grünfläche zum Baugrund wird. 

Brisante Vorgeschichte 

Um die ganze Brisanz dieser Geschichte zu verstehen, muss man zurückblicken. Denn schon einmal war die Fläche Streitobjekt. Vor knapp 35 Jahren beschäftigte sich sogar das Verwaltungsgericht mit dem Areal. Es war seinerzeit mit Klagen gegen Erschließungsbeitragsbescheide für die Grunderwerbskosten befasst und hat sich in diesem Zusammenhang mit dem Einwand der Kläger beschäftigt, der Spielplatz sei nicht erforderlich beziehungsweise etwa 1200 Quadratmeter wären völlig ausreichend.  

Dazu stellte das Gericht einst fest, der Spielplatz sei keine überdimensionierte Einrichtung und die Größe der Anlage bewege sich in einer Dimension, die nicht zu beanstanden sei. Das Landratsamt bekam damit im Grunde Recht: Es hatte nämlich im Zuge des der Klage vorausgehenden Widerspruchsverfahrens die städtischen Beitragsbescheide für rechtmäßig erachtet. Das Gericht hat die Klagen der Anlieger gegen die Beitragsbescheide abgewiesen. Die Anwohner wollten die Spiel- und Erholungsfläche seinerzeit auf gut 1000 Quadratmeter begrenzen, denn sie mussten sich ja massiv an den Erschließungskosten beteiligen. Insgesamt haben die Anlieger damals zirka 148 000 DM gezahlt.

Geld weg, Ärger da

Und das ist eben das Pikante an der Geschichte: Vor über 30 Jahren waren die Anlieger just für die Errichtung dieser großzügigen Spiel- und Grünfläche mächtig zur Kasse gebeten worden – dieses Geld sehen sie übrigens nicht wieder; denn eine Rückerstattung ist nach so langer Zeit nicht mehr möglich, hieß es aus dem Rathaus. Und nun soll plötzlich doch wieder die Hälfte des Areals zum Spielen und Erholen ausreichen. In Förnbach schüttelt man da nur den Kopf. 

Das Vorhaben polarisiert. Bauliche Verdichtung sei das, sagen die Befürworter. Purer Anachronismus, finden die Gegner. Die Anwohner verstehen sowieso die Welt nicht mehr: „Bei Erstellung des Spiel- und Erholungsplatzes wurde die Größe behördlicherseits und durch ein Gericht  für notwendig erachtet und durchgesetzt“, hieß es in einem der Einsprüche – „jetzt, fast 40 Jahre später, bei stark vergrößerter Bevölkerung, sagen dieselben Behörden, der Platz kann auch erheblich verkleinert werden.“  

Politische Sinneswandel

Selbst in der Pfaffenhofener Lokalpolitik gingen die Meinungen auseinander. Schon im September vergangenen Jahres war im Bauausschuss kontrovers debattiert worden, am Ende fiel der Aufstellungsbeschluss zur Änderung des Bebauungsplans mit 7:6 Stimmen. Dafür votierten Bürgermeister Herker sowie die Stadträte Andreas Herschmann, Markus Käser, Adi Lohwasser, Julia Spitzenberger (alle SPD), Peter Heinzlmair und Andreas Kufer (beide FW). Dagegen waren Hans Prechter, Thomas Röder, Franz Schmuttermayr, Michael Kaindl (alle CSU), Reinhard Haiplik (ÖDP) und Roland Dörfler (Grüne).  

Heuer im März kam es dann zur vermeintlich endgültigen Entscheidung im Bauausschuss. Nach intensiver Debatte votierten Prechter, Schmuttermayr, Florian Schranz und Michael Kaindl (alle CSU) sowie Adi Lohwasser (SPD) und Richard Fischer (ÖDP) gegen die Änderung des Bebauungsplans – sie waren aber knapp in der Unterzahl. Zwar hatte der in Förnbach lebende Adi Lohwasser – im Vergleich zum Aufstellungsbeschluss vom September – die Seiten gewechselt und war nun gegen den Baugrund.  Im Gegenzug hatte es sich aber der Dritte Bürgermeister Roland Dörfler (Grüne) anders überlegt und hob nun für die Änderung des Bebauungsplans die Hand.  

Grüne und ÖDP wollen Bauplatz statt Grünfläche

Mit dem „Kompromiss“, dass von der 2500 Quadratmeter großen Grünfläche rund 1400 Quadratmeter erhalten bleiben, könne er leben, sagte Dörfler damals auf Anfrage unserer Zeitung. Er war es also praktisch, der der bunten Rathaus-Koalition von SPD, FW, Grünen und ÖDP durch seinen Sinneswandel damals erneut eine 7:6-Mehrheit sicherte. Was ihm von den Förnbacher Bürgern Kritik einbrachte. Sie konnten nicht verstehen, wie ausgerechnet ein Grüner gegen den Erhalt der Grünfläche sein kann. 

Doch diese Irritation sollte sich noch steigern lassen. Denn am gestrigen Donnerstag im Stadtrat waren auf einmal auch Richard Fischer und Reinhard Haiplik von der ökologisch-demokratischen Partei (ÖDP) für die Bauland-Ausweisung – und die beiden sind mindestens so grün wie die Grünen. Außerdem fehlte GfG-Stadtrat Manfred „Mensch“ Mayer (wegen eines Termins im Namen der Stadt unterwegs); er ist ebenfalls klar für den Erhalt der Grünfläche. 

FDP-Stadtrat Franz Niedermayr (links) unterstützte die Förnbacher – so sehr, dass er im Stadtrat nicht mitreden und nicht mitstimmen durfte.

Und dann war da ja noch FDP-Stadtrat Franz Niedermayr, der auch gegen die Bauland-Ausweisung ist. Er wurde jedoch von der Beratung und Abstimmung im Stadtrat ausgeschlossen. Denn Niedermayr sei „als Mitbegründer und Mitglied einer gegen die vom Stadtrat zu überprüfenden Bauleitplanung gerichteten Bürgerinitiative in dieser Angelegenheit persönlich beteiligt“ und von dem Beschluss „unmittelbar“ betroffen, heißt es in einem Schreiben von der Kommunalaufsicht am Landratsamt an den Stadtjuristen Florian Erdle vom Mittwoch.

Niedermayr sagte unserer Zeitung, ihm sei sein „Ausschluss“ erst am Donnerstag offenbart worden. Nur böse Zungen würden freilich behaupten, Herker & Co. wollten sich diese „Überraschung“ bis kurz vor der Sitzung aufheben. So kam es jedenfalls, dass am Ende lediglich die komplette CSU-Fraktion sowie die in Förnbach lebenden SPD-Räte Adi Lohwasser und Verena Kiss-Lohwasser für den Erhalt der Grünfläche votierten – und somit die Mehrheit für die Ausweisung des Baugrunds war.

Haipliks Offenbarung 

Bürgermeister Herker hat damit sein Ziel in dieser Sache endgültig erreicht. Seine bunte Koalition stimmte – bis auf die Lohwassers – für die Bauland-Ausweisung. Wie viel Druck da intern gemacht worden war, darüber kann man nur spekulieren. Reinhard Haipliks Ausführungen geben jedenfalls Anlass dazu. Er erinnerte daran, dass er und sein Parteikollege Fischer sich immer klar gegen die Änderung des Bebauungsplans ausgesprochen hatten. Haiplik gab sogar freimütig zu, dass er beim Durchlesen der Einwendungen gedacht habe: „Mensch, die Bürger haben Recht.“ 

Haiplik ließ aber auch durchblicken, dass man eben zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt, wenn man nach seinem Gewissen oder mit seiner Koalition abstimmt. Wie er letztlich seinen Sinneswandel begründete, mag als rhetorischer Kunstgriff in die Geschichte der Pfaffenhofener Kommunalpolitik eingehen. Er interpretierte nämlich den „Nachprüfungs-Antrag“ der CSU dahingehend, dass es eben um die Frage gehe, ob der Bauausschuss im März korrekt gehandelt habe. Und er ist eben der Meinung, dass dem so war. Deshalb müsse man, als Demokrat, den Beschluss akzeptieren, mit schwerem Herzen und nüchternem Verstand – sonst könne man den Bauausschuss gleich abschaffen. Und deshalb stimmten die beiden ÖDP-Räte, Fischer und Haiplik, nun auf einmal für Baugrund statt Grünfläche.

Man darf, aber soll man? 

Stadtjurist Florian Erdle hatte zuvor, den Tagesordnungspunkt einleitend, zur Vorgeschichte doziert, die formalen Hintergründe umfassend beleuchtet und zudem betont, dass von Seiten der Verwaltung kein Mangel – sowohl das eigene Handeln wie auch das des Bauausschusses betreffend – gesehen werde. Was allerdings auch nie jemand behauptet hatte. Denn in der ganzen Kontroverse war von Anfang an klar: Natürlich kann und darf man einen Teil der Grünfläche zum Baugrund machen, wenn man die politische Mehrheit dafür hat. Die Frage war ja: Wie sinnig oder nötig ist das? 

Aus Sicht der CSU ist es eben nicht notwendig, wie Fraktionschef Martin Rohrmann im Stadtrat ausführte. Er zitierte aus dem Konzept der bunten Koalition (SPD, FW, Grüne, ÖDP), in dem – in Zusammenhang mit der Gartenschau in Pfaffenhofen – von der „Schaffung öffentlicher Flächen für Generationen“ die Rede ist und von Bürgerbeteiligung. Deshalb versteht die CSU nicht, warum in Förnbach eine Grünfläche abgeschafft wird und die Einwendungen der Bürger übergangen werden.

Michael Kaindl (CSU) beklagte eine „Niederlage für die Achtung des Bürgerwillens“, sprach von „Zirkus“, sah die Bürger im Vorfeld nicht ausreichend eingebunden – und appellierte an das Gremium, den Beschluss des Bauausschusses zu revidieren.

"Eklatanter Vertrauensbruch" und "Treppenwitz" 

Altbürgermeister Hans Prechter monierte einen „eklatanten Vertrauensbruch“ gegenüber der Förnbacher Bürgerschaft und den Anwohnern des Areals. Dass die CSU mit ihrem Nachprüfungs-Antrag für eine Premiere in Pfaffenhofen sorgt, wertete er positiv. „Wir sind gerne Vorreiter – und zwar in Demokratie“, betonte er. Weil es könne doch nicht sein, dass man hier über den Bürgerwillen hinweggehe. Außerdem sei es ein „Treppenwitz“, dass man für die Gartenschau 2017 in Pfaffenhofen Grünanlagen baue wie ein Weltmeister, während man die bestehende in Förnbach beschneide.

Dass FDP-Rat Niedermayr von der Beratung und Abstimmung ausgeschlossen wurde, will Prechter prüfen lassen. Das grenze an „Rechtsbeugung“, empörte er sich. Diesen massiven Vorwurf wollte Stadtjurist Erdle für sich und die Kommunalaufsicht nicht auf sich sitzen lassen. Prechter nahm den Vorwurf  zurück, das sei im Eifer des Gefechts passiert. „Aber schön ist es nicht, was ihr gemacht habt“, ließ der Altbürgermeister wissen. 

Bürgermeister will kein Depp sein 

„Everybody’s darling is everybody’s Depp“, zitierte ausgerechnet Sozialdemokrat Herker den früheren bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (CSU). Was er damit ausdrücken wollte, war sinngemäß Folgendes: Es ging hier nicht allein um eine Grünanlage in Förnbach – sondern um die Frage, ob man wirklich immer versuchen sollte, es allen Recht zu machen. Die Gefahr ist klar: Man verliert sich schnell im Klein-Klein und das große Ganze aus den Augen. 

Ungeachtet dessen macht aber auch längst die Runde, dass Herker und seine Stadtverwaltung – hätten sie um die brisante Vorgeschichte des Areals in Förnbach gewusst – die ganze Sache anders angepackt hätten. Aber nun war der Kurs einmal eingeschlagen, und ganz offensichtlich wollte Herker von diesem trotz aller Widerstände auch nicht mehr abweichen. Er warb jedenfalls um Bestätigung des Beschlusses aus dem Bauausschuss – und sollte sie dann auch bekommen. 

Belehrung zum Abschied

Wie ein Schlag ins Gesicht muss angesichts dieser Enttäuschung für die Förnbacher des Bürgermeisters Einlassung gewesen sein, dass nach 35 Jahren nun eben auch die Stadtverwaltung zu dem Ergebnis gelangt sei, zu dem die Anlieger schon damals gekommen waren: Dass die Grünanlage zu groß ist.

Die Förnbacher verließen jedenfalls direkt nach diesem Tagesordnungspunkt den Sitzungssaal – nicht ohne aber noch im Hinausgehen von Herker belehrt worden zu sein, dass es eigentlich die Höflichkeit gebiete, nicht während der Sitzung zu gehen. Über diese Sichtweise kann man wohl trefflich streiten – vielleicht sollte man in Zeiten, da von zunehmender Politik-Verdrossenheit und Vertrauensverlust die Rede ist, um jeden froh sein, der überhaupt kommt.  

Bisherige Beiträge zum Thema:

Der Polit-Krimi von Förnbach

Die CSU will's nochmal wissen – und zwar von allen

"Bürgerwille interessiert diese Stadtregierung nicht" 

Förnbach: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Förnbach: Gegen alle Widerstände?

Empörung auf der Höhe


Anzeige
RSS feed