Interessen-Gemeinschaft schaltet Rechtsaufsicht ein: Es geht um die Fragestellung bei dem vom Stadtrat initiierten Bürgerentscheid zum geplanten neuen Gewerbe- und Industrie-Gebiet vor den Toren von Pfaffenhofen.
(ty) Das vom Pfaffenhofener Stadtrat kürzlich abgesegnete Ratsbegehren zum geplanten Gewerbe- und Industrie-Gebiet "Kuglhof II" soll auf seine Zulässigkeit überprüft werden. Die Interessen-Gemeinschaft aus Bund Naturschutz (BN), ÖDP und der Wähler-Gruppe "Gemeinsam für Gemeinwohl" (GfG), die bekanntlich die Ausweisung des Areals verhindern will, hat nach eigenem Bekunden heute die Rechtsaufsicht am Landratsamt eingeschaltet. Ihrer Ansicht nach ist die dem Ratsbegehren zugrunde liegende Frage, die am 2. April bei diesem vom Stadtrat initiierten Bürgerentscheid gestellt werden soll, "materiell rechtswidrig" und damit unzulässig. Die Interessen-Gemeinschaft sieht Verstöße gegen das so genannte Kopplungs-Verbot und gegen das Sachlichkeits-Gebot.
Soll vor den Toren von Pfaffenhofen ein neues Gewerbe- und Industrie-Gebiet mit einer Größe von knapp 38 Hektar entstehen? Darüber stimmen die Bürgerinnen und Bürger der Kreisstadt wohl auf jeden Fall am 2. April ab. Der Stadtrat hatte in seiner jüngsten Sitzung die Weichen für zwei Bürgerentscheide gestellt und zugleich den Termin dafür festgelegt.
Das Gremium selbst genehmigte sich ein Ratsbegehren mit dem Titel "Wohlstand sichern, Klima schützen – Ja zum grünen Gewerbepark [Kuglhof] mit Südumgehung" und reagierte damit auf Widerstand. Außerdem wurde das von der Interessen-Gemeinschaft aus BN, ÖDP und GfG initiierte Bürgerbegehren "Stoppt den Flächenfraß – Kein Gewerbe-Gebiet Kuglhof II" für zulässig erklärt. Für nicht zulässig wurde dagegen das zweite Bürgerbegehren der Interessen-Gemeinschaft befunden: "Keine Straße durch den Schindelhauser Forst."
Zugelassen worden war laut Stadtrats-Entscheidung das Bürgerbegehren mit dem Titel "Stoppt den Flächenfraß – Kein Gewerbe-Gebiet Kuglhof II", das folgende konkrete Frage beinhaltete: "Sind Sie dafür, dass die Stadt Pfaffenhofen alle Planungen für ein weiteres Gewerbe-Gebiet 'Kuglhof II' an der Äußeren Moosburger Straße beendet und diese Fläche in der landwirtschaftlichen Nutzung belässt?"
Nicht zugelassen worden war vom Stadtrat das Bürgerbegehren mit dem Titel "Keine Straße durch den Schindelhauser Forst", das folgende Fragestellung beinhaltete: "Sind Sie dafür, dass der Stadtrat bezüglich der Trassen-Führung für die Südumgehung bei seinem Beschluss vom 23. Oktober 2014 bleibt und dadurch verhindert, dass das Naherholungs-Gebiet Schindelhauser Forst durchschnitten wird?" Einen ausführlichen Bericht dazu, auch zu den Hintergründen und Begründungen, lesen Sie hier: Alle Pfaffenhofener entscheiden über neues Gewerbe- und Industrie-Gebiet
Dem zugelassenen Bürgerbegehren stellte das Stadtrats-Gremium per Beschluss ein so genanntes Ratsbegehren gegenüber – sozusagen als Konkurrenz-Vorlage. Der Stadtrat beschloss deshalb konkret die Durchführung eines weiteren Bürgerentscheids mit dem Thema "Wohlstand sichern, Klima schützen – Ja zum grünen Gewerbepark [Kuglhof] mit Südumgehung", der dem Bürgerentscheid mit dem Thema "Stoppt den Flächenfraß – Kein Gewerbe-Gebiet Kuglhof II" entgegengestellt wird.
Die Fragestellung für diesen vom Stadtrat angebahnten Bürgerentscheid lautet gemäß der Abstimmung: "Sind Sie dafür, dass die Stadt Pfaffenhofen den Bebauungsplan 'Kuglhof II' für ein nachhaltiges Gewerbe-Gebiet mit Pfaffenhofener Südumgehung vorantreibt?" Das Gremium beschloss ferner, dass Informations-Material gefertigt wird, das den Bürgern im Vorfeld der Zuleitung von Abstimmungs-Benachrichtigung und Brief-Abstimmungs-Unterlagen zugestellt wird.
"Das Ratsbegehren ist unseres Erachtens materiell rechtswidrig", erklärt jetzt die Interessen-Gemeinschaft "Stoppt den Flächenfraß am Kuglhof" in ihrem Schreiben an die Rechtsaufsicht am Pfaffenhofener Landratsamt, das unserer Redaktion vorliegt. Der Interessen-Gemeinschaft geht es, so erklärt Manfred "Mensch" Mayer (GfG) zum Hintergrund, um ein Urteil des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH).
Dieser habe entschieden, zitiert er: "Die Vertreter eines Bürgerbegehrens haben zur Sicherung eines fairen Verfahrens-Ablaufs auch das Recht, ein konkurrierendes Ratsbegehren abzuwehren, wenn dieses so formuliert ist, dass damit die Entscheidungs-Freiheit der Bürger bei der Abstimmung beeinträchtigt wird und damit die Erfolgs-Aussichten des Bürgerbegehrens geschmälert werden." Dies wäre aus Sicht von Mayer & Co. der Fall, "wenn das Ratsbegehren der Stadt als materiell rechtswidrig eingestuft wird".
Die Interessen-Gemeinschaft sieht bei dem Ratsbegehren einen Verstoß gegen das so genannte Kopplungs-Verbot. "Hier werden die Bauleitplanung 'Kuglhof II', die unstreitig den eigenen Wirkungskreis der Gemeinde betrifft, und die Pfaffenhofener Südumgehung, die gerade wie die Stadt selbst ausführt nicht den eigenen Wirkungskreis betrifft, miteinander verknüpft", wird dazu in dem Brief ans Landratsamts dargelegt. "In der Rechtsprechung ist bislang nicht geklärt, ob das für Bürgerbegehren geltende Kopplungs-Verbot auch für Ratsbegehren gilt", schreibt die Interessen-Gemeinschaft. Allerdings: "Die Literatur geht davon aus, dass dem so ist." Es müsse somit ein sachlicher Zusammenhang zwischen den (Teil-)Fragestellungen oder (Teil-)Maßnahmen bestehen.
Aus Sicht der Interessen-Gemeinschaft "wird ein Bebauungsplan-Verfahren mit einer Staatsstraße, die in der ausschließlichen Zuständigkeit des Freistaates Bayerns liegt, vermengt". Dazu heißt es weiter: "Wie die Stadt selbst ausgeführt hat, befindet sich die Ortsumfahrung Pfaffenhofen im siebten Ausbauplan für Staatsstraßen des bayerischen Staatsministeriums des Innern – aufgestellt 2011 – in der ersten Dringlichkeitsstufe-Reserve und wird vom staatlichen Bauamt geplant." Die Verwirklichung dieser Staatsstraße stehe "in keinem inneren Zusammenhang" mit dem Bauleitplan-Verfahren "Kuglhof II", so die Interessen-Gemeinschaft unter Verweis auf den genannten Stadtrats-Beschluss vom 23. Oktober 2014. Ihr Fazit: "Es liegt somit unseres Erachtens ein Verstoß gegen das Kopplungs-Verbot vor."
Außerdem sieht die Interessen-Gemeinschaft einen Verstoß gegen das Sachlichkeits-Gebot. "Mit der Formulierung des Ratsbegehrens wird in einer dem Sachlichkeits-Gebot widersprechenden Weise auf die Abstimmungs-Freiheit der Bürger eingewirkt", heißt es in dem Schreiben an die Rechtsaufsicht: "Den Bürgern wird hier suggeriert, dass die Stadt die Südumgehung vorantreiben kann." Wie sie selbst ausgeführt habe, könne die Stadt gegenüber der Fachbehörde nur eine Stellungnahme abgeben, die lediglich im Rahmen der Abwägung berücksichtigt werden müsse.
Auch die Bezeichnung des Gewerbe-Gebiets als "nachhaltig" sei irreführend, so die Interessen-Gemeinschaft: "Es käme auch hier zu einer umfangreichen Flächenversiegelung, was einen Eingriff in Natur und Landschaft mit sich bringt." Zudem führe die Umgehungsstraße an dieser Stelle zu größeren Eingriffen in die Natur als bei der ursprünglich anvisierten Trassen-Variante. Der Begriff "nachhaltig", so die Interessen-Gemeinschaft weiter, "erweckt somit bei den Bürgern den Eindruck, dass es durch die Planung zu keinen Eingriffen in die Natur kommt, was falsch ist".
Und auch die Überschrift der Fragestellung sei "irreführend für die Bürger". Denn: "Es wird den Bürgern vermittelt, dass sie mit ihrer Stimme für ein neues Gewerbe-Gebiet das Klima schützen. Dies ist falsch, denn Flächenfraß und -versiegelung schaden dem Klima und schützen es nicht". Dasselbe gelte für das "grüne" Gewerbe-Gebiet. "Diese Begrifflichkeiten vermitteln den Bürgern als Versuch des 'greenwashing' einen falschen Eindruck", kritisiert die Interessen-Gemeinschaft und vertritt die Auffassung: "Auch dieser Verstoß gegen das Sachlichkeits-Gebot führt zur materiellen Unzulässigkeit des Ratsbegehrens." Man beantrage die Überprüfung der Zulässigkeit des Ratsbegehrens.
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