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Beim Dreikönigs-Treffen der Kreis-SPD in Wolnzach drehte sich alles um das umstrittene Bauvorhaben im Ortsteil Eschelbach – Micha Lohr von der BN-Ortsgruppe als Gastredner

Von Tobias Zell  

Sollte die umstrittene Erweiterung des Hähnchenmast-Betriebs im Wolnzacher Ortsteil Eschelbach genehmigt werden, dann wird der Bund Naturschutz höchstwahrscheinlich Klage einreichen. Das erklärte Micha Lohr, der Vorsitzende der BN-Ortsgruppe Wolnzach-Rohrbach, gestern Abend beim traditionellen Dreikönigs-Treffen der Kreis-SPD im Wolnzacher Hopfenmuseum. Markus Käser, der Chef der Sozialdemokraten im Landkreis Pfaffenhofen, kündigte grundsätzlich Unterstützung an, wenn es darum gehe, „Fehlentwicklungen in der Landwirtschaft zu begegnen“. 

Die gestrige Veranstaltung, zu der rund 60 Leute gekommen waren, bildete den politischen Auftakt der hiesigen Sozialdemokraten im neuen Jahr. Sie stand diesmal unter dem Motto: „Nachhaltige Landwirtschaft: Tierwohl oder Wirtschaftlichkeit? Alles eine Frage der Haltung!“ Konkreter Hintergrund ist freilich das Vorhaben in Eschelbach, um das sich dann auch große Teile der Ausführungen und Wortmeldungen drehten. In dem Wolnzacher Ortsteil soll der bestehende Mast-Betrieb bekanntlich auf rund 145 000 Tiere vergrößert werden – laut BN entstünde damit vermutlich die größte Anlage dieser Art in ganz Bayern. Der Widerstand ist ungebrochen.

 

Ziel des gestrigen Abends war es nach den Worten von Käser, das Thema auch einmal unter einem anderen Gesichtspunkt zu betrachten und zur Diskussion zu stellen. Dabei gehe es nicht darum, jemanden zu verurteilen, der ein Vorhaben umsetzen wolle, das rechtlich möglich ist, betonte der SPD-Kreisvorsitzende. In seinem Vortrag unter dem Titel „Landwirtschaftliche Bauvorhaben. Neuer Gestaltungsspielraum für Kommunen" stellte Käser eine Gesetzesinitiative des Bundesumweltministeriums vor, wonach das Baurecht dahingehend geändert werden soll, dass Ställe ab einer gewissen Größe in einem öffentlichen Verfahren über Bebauungspläne genehmigt werden müssen. 

So könnten Kommunen beim Bau neuer Anlagen mitreden und diese sogar verhindern, erläuterte Käser. Bisher könnten dagegen solche landwirtschaftlichen Anlagen auch ohne Zustimmung der jeweiligen Kommunen errichtet werden. „Weil aber auch große Agrarfabriken sich als landwirtschaftliche Betriebe durchschummeln können, ist die bisherige Regelung ein Freibrief für Megaställe“, hatte Käser bereits im Vorfeld der Veranstaltung moniert.

 

Durch die nötige Erstellung eines Bebauungsplans durch die Gemeinde wäre dagegen die kommunale Mitsprache bei einem Vorhaben wie dem in Eschelbach gesichert, fasste Käser zusammen. „Wenn wir etwas ändern wollen, was die baurechtliche Situation angeht, dann ist eine Gesetzesänderung nötig“, sagte er und beklagte, dass die genannte Initiative des Umweltministeriums seit Jahren vom Landwirtschaftsministerium blockiert werde. Nach derzeitiger Rechtslage habe jedenfalls die Gemeinde nichts zu entscheiden – das Landratsamt sei die Genehmigungsbehörde, zudem gelten landwirtschaftliche Vorhaben als privilegiert. 

Micha Lohr, der Chef der BN-Ortsgruppe Wolnzach-Rohrbach, verwies auf das Motto Thema des Abends („Eine Frage der Haltung“) und unterstrich die Rolle der Bürger. Laut einer aktuellen Umfrage wünschten sich die Verbraucher bessere Bedingungen in der Tierhaltung und seien auch bereit, dafür mehr zu bezahlen. Dass das Pfaffenhofener Landratsamt nur eine Woche nach dem entsprechenden Antrag den vorzeitigen Baubeginn für das Vorhaben in Eschelbach zugelassen habe, bezeichnete Lohr als „vorauseilenden Gehorsam“. Käser widersprach in diesem Punkt und verteidigte die Kreisbehörde. Auf Basis der derzeit geltenden Rechtslage könne man dem Landratsamt nicht unterstellen, etwas falsch gemacht zu haben. Lohr wiederum vertritt die Meinung, dass der vorzeitige Baubeginn eben „nicht so zwingend“ hätte erteilt werden müssen – er verwies zum Beispiel auf noch ausstehende Unterlagen.

 

Die von der Eschelbacher Bürgerinitiative „Pro Life“ beim bayerischen Landtag eingereichte Petition gegen den vorzeitigen Baubeginn sowie vorsorglich auch gegen die gegebenenfalls erfolgende Genehmigung hat laut Lohr inzwischen gut 5000 Unterstützer gefunden. Der BN wolle nun abwarten, wie über die Petition entschieden beziehungsweise ob letztlich – und falls, unter welchen Auflagen – die Genehmigung für die Betriebs-Erweiterung erteilt wird. 

Im Falle einer Genehmigung sei die Wahrscheinlichkeit jedenfalls sehr hoch, dass der Bund Naturschutz gegen das Vorhaben Klage einreiche – der Landesverband prüfe diesen Schritt bereits mit seinen Anwälten, sagte Lohr.  Käser kündigte von Seiten der SPD grundsätzliche Unterstützung an, wenn es darum gehe, „Fehlentwicklungen in der Landwirtschaft zu begegnen“. Er appellierte zugleich, nicht drumherum zu reden, sondern klar zu sagen, ob man etwas wolle oder nicht. 

Zuvor hatte Lohr einige zentrale Positionen des BN zusammengefasst. Man sei nicht grundsätzlicher Gegner der Landwirtschaft, kritisiere aber viele Entwicklungen – zum Beispiel eine „falsche Subventions-Politik“. Für Zuschüsse sollte es seiner Meinung nach nicht nur eine Obergrenze geben, sondern sie sollten auch daran geknüpft sein, dass Verbesserungen im Sinne des Tierwohls oder in Sachen Umweltschutz erfolgen. Gentechnik lehne man ab, die Lebensmittel-Verschwendung gelte es ebenso zu reduzieren wie den Einsatz von Düngemitteln. Außerdem macht sich der BN für Maßnahmen zur Verbesserung von Boden und Grundwasser stark. Monokulturen sehe man kritisch, sie würden die Artenvielfalt gefährden. Man sei gegen Massentierhaltung und gegen Betriebe, die nicht mehr flächenbezogen agieren. 

Überleitend zu dem Vorhaben in der Gemeinde Wolnzach, verwies Lohr darauf, dass in Deutschland die Überproduktion von Geflügelfleisch bereits bei 20 Prozent liege. Im Fall Eschelbach sieht der BN die Voraussetzungen für die Privilegierung als nicht gegeben an. Außerdem seien die Unterlagen unvollständig gewesen. Den Brandschutz nannte Lohr „unzureichend“ und die Verkehrsbelastung für die Anwohner sei jetzt schon über dem Zumutbaren. Außerdem monierte er unter anderem eine „unqualifizierte Stellungnahme“ der Straßenverkehrsbehörde. Nicht zuletzt verwies Lohr auf mögliche Gefahren durch multiresistente Keime. 

Kerstin Schnapp, die Kreisvorsitzende der Grünen, erklärte, man unterstütze die Positionen und Forderungen des Bund Naturschutz. Außerdem schlug sie eine Kennzeichnungspflicht für Tierfleisch vor – wie sie bei Eiern gelte. In weiteren Wortmeldungen aus den Zuhörer-Reihen wurde vor allem an geringeren Fleisch-Verzehr und bewussteres Konsumverhalten appelliert.

Kein öffentliches Wort kam indes den ganzen Abend lang von Andreas Mehltretter, dem Bundestags-Kandidaten der SPD für den hiesigen Wahlkreis. Der 24-Jährige war zwar aus Freising angereist, wollte aber nichts sagen. Inzwischen hat er auch erklärt, warum – und wie er den Themenkomplex einschätzt.

"Wie Sie richtig bemerkt haben, habe ich mich gestern Abend nicht geäußert – Grund war einfach, dass ich mich körperlich nicht sonderlich fit gefühlt habe und ich mich lieber zurückhalte, wenn ich physisch nicht in guter Verfassung bin, die Diskussion aber inhaltlich gut und fundiert verläuft", erklärte Mehltretter in einem Statement gegenüber unserer Zeitung. "Sie haben natürlich vollkommen Recht, dass das Thema an sich eine bundespolitische Einschätzung auf jeden Fall verdient hätte: Die Gesetzesinitiative, die vom SPD-geführten Bundesumweltministerium ausging, brauchen wir dringend, um eine anständige Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort auch bei landwirtschaftlichen Großbetrieben zu ermöglichen." Nur so könne man die rechtlichen Grundlagen schaffen, über Bauvorhaben wie das in Eschelbach demokratisch entscheiden zu können, so Mehltretter.

Die verschiedenen Aspekte des Projekts in Eschelbach zeigen seiner Meinung nach exemplarisch, "welche Probleme und Herausforderungen die Landwirtschaft, wie wir sie in vielen Bereichen betreiben, mit sich bringt; dass wir ein Umschwenken zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft brauchen, hat die Diskussion gestern eindrücklich gezeigt". Man muss dafür seiner Ansicht nach auf zwei Ebenen ansetzen.
 
Die eine Ebene sei der gesetzliche Rahmen, in dem diese Landwirtschaft stattfinde. "Wir brauchen eine vernünftige Anhebung der Mindeststandards, und zwar nicht einmalig, sondern in mehreren Stufen in den nächsten Jahren, sodass wir in zehn bis 15 Jahren allgemein verbindliche Regelungen haben, die wir ethisch dauerhaft vertreten können." Die andere Ebene beschreibe die individuelle Verantwortung, die jede Konsumentin und jeder Konsument beim Einkauf trage. "Nur, wenn wir uns besser bewusst werden über die kurz- und langfristigen Folgen unseres Konsums, werden sich auch die Verhältnisse bei den landwirtschaftlichen Betrieben angemessen entwickeln", so Mehltretter.
 
Bisherige Beiträge zum Thema:

"Alles eine Frage der Haltung" 

Petition soll Erweiterung der Hähnchenmast in Eschelbach verhindern

Hähnchenmast-Erweiterung in Eschelbach: Entscheidung erst 2017 

Nächtlicher Protest in Eschelbach

"Juristisch erneut auf sehr dünnem Eis"

Eschelbach: Mit Genehmigung der Hähnchenmast kann gerechnet werden 

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Brief aus Brüssel

Tausende Einwendungen gegen 145 000 Masthähnchen

"Ausbeutung von Tieren, Mensch und Umwelt" 

"Das wäre die größte Anlage in Bayern"

Widerstand gegen Hähnchenmast-Erweiterung

Hähnchenmast für 145 000 Tiere in Eschelbach?

Geflügelmast für 145 000 Tiere geplant


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