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Der Fall Förnbach: Über die Hintergründe und Auswirkungen einer Pfaffenhofener Stadtrats-Entscheidung, die in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert war

Ein Kommentar von Tobias Zell

Selten hat eine auf den ersten Blick harmlose kommunalpolitische Entscheidung für solche Kontroversen und derartigen Zündstoff gesorgt, wie zuletzt die Frage, ob ein Teil der Spiel- und Grünfläche im Pfaffenhofener Ortsteil Förnbach zum Baugrund werden soll oder nicht. Am Ende hat Bürgermeister Thomas Herker (SPD) – trotz des Widerstands der Bürger, aus der Opposition und sogar aus den eigenen Reihen – das bekommen, was er wollte: Auf der Wiese kann jetzt ein Doppelhaus errichtet werden. 

Doch es war ein Pyrrhussieg für Herker: Die Bürger verärgert, die eigene Koalition irritiert bis verstimmt, die Opposition sowieso. Und das alles für einen Abstimmungs-Erfolg, über den sich der Rathaus-Stratege, wenn er ehrlich ist, nicht einmal richtig freuen kann. Ein Sieg, errungen auf dem Feld der Unbeirrtheit – mit moralischen Scheuklappen und durch Prinzipienreiterei. Die Frage, ob man etwas sehr Umstrittenes, Zweifelhaftes wirklich mit Gewalt durchdrücken soll, nur weil es formal und rechtlich möglich ist, wurde holzhammermäßig beantwortet mit einem an Gerhard Polt erinnernden: „Doch, das geht!“ 

Die CSU hatte alle Register gezogen: Sie hatte ganz tief in der bayerischen Gemeindeordnung gewühlt und einen Passus gefunden, auf dessen Basis es möglich ist, die Entscheidungen beschließender Ausschüsse im Stadtrat einer Nachprüfung zu unterziehen. Das ist ein legitimes Mittel der Demokratie – und dieser konkrete Fall macht sogar Hoffnung, dass die CSU künftig doch noch mehr aus ihrer Oppositionsrolle macht. Die Christsozialen taten das freilich in der Hoffnung, dass die Entscheidung anders ausgeht, wenn nicht der Bauausschuss, sondern der gesamte Stadtrat abstimmt. Und es hätte tatsächlich knapp werden können. 

Wurde es aber nicht. Denn auch in der bunten Koalition war man nicht untätig geblieben. So mancher hatte sich ja schon im Vorfeld darüber gewundert, dass der Dritte Bürgermeister Roland Dörfler (Grüne) noch im Bauausschuss von einem Sinneswandel heimgesucht worden war – ausgerechnet der Grüne war plötzlich nicht mehr für den vollständigen Erhalt der Grünfläche. Dörfler war es auch, der der bunten Koalition damit überhaupt erst die knappe Mehrheit im Ausschuss gesichert hatte. Denn Adi Lohwasser (SPD) war umgeschwenkt und nun gegen die Bebauung. Er, der in Förnbach lebt, hatte sich von den hiesigen Bürgern fast schon einem Haberfeldtreiben ausgesetzt gesehen und wohl auch deshalb die Seiten gewechselt. 

Wie auch die beiden ÖDP-Räte, nur bei denen war es andersrum. In wechselnder Besetzung hatten Reinhard Haiplik und Richard Fischer in den Bauausschuss-Sitzungen noch für den Erhalt der Grünfläche votiert, im Stadtrat waren sie jetzt beide der Meinung, es passt schon, dass der Ausschuss den Weg für die teilweise Bebauung des Areals freigemacht hat. Als Haiplik seinen Sinneswandel erklärte, mag das zwar eine rhetorische Sternstunde gewesen sein, die die alten Griechen einst zu höchster Anerkennung gerührt hätte. Der Otto Normalbürger im Hier und Heute wird sich aber eher gedacht haben: Alter Schwede, jetzt ist auf einmal auch noch die ÖDP gegen Grünflächen. 

Wie viel Druck da intern in der bunten Koalition gemacht worden war, darüber kann man nur spekulieren. Haipliks Ausführungen geben jedenfalls allerhand Anlass dazu. Er erinnerte ja sogar noch selbst daran, dass er und sein Parteifreund Fischer sich immer klar gegen die Änderung des Bebauungsplans ausgesprochen hatten. Und er gab freimütig zu, dass er beim Durchlesen der Bürger-Einwendungen gedacht habe: „Mensch, die haben Recht.“ Er ließ aber auch durchblicken, dass man eben zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt, wenn man nach seinem Gewissen oder mit seiner Koalition abstimmt. 

Die Rolle rückwärts der ÖPD begründete Haiplik schließlich so: Er interpretierte den „Nachprüfungs-Antrag“ der CSU dahingehend, dass es um die Frage gehe, ob der Bauausschuss im März korrekt gehandelt habe. Er wählte also die formale Dimension, nicht die inhaltliche. Und war der Meinung, im Ausschuss alles korrekt gelaufen ist. Deshalb müsse man, als Demokrat, den Beschluss auch akzeptieren – sonst könne man den Bauausschuss gleich abschaffen.

Eine Argumentation, die ein bisschen Angst macht. Denn zu Ende gedacht bedeutet das doch für die Zukunft: Wenn ein Ausschuss, warum auch immer, etwas beschließt, was ein rechter Blödsinn ist, dann gilt das, basta – weil sonst bräuchte man ja keinen Ausschuss. Nein, es drängt sich schon eher der Verdacht auf, den Haiplik selbst andeutete: Die bunte Koalition war schlicht auf Linie gebracht worden. Auf Herkers Linie. Das würde nicht nur erklären, warum ausgerechnet die ÖDP und die Grünen gegen Grünflächen sind, sondern auch, warum Peter Heinzlmair (FW) als Referent für die Ortsteile hier wider den Wunsch der Ortsteil-Bewohner gestimmt hat. 

FDP-Stadtrat Franz Niedermayr, der klar gegen die Bauland-Ausweisung ist und die Förnbacher auch unterstützte, war indes nicht einzunorden – weil er ja nicht in der bunten Koalition ist. Er wurde von der Stadtverwaltung gleich ganz aus dem Spiel genommen, sah sich von der Beratung und Abstimmung im Stadtrat ausgeschlossen. Denn er sei „als Mitbegründer und Mitglied einer gegen die vom Stadtrat zu überprüfenden Bauleitplanung gerichteten Bürgerinitiative in dieser Angelegenheit persönlich beteiligt“ und von dem Beschluss „unmittelbar“ betroffen, heißt es in einem Schreiben von der Kommunalaufsicht am Landratsamt. Das mag in der Sache korrekt sein. Nicht gerade von bestem Stil war es aber, dass man Niedermayr erst am Tag der Sitzung offenbarte, dass er raus ist. Damit hatte er keine Möglichkeit mehr, diese Maßnahme prüfen zu lassen oder dagegen vorzugehen.

Was aber ist denn nun so immens wichtig an dieser Grünflächen-Entscheidung, dass all diese Hebel in Bewegung gesetzt worden waren? Muss man wirklich befürchten, dass das komplette Spielplatz-Konzept in sich zusammenfällt, wenn man es in diesem ganz speziellen Einzelfall nicht stur durchzieht? Offenbar war das die Befürchtung. Wollte man einen Präzedenzfall vermeiden? Ging es darum, ein Exempel zu statuieren, um zu zeigen, dass 250 Bürger-Einwendungen eben nicht ausreichen (dürfen), das viel zitierte große Ganze zu beeinflussen? Hat man Angst, dass künftig bei ähnlichen Themen die Bürger wieder mobil machen? Hat man Sorge, dass künftig öfter Entscheidungen des Bauausschusses noch einmal im Stadtrat behandelt werden müssen? Ist es die Furcht davor, dass hier etwas einreißen könnte? In Pfaffenhofen rühmt man sich doch gerne und oft damit, dass hier Bürgerdialog großgeschrieben wird.

Man fragt sich jedenfalls zwangsläufig, warum Herker diese Bebauungsplan-Änderung durchdrücken wollte. Und zwar so unbedingt, dass mancher in der bunten Koalition gegen seine Sichtweise votierte. Herker selbst hat angeblich bereits durchblicken lassen, dass er – hätte er frühzeitig um die Historie des Areals in Förnbach gewusst – das Thema anders angepackt hätte.

Die Vorgeschichte ist nämlich das Pikante: Vor über 30 Jahren wurden die Anwohner zur Errichtung der 2500 Quadratmeter großen Spiel- und Grünfläche mächtig zur Kasse gebeten. Sie selbst hätten das Areal ja seinerzeit gerne viel kleiner gehabt, doch sie blitzen ab. Jetzt soll der Platz verkleinert werden, ihr Geld sehen die Anlieger nicht wieder. Ein Treppenwitz: Damals wollten die Bürger weniger Grün, bekamen aber nicht Recht und mussten blechen. Jetzt will die Stadt weniger Grün und die Stadt verschafft sich ihr Recht per Ratsbeschluss. 

Wäre es wirklich ein Zeichen von Schwäche gewesen, wenn Herker eingelenkt hätte, nachdem er Kenntnis von dieser Vorgeschichte erlangt hatte? Nein, wohl eher ein Zeichen von Einsicht, Bürgerfreundlichkeit und vielleicht sogar von Stärke. Der Fall Förnbach ist so speziell, durch die Vorgeschichte so einmalig, dass man ihn schon deshalb für sich hätte betrachten können. Aber Herker zog es knallhart durch, ihm ging es nur ums Prinzip. Ums Recht haben. Bemerkenswert ist dabei, dass es ihm gelungen ist, weite Teile seiner bunten Koalition auf Linie zu bringen. 

Eugen Roth hat einst gereimt: „Ein Mensch erkennt, wenn auch verschwommen, er müsste sich – genau genommen – im Grunde seines Herzens schämen, beschließt, es nicht genau zu nehmen.“ In der Tat sollte sich der Bürgermeister ein bisschen schämen. Denn wie ein Schlag ins Gesicht muss für die Förnbacher nach der für sie niederschmetternden Rats-Abstimmung die zynische Einlassung Herkers gewesen sein, dass nach 35 Jahren nun eben auch die Stadtverwaltung zu dem Ergebnis gelangt sei, zu dem die Anlieger schon damals gekommen waren: Dass die Grünanlage zu groß ist.

Am Ende seines Unbeirrtheits-Marathons zeigte Herker, dass es in der Politik nicht nur schlechte Verlierer geben kann, sondern auch schlechte Gewinner. Denn als die Förnbacher nach der Abstimmung enttäuscht den Sitzungssaal verließen, mussten sie sich von ihm anhören, dass man das nicht tue. Es sei ein Gebot der Höflichkeit, befand der Rathauschef, dass man nicht während der Sitzung gehe. 

Beim Fußball würde man wohl sagen: Hier hat der Schiedsrichter jegliches Fingerspitzengefühl vermissen lassen. Ist es nicht verständlich, dass die Förnbacher enttäuscht abziehen? Kann man ihnen wirklich vorwerfen, dass sie sich für die weiteren Tagesordnungspunkte – wie den Erlass der Haushalts-Satzung der Heilig-Geist- und Gritsch’schen Fundationsstiftung sowie die Erhöhung der Musikschul-Gebühren – nicht interessieren? 

Doch, das geht. Wie der Bürgermeister bewiesen hat – nötig wäre das wahrlich nicht gewesen. Zumal ausgerechnet er in diesem Fall wirklich besser den Mund gehalten hätte. Herker war es doch, der erst kürzlich mitten in den Verhandlungen zur Sparkassen-Fusion in Ingolstadt einfach aufgestanden und heimgefahren ist, weil es nicht nach seinem Kopf ging. Und da war er übrigens nicht bloß Zuschauer, sondern einer der Haupt-Akteure. 

Und wenn wir schon dabei sind: In diesen Tagen, da immer wieder von Politik-Verdrossenheit und Vertrauensverlust in die Arbeit von Mandatsträgern die Rede ist, sollte man wirklich um jeden Bürger froh sein, der noch als Zuhörer zu einer Sitzung kommt.   

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