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Die Stimmen, die vor der Unterbringung von Flüchtlingen in Turnhallen warnen, werden immer lauter – zugleich spitzt sich die Lage im Kreis Pfaffenhofen zu und schnelle Lösungen sind gefragt

Von Tobias Zell

„Das kann’s nicht sein“, sagt Vohburgs Bürgermeister Martin Schmid (SPD). „Das wird sich keiner bieten lassen“, meint sein Amtskollege Manfred Russer (CSU) aus Hohenwart und prophezeit Unruhe. Der Wolnzacher Rathauschef Jens Machold fürchtet, „dass das den inneren Frieden, die Akzeptanz und die Integration nachhaltig gefährdet“. Reinhard Heinrich (CSU), Gemeinde-Oberhaupt von Reichertshausen, rechnet mit einem „Aufschrei in der Bevölkerung“ und spricht von einem „Schreckgespenst“. Es geht um die drohende übergangsweise Belegung von Turnhallen, um dem Zustrom von Asylbewerbern im Landkreis Pfaffenhofen Herr zu werden. 

„Ich werde dagegen kämpfen“

Den Anfang hatte Martin Schmid gemacht. Der Bürgermeister von Vohburg und Chef der SPD-Fraktion im Pfaffenhofener Kreistag, warnte in der jüngsten Sitzung des Kreisgremiums Landrat Martin Wolf (CSU) ausdrücklich davor, Flüchtlinge in Sporthallen einzuquartieren. „Lassen Sie die Turnhallen außen vor – auch wenn’s nur kurz ist“, appellierte er an Wolf. Die Belegung von Turnhallen schüre Ängste und Sorgen bei der Bevölkerung – und die müsse man ernst nehmen.

Im Gespräch mit unserer Zeitung bekräftigte Schmid jetzt seinen Standpunkt. „Ich bleibe dabei“, sagte er und wurde noch deutlicher: „Ich werde dagegen kämpfen, dass in Vohburg ein öffentliches Gebäude und insbesondere eine Turnhalle zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzt.“ Freiwillig werde man jedenfalls keine Sporthalle zur Verfügung stellen. „Weil das kann’s nicht sein.“ Wenn, dann müsse Wolf das schon mit Hilfe von Zwang machen – sprich: Der Landkreis müsste eine Turnhalle beschlagnahmen. „Aber dann hat der Landrat auch die volle Verantwortung dafür zu tragen“, betont Schmid.

Für den Vohburger Rathauschef gibt es keine zwei Meinungen: Turnhallen sollten bei der Unterbringung von Asylbewerbern tabu sein. Denn für diesen Schritt, und da ist er sich sicher, würde das Verständnis in der Bevölkerung gegen null gehen. „Es werden sich nicht viele finden, die ihre Zustimmung dafür geben, dass wir unsere Kinder und Vereine aus den Hallen verbannen“, sagt er. Man werde dem Landkreis – wie von Wolf in einer aktuellen E-Mail an die Bürgermeister gewünscht – Flächen zur Verfügung stellen, auf denen zum Beispiel Wohncontainer für Flüchtlinge aufgestellt werden können. „Aber wir geben freiwillig keine Turnhalle her.“ 

"Da wird es Unruhe in der Bevölkerung geben" 

Nicht minder deutliche Worte findet Manfred Russer (CSU), Bürgermeister von Hohenwart und Sprecher der Rathauschefs im Landkreis. Eine Belegung von Turnhallen „wird sich keiner bieten lassen“, prophezeit er. „Da wird es Unruhe in der Bevölkerung geben – und zwar berechtigterweise.“ Asylbewerber in Sporthallen einzuquartieren ist aus deiner Sicht „absolut nicht förderlich – weder für die Gesellschaft noch im Sinne der Flüchtlinge“. 

Abgesehen davon verweist Russer auf die Zweckbestimmung der Hallen für Schul- und Breitensport: Mit Blick auf die Situation in seiner Gemeinde sagt er: „Das soll mir jemand erklären, wie das gehen soll, dass man Schule und Flüchtlings-Unterbringung trennt.“ Ohne größere bauliche Maßnahmen sei das gar nicht machbar. Zudem gebe es in der Hohenwarter Halle keine Duschen. 

In Hohenwart fehlen aktuell Plätze für 59 Flüchtlinge, damit die Gemeinde die Quote von zwei Prozent der Einwohnerzahl erreicht, auf die sich die Bürgermeister im Landkreis bekanntlich im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung verständigt haben. „Ich bin Tag und Nacht auf der Suche“, sagt Russer. Aktuell sei es ihm gelungen, ein Gebäude in der Metzgerbräustraße zu akquirieren, in dem zehn bis zwölf Asylbewerber untergebracht werden können. Er hofft darauf, noch drei, vier weitere Gebäude ausfindig machen zu können. 

„Ich gehe davon aus, dass es den Gemeinden gelingt, ihre jeweilige Zahl an Plätzen für Asylbewerber zu erreichen“, sagt Russer in seiner Funktion als Sprecher der Bürgermeister im Landkreis. Die Zwei-Prozent-Quote sei Konsens unter den Rathauschefs, „und alle sind bemüht“. 

Diese Grafik zur Unterbringung von Flüchtlingen in den Landkreis-Gemeinden wurde kürzlich im Kreistag vorgestellt. "Fehlbeleger" sind Flüchtlinge, die eigentlich aus der ihnen gestellten Unterkunft ausziehen müssten, um sich selbst eine Wohnung zu suchen. Die Abkürzung "umF" steht für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. (Quelle: Landratsamt)

 

Bekanntlich muss der Landkreis bis Jahresende noch weitere 900 Asylbewerber aufnehmen. Damit erhöht sich die Zahl der Flüchtlinge auf rund 2000. Zugleich steigt der Druck, Antworten auf die Frage nach der Unterbringung der Menschen zu finden, enorm. Aus den Listen des Landratsamts ging zuletzt hervor, dass es noch Platz für etwa 140 Personen gibt. Allerdings rechnet man bis zum Jahresende allein pro Woche mit etwa 120 zusätzlichen Flüchtlingen. Optimistisch gesehen dürften die Kapazitäten also höchstens bis Mitte November reichen.

Angesichts der 900 – Wolf schrieb aktuell sogar von 1000 – aufzunehmenden Personen bedeutet das: Innerhalb kürzester Zeit gilt es allein in diesem Jahr noch Unterkunfts-Möglichkeiten für zirka 760 Menschen zu schaffen. Landrat Wolf denkt deshalb, wie berichtet, bereits über „Container-Lösungen im großen Stil“ nach – die Gemeinden wurden gebeten, rasch mögliche Standorte zu melden. Zwar haben sich die Kommunen ja bereit erklärt, zur Erfüllung ihrer Zwei-Prozent-Quote notfalls sogar selbst als Bauherren und Investoren aktiv zu werden und Gebäude zu errichten – doch selbst wenn in den Gemeinderäten und Rathäusern dafür schnell die Weichen gestellt werden, dürfte es Monate dauern, bis die ersten Gebäude stehen. 

"Von mehreren Gemeinden sind uns konkrete Umsetzungskonzepte bekannt“, schrieb Landrat Wolf dieser Tage an seine Bürgermeister. „Das Problem ist, dass sie vielfach nicht bis Jahresende umgesetzt werden können.“ In diesem Zusammenhang geht Wolf auch explizit auf die Turnhallen ein: „Der Landkreis kann vorübergehend mit ein bis zwei Kreisturnhallen aushelfen. Auch könnten Gemeindeturnhallen vorübergehend bis Fertigstellung des dortigen Gemeindekonzepts in Frage kommen.“ Mindestens brauche das Landratsamt, so heißt es weiter, von den Gemeinden ein oder zwei geeignete Grundstücke mit je 1000 Quadratmeter, „um über das staatliche Landratsamt zügig Wohncontainer aufstellen zu können“. Alle Städte, Märkte und Gemeinden aufgefordert, bis zum morgigen Freitag „Vorschläge für die Zielerreichung in ihrem Bereich zu übersenden“.

"Tun alles, um das zu vermeiden"

„Wir tun alles, um genau das zu vermeiden“, sagt der Wolnzacher Bürgermeister Jens Machold (CSU) im Gespräch mit unserer Zeitung über die Belegung von Turnhallen. Denn das sei „eine der schlechtesten Lösungen überhaupt“. Machold will in der nächsten Gemeinderat-Sitzung am 12. November einen Grundsatzbeschluss fassen lassen, der die Basis zur Errichtung von festen Bauten zur Unterbringung von Asylbewerbern schafft. Ihm schwebt eine „modulare Bauweise“ vor. Die planungsrechtlichen Voraussetzungen sieht er erfüllt. Mit der Umsetzung schaffe Wolnzach die Zwei-Prozent-Quote. Später könnten die Bauten dann als Unterkünfte für Obdachlose und Sozialwohnungen genutzt werden.

Aber zaubern kann man auch in Wolnzach nicht. Deshalb dürfte es laut Machold Frühjahr werden, bis diese Bauten bezugsfertig sind. Und damit wäre man möglicherweise doch wieder bei der übergangsweisen Nutzung von Turnhallen. Doch das will eigentlich keiner wirklich. „Da fürchten wir Bürgermeister alle, dass das den inneren Frieden, die Akzeptanz und die Integration nachhaltig gefährdet“, sagt er. Um die Belegung einer Turnhalle zu vermeiden, habe er noch „einen Plan B“, erklärt Machold – wohl wissend, dass eine der Hallen, die es vermutlich als erstes treffen würde, in Wolnzach steht. 

Denn zunächst würde man vermutlich auf die Turnhallen zurückgreifen, die im Eigentum des Landkreises stehen. Das sind fünf: Gymnasium und Realschule Pfaffenhofen, Gymnasium Wolnzach, Anton-Wolf-Halle in Geisenfeld und die Realschul-Halle in Manching.

„Aufschrei in der Bevölkerung  und Chaos“ 

Einen „Aufschrei in der Bevölkerung“ und „Chaos“ werde es geben, wenn man Flüchtlinge in Turnhallen einquartiert, vermutet auch Reinhard Heinrich, Bürgermeister von Reichertshausen und Chef der CSU-Fraktion im Kreistag. „Ich bin strikt gegen diese Lösung, denn das würde in die völlig falsche Richtung laufen.“ Heinrich spricht von einem „Schreckgespenst“. Turnhallen zu belegen sei nicht nur „kontraproduktiv“, weil es den Schul- und Vereinssport „massiv beeinträchtigen würde“, sondern weil es obendrein Konflikt-Potenzial schüre. „Wir wollen eine homogene und humanitäre Integration“, betont er. 

Gestern Abend wurden in Reichertshausen, wo man ja immensen Nachholbedarf bei der Unterbringung von Asylbewerbern hat, die Weichen gestellt. Heinrich stellte dem Gemeinderat ein Konzept vor, wie innerhalb von zwei, drei Monaten an vier verschiedenen Standorten insgesamt bis zu 90 Plätze zur Unterbringung von Asylbewerbern geschaffen werden sollen. Das Gremium stimmte einhellig zu. Mit der Umsetzung hätte Reichertshausen die Zwei-Prozent-Quote so gut wie erfüllt. Lesen Sie dazu: Container für Reichertshausen und Steinkirchen

Heinrich hofft, dass damit von seiner Gemeinde ein „Leitstrahl“ ausgeht – in Richtung der Kommunen, die ebenfalls noch Nachholbedarf haben. „Wir wollen zeigen, dass es geht.“ Doch die nächsten Monate „werden eine schwierige Zeit“, sagt Heinrich mit Blick auf die Situation im Landkreis. Denn es wird eben dauern, bis die einzelnen baulichen Maßnahmen umgesetzt sind. Und er weiß: „Wenn es nicht gelingt, rechtzeitig Unterbringungs-Möglichkeiten zu schaffen, wird dem Landrat gar nichts anderes übrig bleiben, als auf Turnhallen zurückzugreifen.“ Da ist es wieder, das „Schreckgespenst“.

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