Die Initiativen für den Erhalt der Paarhalle und gegen den Rathaus-Neubau haben fusioniert.
Von Alfred Raths
Nach dem inzwischen erfolgten Zusammenschluss zweier Reichertshofener Bürger-Initiativen bekräftigen die Protagonisten jetzt ihre nunmehr gemeinsamen Forderungen: Sie wollen den Erhalt und die Sanierung des alten Rathauses und der Paarhalle sowie den Verzicht auf einen Rathaus-Neubau am "Unteren Markt". Die beiden Frontmänner, der örtliche SPD-Chef Wolfgang Freudenberger und Karl Schweiger, reagieren damit auch auf den Vorstoß von Bürgermeister Michael Franken (JWU) der, wie berichtet, über ein Ratsbegehren versuchen möchte, bei einem Bürgerentscheid die Mehrheit der Reichertshofener für das bereits vom Gemeinderat beschlossene Zukunfts-Konzept mit Rathaus-Neubau hinter sich zu bringen.
Die örtlichen Interessen-Gemeinschaften traten bislang unter immer wieder anderen Namen auf, sodass man mitunter Gefahr lief, den Überblick zu verlieren. Zum Beispiel nannten sie sich "Ja zum historischen Rathaus", "Initiative für die Generalsanierung der Paarhalle", "Pro historisches Rathaus" oder auch "Bürger pro Paarhalle". Dann tat man sich, zunächst mit jeweils eigener Bezeichnung, zusammen – wollte sich gegenseitig unterstützen, um letztlich über zwei Bürgerbegehren auch zwei Bürgerentscheide herbeizuführen. Mit diesem Wirrwarr soll nun mutmaßlich Schluss sein. Augenscheinlich machen die Paarhallen-Freunde und die Rathaus-Neubau-Gegner jetzt auch formal gemeinsame Sache. Zwei Bürgerentscheide soll es trotzdem geben, denn es geht ja um zwei Themen.
Die sozusagen fusionierte Bürger-Initiative nennt sich laut eigener Mitteilung nun "Pro historisches Rathaus und Paarhalle", Sprecher sind der Reichertshofener SPD-Vorsitzende Wolfgang Freudenberger sowie Karl Schweiger. Sie bekräftigen ihren Forderung-Katalog in einer heute veröffentlichten Presseerklärung erneut. Außerdem entschuldigt man sich für die praktisch umsonst gesammelten knapp 1600 Unterschriften: Wie berichtet, hatten die Initiatoren ein bereits eingereichtes Bürgerbegehren für den Erhalt und die Sanierung der Paarhalle zurückgenommen.
Sie taten das, weil ihnen – wie sie selbst einräumten und auch die Gemeinde-Verwaltung bestätigte – handfeste Formfehler unterlaufen waren, die mutmaßlich ohnehin die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens zur Folge gehabt hätten. Diese weitere Peinlichkeit wollte man sich ersparen und legte deshalb notgedrungen von sich aus den Rückwärtsgang ein. Heute wurde aber nochmals bekräftigt, dass das Bürgerbegehren zur Zukunft der Paarhalle nach der wiederholten Unterschriften-Sammlung erneut eingereicht werden soll. Außerdem soll mit einem zweiten Bürgerbegehren der Rathaus-Neubau am "Unteren Markt" verhindert werden.
Bürgermeister Franken hatte sich indes zuletzt für ein Ratsbegehren mit dem Titel "Ja zum Zukunfts-Konzept für ein lebendiges, lebenswertes und attraktives Reichertshofen" stark gemacht. Demnach könnten alle Wahlberechtigten aus der Kommune über ein eigentlich bereits im Januar vom Gemeinderat einstimmig befürwortetes Konzept abstimmen, wonach am "Unteren Markt" ein neues Rathaus gebaut sowie das alte Rathaus für andere Zwecke hergerichtet werden soll. Franken hat mit der Umsetzung dieses Konzepts gleich mehrere Ziele im Blick. Erstens: "Ansprechende Gestaltung des Schandflecks Unterer Markt." Zweitens: "Erhalt, Sanierung und Aufwertung des historischen Ensembles am Schlossberg." Drittens: "Vergrößerung und Attraktivitäts-Steigerung für die beengte und alte Bücherei."
Die Fraktions-Vorsitzenden Gabi Breitmoser (CSU), Waltraud Schembera (SPD), Erwin Strasser (JWU) und Ludwig Heigl (FW) hatten den Vorschlag des Bürgermeisters in Sachen Ratsbegehren bereits begrüßt. Bereits in der Sitzung am 31. Juli soll der Gemeinderat den Angaben zufolge über die Durchführung eines Bürgerentscheids aufgrund dieses Ratsbegehrens entscheiden. Geben die Räte grünes Licht, dann stimmen die Reichertshofener am 14. Oktober nicht nur über die künftige Besetzung des bayerischen Landtags und des oberbayerischen Bezirkstags ab, sondern eben auch über die örtliche Rathaus-Frage.
"Selbstverständlich sind wir für ein Zukunfts-Konzept für ein lebendiges, lebenswertes und attraktives Reichertshofen", erklären dazu heute Freudenberger und Schweiger. "Allerdings sind wir auf Grund der vorhandenen Fakten zu anderen Ergebnissen gekommen." Unter der Überschrift "Sanieren statt verspekulieren" erteilten die beiden Sprecher der fusionierten Bürger-Initiativen dem anvisierten Rathaus-Neubau eine klare Absage. Wörtlich erklären sie: "Wir wollen keinen riesigen Rathaus-Klotz mit fast 1600 Quadratmetern Raumbedarf ohne Sitzungssaal und Trauungszimmer für einen Markt mit 8500 Einwohnern auf einem kleinen Grundstück fast ohne Parkplätze und an einer problematischen Stelle nahe der Paar."
Auch finanziell halten sie den Rathaus-Neubau für wenig sinnvoll. "Das Ganze wird ohne staatliche Zuschüsse erstellt, die es aber gegeben hätte, wenn das jetzige Rathaus saniert würde", meinen sie. Beispiele dafür gebe es in Vohburg, Beilngries, Feldafing und Bad Aibling. Außerdem fragen sie sich, wie im Falle eines Neubaus die Sanierung des alten Rathauses bezahlt werden soll. "Wenn dann das neue Rathaus gebaut ist, soll die Sanierung des alten Rathauses beginnen. 2021 beträgt der Schuldenstand unseres Marktes nachweislich 4,05 Millionen Euro. Wie soll dann noch ein Bürgerschloss finanziert werden?"
Für die Sanierung des gesamten Schlossberges zum Bürgerschloss gebe es außerdem weder ein Konzept noch einen Termin, so ein weiterer Kritik-Punkt – und die Paarhalle spiele bei alledem keine Rolle. Freudenberger und Schweiger verweisen auf das vergangene Wochenende, als das 50-jährige Jubiläum der Faschings-Gesellschaft REB in einem Festzelt neben der Paarhalle gefeiert wurde. In einem Ambiente, das die beiden wenig begeisterte. "Frauen und Männer in festlicher Garderobe saßen an Biertischen und auf Bierbänken in einem Bierzelt. Nebenan steht eine Veranstaltungshalle, die vor sich hingammelt. Sogar externe Honoratioren fragten sich, warum diese Veranstaltung nicht in der Paarhalle stattfand."
Zu den Rathaus-Plänen hatte Gemeinde-Oberhaupt Franken zuletzt erklärt: "Die Marktgemeinderäte und ich haben in den letzten Wochen und Monaten viel mit Bürgerinnen und Bürgern diskutiert. Wir gewannen den Eindruck, dass es so manchem Gegner unseres Konzepts gar nicht um die Sache geht, weshalb diese für keinerlei sachliche Argumente zugänglich waren." Dem widersprechen heute Freudenberger und Schweiger: Vertreter der Interessen-Gemeinschaft "Pro historisches Rathaus" hätten zwei Mal jeweils drei Stunden mit Franken und Gemeinderäten zusammengesessen, man habe "sachorientierte Gespräche über Fakten" geführt. "Wir zeigten Beispiele von Konzepten anderer Kommunen und Lösungen für Reichertshofen auf. Leider fanden wir kein Gehör."
Die neue Doppel-Bürger-Iniative "Pro historisches Rathaus und Paarhalle" fasst in ihrer aktuellen Mitteilung noch einmal die nun gebündelten Forderungen wie folgt zusammen: "Umfassende Sanierung der Paarhalle und mögliche Nutzung zusätzlich als Bürgerhaus. Sanierung des Rathauses, um das uns viele Kommunen beneiden, damit die Verwaltung wieder einen tollen Arbeitsplatz hat. Sanierung des restlichen Gebäude-Komplexes am Schlossberg für eine eventuelle Rathaus-Erweiterung und einem Haus der Vereine, dabei Überprüfung des Raumbedarfs für das Rathaus und das Haus der Vereine (keine Wunschlisten). Ein schlüssiges Konzept für den 'Unteren Markt', zum Beispiel mit Bücherei. Ein Konzept für die Nutzung der jetzigen Bücherei."
In diesem Zusammenhang werden Bürgermeister und Gemeinderat aufgefordert, "hierzu ein Konzept für eine Gesamtmaßnahme zu erstellen, die nach den Richtlinien zur Förderung städtebaulicher Erneuerungs-Maßnahmen vom 9.11.2015 des bayerischen Staatsministeriums des Innern als Gesamtmaßnahme anerkannt wird. Hierzu gibt es voraussichtlich 50 Prozent Zuschüsse."
Von Seiten der Kommune wurde heute die Tagesordnung für die nächste Gemeinderat-Sitzung am 31. Juli (Beginn: 18.30 Uhr) veröffentlicht. Tagesordnungspunkt 2 sieht demnach vor: Grundsatz-Beschluss zur Sanierung der Paarhalle; Festlegung eines Zeitplans; Durchführung einer Bürgerbeteiligung zur zukünftigen Nutzung. Tagesordnungspunkt 3 umfasst dann die Beschlussfassung über das besagte Zukunfts-Konzept sowie die Beschlussfassung über das von Franken angekündigte Ratsbegehren.
Möglicherweise stellt sich nach dieser Sitzung die Situation also schon wieder anders dar. Klar dürfte sein: Der Diskussionsstoff geht in Reichertshofen wohl erst einmal nicht aus.
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