Logo
Anzeige
Anzeige

Selbst die Initiatoren um den Verwaltungs-Experten Anton Westner räumen "Formfehler" ein. 

Von Alfred Raths und Tobias Zell

Fast 1600 Unterschriften, weit mehr als nötig, waren in Reichertshofen für das Bürgerbegehren zur Generalsanierung der Paarhalle gesammelt worden. Kürzlich fand die Übergabe im Rathaus statt, die Zeichen schienen auf Bürgerentscheid zu stehen. Plötzlich sieht es ganz anders aus. Wegen Formfehlern zählen sämtliche Unterschriften nicht, räumten die Initiatoren heute selbst ein. Das sei "freilich peinlich", gibt Anton Westner (CSU) zu, einer der Sprecher des Bürgerbegehrens. Gerade er als Experte in Sachen Kommunalrecht, früherer Mitarbeiter des Innenministeriums, einstiger Bürgermeister und aktueller Vize-Landrat, hätte es wissen sollen. Er und seine Mitstreiter wollen nun einen neuen Anlauf starten, noch einmal die nötigen Unterschriften sammeln – und diesmal alles richtig machen.

 

"Demokratie ist nicht immer einfach, die Mitwirkung der Bürger ist an formale Regeln gebunden. Das haben wir (...) erfahren müssen", schreiben Westner – der hier nach eigenem Bekunden als Privatmann agiert – sowie Karl Schweiger und Leo Hemm in einer heute veröffentlichten Pressemitteilung und räumen unverblümt den "Formfehler" ein. Obwohl fast 1600 Leute das Bürgerbegehren unterzeichnet haben, "zählen diese Unterschriften nicht". Denn, so heißt es weiter: "Nach einem Urteil des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist das Hintereinander-Klammern der Unterschriftenlisten nach dem Antrag und der Begründung des Begehrens unzulässig."

Als am 26. Juni die Listen samt 1577 Unterschriften im Reichertshofener Rathaus an Bürgermeister Michael Franken (JWU) überreicht worden waren, schien die Welt noch in Ordnung. Die vergleichsweise hohe Anzahl an Unterschriften sei "ein deutliches Zeichen dafür, dass es der Wunsch eines großen Anteils der Bevölkerung ist, die Paarhalle zu sanieren, zeitgemäß auszustatten und die Anbauten im Norden und Süden der Halle abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen", erklärten Vertreter des Bürgerbegehrens bei der Unterschriften-Übergabe im Rathaus. Sie zeigten sich der Meinung, "dass dieser Bürgerwille vom Marktgemeinderat nicht übergangen werden darf".

Ernst-Peter Klinker, einer der Sprecher der Initiative und Vorsitzender der hiesigen CSU, erklärte an die Adresse von Gemeinde-Oberhaupt Franken, dass man in Sachen Paarhalle nicht habe erkennen können, dass sie erhalten werden sollte. Deshalb sei dieses Bürgerbegehren notwendig geworden. "Die Resonanz in der Bevölkerung war überwältigend", befand Klinker. Sieben Wochen lang habe man Unterschriften gesammelt. Auch Westner bezeichnete an jenem Tag das Ergebnis als beeindruckend. Heute musste er gegenüber unserer Zeitung einräumen: "Unsere ganzen Mühen waren umsonst." Was bleibt, ist die bittere Erkenntnis, eine beeindruckend Zahl an ungültigen Unterschriften gesammelt zu haben.

Vereinfacht erklärt, ist Folgendes passiert: Anstatt Unterschriften-Listen auszugeben, auf denen jeweils auch das Ansinnen des Bürgerbegehrens steht, teilten die Initiatoren offenbar aneinander-geheftete Zettel aus. Auf dem ersten Blatt war der Text des Bürgerbegehrens zu finden, weitere enthielten die Felder für Namen, Anschriften und Unterschriften. "Nach einem Urteil des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist das Hintereinander-Klammern der Unterschriftenlisten nach dem Antrag und der Begründung des Begehrens unzulässig", erklären Westner & Co. ihren Fehler und kündigen deshalb an: "Wir werden, um einer Ablehnung zuvorzukommen, das eingereichte Bürgerbegehren zurückziehen."

 

Erstaunlich ist freilich, dass dieses Malheur erst nachträglich aufgefallen ist. Zumal die Protagonisten im Vorfeld durchaus den Eindruck erweckten, als würden sie es schon genau nehmen mit den Formalitäten. "Wir haben das einfach aus dem Internet genommen", sagte Westner heute auf Anfrage. Offenbar hat man falsch geklickt. Denn im Internet sind diverse Anleitungen und Ratgeber zu finden, die auf die Fallstricke hinweisen und Tipps zum korrekten Vorgehen liefern. Zum Beispiel erläutert der Verein "Mehr Demokratie" in einem Merkblatt zur Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden in Bayern: "Auf jeder Unterschriftenliste muss der gesamte Text des Bürgerbegehrens mit allen Bestandteilen abgedruckt sein. Denn dieser wird ja unterschrieben." Das Dachauer Landratsamt erklärt in einem, ebenfalls online abrufbaren, Merkblatt: "Das Hintereinander-Klammern loser Listen, die nur Unterschriften enthalten, genügt nicht!"

Als ob er es schon ahnen würde: Bürgermeister Michael Franken (links) blickte am 26. Juni skeptisch auf die Unterschriften-Listen, die ihm Ernst-Peter Klinker (CSU) soeben in die Hand gedrückt hatte.

Den Starkbier-Rednern und Kabarettisten in der Region dürfte mit den knapp 1600 mutmaßlich versemmelten Unterschriften ein dankbares Thema auf dem Silbertablett serviert worden sein. Vor vier Jahren war Westner die höchste Auszeichnung verliehen worden, die der Kreis Pfaffenhofen zu vergeben hat: die goldene Landkreis-Medaille. Landrat Martin Wolf (CSU) sagte damals in seiner Laudatio über seinen Parteifreund: "Anton Westner steht voll im Leben, ist 30 Jahre in der Kommunalpolitik aktiv und hat sich als Experte im Kommunalrecht einen Namen gemacht."

Eine Station seiner bemerkenswerten Laufbahn war unter anderem beim bayerischen Innenministerium, außerdem unterrichtete er an der bayerischen Verwaltungsschule in München und der Beamten-Fachhochschule in Hof. Von 1984 bis 2008 war er Bürgermeister von Reichertshofen, stellte sich damals nicht zur Wiederwahl. Sein Nachfolger ist seither Michael Franken (JWU) – dass sich die beiden nicht mögen, ist kein Geheimnis. Hinter vorgehaltener Hand wird längst vermutet, dass sich Westner auch deshalb so für das Bürgerbegehren engagiert.

 

Auch Franken und der Gemeinde-Verwaltung ist bereits aufgefallen, dass mit den Unterschriften-Listen etwas nicht stimmt. Sie haben sogar noch einen weiteren Schnitzer bemerkt. Wie der Rathauschef heute gegenüber unserer Redaktion erklärte, sei man "zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Bürgerbegehren zwei schwere Formfehler vorliegen, die das Begehren unzulässig machen". Seinen Ausführungen zufolge sind eben zum einen die Unterschriftenlisten falsch gestaltet: "Auf keiner einzigen ist die Fragestellung vermerkt, es fehlt die Begründung des Begehrens und die Benennung der Vertreter." Außerdem, und das sei der zweite Formfehler, "sind mehr als drei Vertreter des Bürgerbegehrens genannt". Auch das führe nach Artikel 18a, Absatz 4, der Gemeindeordnung zur Unzulässigkeit. "Es dürfen nämlich nur bis zu drei Personen benannt werden."

Der Gemeinderat habe, fasst Franken zusammen, unter diesen Voraussetzungen keine andere Möglichkeit, als die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens festzustellen. Man habe sich diesbezüglich auch an die Aufsichtsbehörde beim Pfaffenhofener Landratsamt gewendet, "mit der Bitte um Prüfung unserer Rechtsauffassung". Was möglicherweise hinfällig ist, weil Westner, Schweiger und Hemm heute angekündigt haben, "das eingereichte Bürgerbegehren zurückziehen" und nochmals Unterschriften zu sammeln. Man werde die Listen jetzt neu gestalten, sie dann von einem Fachmann prüfen lassen und dann einen neuen Anlauf starten, so Westner im Gespräch mit unserer Zeitung. Man sei ermutig vom Zuspruch, sagte er mit Verweis auf die fast 1600 Unterschriften.

 

"Da wir von der Richtigkeit unseres Anliegens überzeugt sind, lassen wir uns auch von formalen Kriterien nicht aufhalten", bekräftigen die Initiatoren in ihrer aktuellen Mitteilung. "Dabei werden wir die förmlichen Vorschriften erfüllen und den Antrag dann nochmals einreichen." Das Ansinnen bleibe gleich, "es geht lediglich darum, dass die Unterstützer auf einer neu formatierten Liste nochmals unterschreiben müssen". Die Initiatoren seien sich in der Sache einig und an den Grundvoraussetzungen habe sich nichts geändert. "Wir stehen nach wie vor zu unseren Zielen und Aussagen." Nach ihrer Auffassung hat die Bürgerinitiative "nach wie vor eine große Unterstützung aus der Bevölkerung". Die neuen Listen sollen in Kürze in den Geschäften ausliegen. Zusätzlich wolle man auch von Haus zu Haus gehen, um Unterschriften zu sammeln. Nötig sind laut Westner zirka 650.

Bisherige Beiträge zum Thema:

Großes Aufbegehren: Bürgerentscheid zur Paarhalle steht offenbar bevor

Reichertshofen vor Bürgerentscheid?

Reichertshofener Rathaus-Kontroverse

"Die Seele kocht" in Reichertshofen

Reichertshofen: Aufregung um Zustand und Zukunft der Paarhalle

Mächtig Zündstoff in Reichertshofen: Gibt es bald zwei Bürgerentscheide? 


Anzeige
RSS feed