Logo
Anzeige
Anzeige
stowasser

Das Sozialdemokraten-Herz im Kreis Pfaffenhofen blutet, man spricht von einer Vernunft-Entscheidung – Der ging eine kontroverse Debatte voran, am Ende wurde ein Statement beschlossen

Von Tobias Zell

Stell dir vor, es ist Landrats-Wahl und die Sozis machen nicht mit. Genau so wird es kommen. Denn wie bereits kurz berichtet, haben die Delegierten des SPD-Kreisverbands am gestrigen Abend nach langer und teils kontroverser Diskussion mehrheitlich beschlossen, dass die Partei keinen eigenen Kandidaten ins Rennen schickt. Manches Sozialdemokraten-Herz blutet da. Von einer „Vernunft-Entscheidung“ war dann auch immer wieder die Rede. Nein, das sei „keine Herzens-Entscheidung“, betonte SPD-Kreischef Markus Käser – stattdessen wolle man sich auf das Jahr 2020 konzentrieren, wenn wahrscheinlich Kreistags- und Landrats-Wahl wieder zusammen stattfinden. 

Obersozi Käser hatte seine liebe Mühe, den Genossen die einhellige Vorstands-Empfehlung zum Kandidaten-Verzicht schmackhaft zu machen. Es gab mehrere skeptische und auch einige ablehnende Stimmen. Zwischenzeitlich schien es gar so, als würde der vorgeschlagene Kurs möglicherweise bei der anvisierten Abstimmung gar keine Mehrheit erhalten. Käser unterbrach deshalb die Versammlung für etwa 15 Minuten, damit sich die Parteifreunde noch einmal untereinander beraten konnten.

 

Die Argumente prallten an diesem Abend aufeinander. Emotional ging es phasenweise zu im Pfaffenhofener Hofbergsaal, kontrovers aber fair. Doch manche wollten es nicht einfach hinnehmen, dass ausgerechnet die selbsterklärte Volkspartei SPD keinen Kandidaten stellen soll. Wenngleich Käser zuvor erklärt hatte, dass die eigene Fraktion im Kreistag auch in der Opposition einiges erreicht habe – mancher sieht die Gefahr, dass all das einzig und allein Landrat Martin Wolf und dessen CSU zugeschrieben wird. Man müsse als SPD Flagge zeigen, so ein Appell.

Dass Käser betonte, die SPD habe in Sachen Asylpolitik und Windkraft mit Wolf mehr Übereinstimmung als dessen eigene Fraktion, leuchtete den Anwesenden ein, überzeugte aber nicht jeden. „Ich muss ihn ja nicht heiraten“, warb Käser, aber man könne doch sagen, dass es auf Projekt-Ebene mit Wolf funktioniert habe. Auf gut Deutsch: Drei Jahre Wolf sind schon noch auszuhalten. Auch Oliver Rechenauer befand, es sei für die SPD ehrlicher zu sagen, man setze auf Vernunft. Ja, unterstrich eine Genossin: Eine solche Vernunft-Entscheidung könne durchaus auch ein Zeichen gegen die Politik-Verdrossenheit sein.

 

Keinen Bewerber ins Rennen zu schicken, das könne aber auch als fehlender Mumm oder gar Feigheit interpretiert werden, wurde von anderer Seite befürchtet. „Wie vermitteln wir der Bevölkerung, dass wir keinen Kandidaten aufstellen?“, formulierte einer die offenbar zentrale Frage. „Demokratie lebt von der Alternative“, betonte ein anderer Genosse – als größte Oppositionspartei keinen Bewerber zu stellen, das sei nicht überzeugend. „Wenn ich dem Wähler eine Alternative wegnehme, machen ich einen katastrophalen Fehler.“ Werner Hammerschmid aus Wolnzach hakte ein, appellierte an das Selbstbewusstsein der Sozialdemokraten und stellte klar: Die SPD müsse nicht nur alle sechs Jahre für sich und ihre Standpunkte werben, sondern permanent. 

Johannes Gold betonte, er halte gar nichts davon, einen Kandidaten aufzustellen, nur damit man auch einen habe. Norber Ettenhuber von den Grünen, so meinte er, der mache es halt, damit sein Gesicht im ganzen Landkreis auf Plakaten zu sehen sei. Trotz allem: Mancher altgediente Sozialdemokrat blieb skeptisch. „Wenn ich nicht mehr zu mir stehe, habe ich eigentlich aufgegeben“, hieß es da selbstkritisch. Käser gestand, das sei hier eine Entscheidung zwischen Vernunft und Herz – und ja, „da beutelt es einen“. Er glaube aber nicht, dass es die Chancen der SPD für 2020 verschlechtert, wenn man nun 2017 keinen Kandidaten hat. „Ich glaube, dass es goutiert wird, dass wir uns in dieser Sache vernünftig entscheiden.“

 

Es sei kein leichter Schritt und auch keine Selbstverständlichkeit, von einer Kandidaten-Aufstellung abzusehen, so Käser. Doch „unter Betrachtung aller Aspekte“ wolle man diese „Vernunft-Entscheidung“ treffen und sich auf 2020 konzentrieren. Dann finden die Kreistags- und die Landrats-Wahl aller Voraussicht nach wieder zusammen statt. Denn Amtsinhaber Wolf, der von seiner Partei schon offiziell nominiert worden ist, hatte ja erklärt, im Falle seiner Wiederwahl aus privaten Gründen nur mehr drei Jahre lang an der Spitze des Landkreises stehen zu wollen. Der bislang einzige Gegenkandidat, Ettenhuber von den Grünen, muss zwar von seiner Partei erst noch offiziell nominiert werden, hat aber ebenfalls bereits signalisiert, im Falle seiner Wahl zum Landrat die Amtszeit freiwillig auf drei Jahre verkürzen zu wollen.

Bekanntlich finden im Kreis Pfaffenhofen die Wahlen von Kreistag und Landrat nicht gemeinsam statt, seitdem Landrat Josef Schäch (damals FW) seines Amtes enthoben worden ist. 2011 wurde dann Wolf zum neuen Landrat gewählt, er regiert nun bis 2017. Der Kreistag wurde zuletzt 2014 gewählt und amtiert bis 2020. Deshalb waren von verschiedenen Seiten Forderungen laut geworden, dass der künftige Landrat seine Amtszeit freiwillig von sechs auf drei Jahre verkürzen möge, damit dann ab dem Jahr 2020 die beiden Wahlen wieder gemeinsam stattfinden.

 

Zurück zur SPD. Letztlich stimmten gestern – nach der besagten Beratungs-Pause – trotz aller Zerrissenheit und Skepsis doch nur vier Genossen dafür, dass die Diskussion über die Kandidaten-Frage noch einmal zurück in die Ortsverbände gegeben, die Suche nach einem möglichen Bewerber aufgenommen sowie eine Nominierungs-Versammlung angesetzt wird. Damit war diese Variante vom Tisch und zugleich klar: Es wird keinen SPD-Kandidaten bei der anstehenden Landrats-Wahl geben. Bei vier Gegenstimmen verabschiedeten die Delegierten schließlich das vom Vorstandsgremium erarbeitete Erläuterungspapier zu dem Kandidaten-Verzicht – aber erst nachdem an dem Text auf Wunsch einiger Genossen noch einige Änderungen vorgenommen worden waren.

Hier die bei der SPD-Kreisdelegierten-Versammlung beschlossene Erklärung im Wortlaut:

"1. Eine Vernunftsentscheidung. Für unsere Partei ist es keine leichte Entscheidung und vor allem keine Selbstverständlichkeit von einer Kandidatenaufstellung abzusehen. Aber unter Betrachtung aller Aspekte treffen wir diese Vernunftsentscheidung und konzentrieren uns auf die Kommunalwahlen 2020.

2. Nur noch drei Jahre bis zum Normalzustand. Unser Wunsch war es seit 2011, die Kommunalwahlen wieder zusammenzuführen. Martin Wolf hat als aussichtsreicher Bewerber mit seiner Entscheidung eine wesentliche Forderung unserer Partei erfüllt. Die Zusammenlegung bedeutet eine Stärkung der kommunalen Demokratie und für den Steuerzahler eine Kostenersparnis von rund 150 000 Euro. Landrat und Kreistag leiten schließlich gemeinsam die Geschicke des Kreises. Für die Bevölkerung im Landkreis bedeutet dies dann in jedem Fall endlich wieder kommunalpolitischen Normalzustand.

3. Neuanfang erst 2020 möglich. Die Landratswahl ist keine Kommunalwahl, sondern nur eine Personenwahl. Der Kreistag Pfaffenhofen wurde 2014 bis 2020 gewählt und wird durch diese Wahl nicht verändert. Deshalb sehen wir erst 2020 wieder eine Chance für einen echten Neuanfang in der Kreispolitik. Denn diese ändert sich nicht durch den Austausch des ,Kopfes' an der Spitze, sondern erst wenn mit neuen Mehrheiten ab 2020 die CSU aus der Führungsrolle verdrängt wird. Dafür werden wir uns mit aller Kraft im Sinne der sozialdemokratischen Idee einsetzen und nehmen Anlauf auf die regulären Kommunalwahl mit gemeinsamer Wahl des Landrates und des Kreistages.

4. Trotzdem aktiv im Wahlkampf mitmischen. Wo wir anschieben, passiert auch etwas! Ob in der Bildungs-, Gesundheits-, oder Energiepolitik, die SPD steht im Landkreis für konsequente Aktivität und klare Positionen. Projekte wie das Bündnis für Familie, die Ansiedelung einer Altenpflegeschule, die Landratsamt-Außenstelle im nördlichen Landkreis, den Erhalt der Ilmtalklinik in öffentlicher Hand, den Schutz von Mittelschulen durch Verhinderung der Wirtschaftsschule oder der vierte Rettungswagen sind nur einige Beispiele für die Wirksamkeit unserer Arbeit im Kreistag.

Einige unserer Konzepte, wie zum Beispiel der landkreisweite Windkraft-Ausbau, hat Landrat Wolf sogar mit persönlichem Einsatz und Überzeugung entgegen der Position seines eigenen Kreisverbandes vorangebracht. Auch seine menschliche Haltung in der Flüchtlingsfrage hat uns unerwartet beeindruckt. Wolf zeigte dabei einen warmen Kontrast zu seinen Parteispitzen auf Landes- und Kreisebene. Diesen konstruktiven und rein projektbezogenen Arbeitsmodus können wir uns für die kommenden drei Jahre gut weiter vorstellen. Wir werden deshalb mit eigenen Themen den Wahlkampf aktiv begleiten und auch die kommenden drei Jahre konsequent für unsere Projekte aus dem Wahlprogramm eintreten. 

5. Es gibt noch viel zu tun. Nichtsdestotrotz und egal, wer Landrat wird, es gibt noch viel zu tun! Beispielsweise aktuell die Sicherung und Weiterentwicklung der Ilmtalklinik, deutliche Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr, mehr Einsatz für eine nachhaltige Landwirtschaft (Fallbeispiel: Hähnchenmast-Erweiterung Eschelbach) oder die Reduzierung unnötiger Ausgaben im Kommunalunternehmen KUS. Fundamental unterschiedliche Vorstellungen haben wir darüber hinaus bezüglich Bürgerdialog und Bürgerservice, nicht zuletzt in punkto zügiger Bearbeitung von Bauanträgen, in Fragen der Wachstumsstrategie oder bei der Aufklärung baurechtlicher Vorgänge. Kreispolitische Wahlprüfsteine erarbeiten wir in den kommenden Monaten und präsentieren diese im März 2017."

Weitere Beiträge zum Thema:

Die SPD stellt keinen Landrats-Kandidaten auf

Ilmtalklinik: SPD fordert Aufklärung und Antworten

Freie Wähler wollen keinen eigenen Landrats-Kandidaten stellen 

Wolfs Rudel 

Zehn Punkte: Das hat die CSU im Landkreis vor

Im Falle der Wiederwahl: Landrat Wolf will Amtszeit auf drei Jahre verkürzen

Norbert Ettenhuber will Landrat werden

Heinzlmair (FW): "Ich traue mir das Amt des Landrats zu"


Anzeige
RSS feed