Bundestags-Kandidaten im Interview: Guido Hoyer (Die Linke) aus Freising. Das Gespräch zum Nachlesen und Anhören.
(zel) Ein Skandal sei es, wenn die Rente nicht reicht und Senioren Pfandflaschen sammeln müssen. Er fordert deshalb eine Mindest-Rente und eine Erhöhung des Mindest-Lohns. Kampf-Einsätze der Bundeswehr seien ersatzlos zu streichen, der Kohle-Ausstieg müsse schnellstmöglich erfolgen, die europäischen Verträge seien neu zu verhandeln. Guido Hoyer aus Freising will morgen im hiesigen Wahlkreis den Sprung in den Bundestag schaffen, er ist der Direkt-Kandidat von „Die Linke“.
Hoyer, Jahrgang 1968, war früher einmal bei den Grünen, ist aber Gründungs-Mitglied der Linken. Er sitzt im Freisinger Stadtrat und Kreistag, ist Politikwissenschaftler und Vorsitzender des DGB-Kreisverbands Freising-Erding. Außerdem ist er Geschäftsführer des Landesverbands der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN).
Dass die NPD nicht verboten wurde, ärgert ihn massiv. Die Begründung hält er für „ungeheuerlich“, die Argumentation für „bescheuert“. Mit der Einschätzung, dass diese Partei zwar nicht verfassungskonform, aber auch zu unbedeutend sei, um sie zu untersagen, kann er überhaupt nichts abgewinnen. Wenn man warte, bis sie bedeutend sei, dann könne man sie nicht mehr verbieten, „weil dann sind wir weg von Fenster“, mahnt er im Interview mit pfaffenhofen-today und Radio Ilmwelle.
Hier hören Sie das Interview mit Guido Hoyer.
Zwei von fünf Deutschen hätten heute netto weniger im Geldbeutel als 1999, sagt Hoyer. Das sei eine „unglaubliche Zahl“, für die er gleich mehrere Gründe anführt. Er fordert: „Wir müssen hier umsteuern.“ Die aus seiner Sicht nötigen Maßnahmen nennt er umgehend: Die sachgrundlose Befristung bei Jobs müsse wieder abgeschafft werden. Mini-Jobs dürften nicht missbraucht werden, um sozialversicherungs-pflichtige Stellen zu ersetzen. Es sei „ein Skandal“, wenn die Rente nicht reiche und Senioren Pfandflaschen sammeln müssen.
Hoyer macht sich für die Einführung einer Mindest-Rente von 1050 Euro und eine Erhöhung des Mindest-Lohns auf zwölf Euro stark. Umsteuern wollen die Linken im wahrsten Sinne des Wortes – nämlich eben auch über die Steuern. Eine Millionärs-Steuer soll her, den Spitzen-Steuersatz will man erhöhen; so sollen Normal- und Niedrig-Verdiener entlastet werden. „Wir sind ein reiches Land“, sagt er. Und: „In einem reichen Land ist Armut indiskutabel.“
Kritisch äußert sich Hoyer über die SPD, sie müsse sich wieder für eine soziale Politik entscheiden. Er wirbt zugleich dafür, das „soziale Original“ zu wählen – die Linke. Ob die SPD wirklich eine rot-rot-grüne Koalition wolle, da sei er sich gar nicht sicher. An den Linken würde es seinen Worten zufolge nicht scheitert, wenngleich es da einiges zu besprechen gebe. Grundsätzlich gilt aber: „Wir sind, wenn die Inhalte stimmen, bereit.“
In der Friedens- beziehungsweise Außenpolitik fordert Hoyer nicht weniger als eine „Umkehr“. Ihm geht es um eine Ausrichtung, die mit friedlichen Mitteln und fairen Handelsbedingungen die Flucht-Ursachen bekämpft. Der Rüstungs-Etat müsse auf den Prüfstand und gesenkt werden. „Die Kampf-Einsätze sind ersatzlos zu streichen.“ Auch bewaffnete Einsätze der Bundeswehr im Inland kommen für ihn nicht in Frage, sagt er mit Verweis auf das Grundgesetz. Waffen-Exporte zu stoppen, das sei ebenfalls ein großes Thema.
Der Kohle-Ausstieg solle so schnell wie möglich erfolgen, appelliert Hoyer, regenerative Energien möge man fördern. Dass es keine Kerosin-Steuer gibt, versteht er nicht. Damit werde dieser klimaschädliche Verkehr praktisch subventioniert – „das kann doch wohl nicht wahr sein“. Ein Elektro-Mobil ist für den Linken-Politiker übrigens kein Thema – das liegt allerdings daran, dass er nach eigenen Angaben gar kein Auto besitzt. Aber natürlich sei er für die Förderung von E-Autos. Und so bald es gehe, müsse Strom auch zu 100 Prozent regenerativ sein.
Europa und europäische Integration bezeichnet Hoyer als wichtig – „aber nicht um jeden Preis“. Am Umgang mit der Griechenland-Krise übt er zum Beispiel deutliche Kritik. „Die europäischen Verträge müssen neu verhandelt werden, sozial verhandelt werden“, sagt er. Und wirbt für einen „Sozialpakt in Europa“, wenngleich er da „starke Gegenkräfte“ sehe. Apropos sozial: "Hartz IV" funktioniere als System der Grundsicherung nicht, attestiert er, verweist auf strukturelle Probleme und führt das im Interview anhand von Beispielen aus.
Wenn man über die Türkei spreche, müsse man zwischen dem Volk und Erdogan unterscheiden, betont Hoyer. Wenn sich die türkische Regierung nach Europa orientieren wolle, dann müsse sie sich an Demokratie und Menschenrechten orientieren. Hoyers Position ist angesichts der jüngsten Entwicklungen in dem Land klar: kein EU-Beitritt der Türkei, keine Waffen-Exporte mehr. Und man könne sich auch am türkischen Markt „vorbei orientieren“, dann gebe es keine Partnerschafts-Abkommen mehr.
Dass Asylbewerber schuld am Sozialabbau in Deutschland sein sollen, nennt Hoyer eine Lüge. Nein, sagt er, der Sozialabbau habe bereits spätestens 1998/99 begonnen. „Man kann doch nicht ernsthaft behaupten, an den niedrigen Renten sind die Asylbewerber schuld“, schimpft er. Das Renten-Niveau sei über die Jahre gesenkt worden, betont er und fragt rhetorisch: Waren das die Asylbewerber, die es gekürzt haben?
Seine Partei sei gegen Massentierhaltung. „Solche Monster-Betriebe lehnen wir ab“, erklärt er auch mit Blick auf die Erweiterung der Hähnchenmast-Anlage im Wolnzacher Ortsteil Eschelbach auf rund 145 000 Tiere. „Diese Zustände sind Tierquälerei und auch nicht im Sinne der Verbraucher.“ Kritik am Pfaffenhofener Landratsamt als Genehmigungsbehörde übt er nicht. Vielmehr wirbt er für gesetzliche Änderungen. „Da muss man ran. Das kann so nicht weitergehen.“
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