Der Halbbruder der ermordeten Zwölfjährigen wurde vor Prozessbeginn von der Polizei eingehend belehrt und nahm anschließend seine Drohungen zurück
Die Anklage: Zur Geisel genommen, missbraucht, ermordet
(ty) Die Sicherheitsvorkehrungen waren Aufsehen erregend, als heute um 9 Uhr vor der Schwurkammer des Landgerichtes Ingolstadt der Prozess gegen den 27-jährigen Stefan B. begann, dem unter anderem vorgeworfen wird, im Februar vergangenen Jahres die zwölfjährige Franziska aus Möckenlohe missbraucht und ermordet zu haben. Grund für die intensiven Leibesvisitationen, die Absperrungen und die Polizeistreifen rund um das Gerichtsgebäude war nicht der Übergriff im Gefängnis, bei dem Stefan B. von einem Mithäftling mit 17 Stichen verletzt worden war, sondern ernst zu nehmende Drohungen aus dem Umfeld des Opfers.
Deswegen wurde heute eineinhalb Stunden vor Prozessbeginn auch der Halbbruder der kleinen Franziska einer so genannten „Gefährderansprache“ unterzogen. Er hatte Drohungen gegen den Angeklagten ausgesprochen, hatte verkündet, dass ihm während der Verhandlung etwas zustoßen würde, hat sich aber heute nach dem Gespräch mit der Polizei davon distanziert. Er saß anschließend als Zuhörer im Gerichtssaal, verhielt sich – wie alle anderen Zuhörer auch – ruhig und diszipliniert. Die Eltern der kleinen Franziska indes waren dem Gericht ferngeblieben.
Vor dem Gerichtssaal hingegen hielt der eine oder andere Passant mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. „Der gehört verräumt, dann kann man sich den Prozess sparen und ihr bräuchtet nicht zu frieren, meine einer zu den Fotografen, die in eisiger Kälte auf die „Anlieferung“ von Stefan B. warteten. Und was er mit „verräumt“ meinte, das erschloss sich von selbst.
Drinnen im Gerichtssaal und im Foyer dagegen ließ sich niemand zu derartigen Äußerungen hinreißen. Es wimmelte vor Polizei und Justizbeamten und jeder Besucher musste zwei komplette Leibesvisitationen über sich ergehen und sich zudem per Ausweis erfassen lassen, bevor der den Gerichtssaal überhaupt betreten durfte.
Der erste Verhandlungstag war dann auch bereits zu Ende, kaum dass er begonnen hatte. Außer der Verlesung der Anklageschrift stand für heute nichts auf dem Programm. Denn Stefan B. will sich offenbar erst am zweiten Tag der Verhandlung, am 25. Februar, zu den Vorwürfen äußern. Was er von den Anschuldigungen einräumen wird, steht in den Sternen.
Die für den ersten Tag geplanten Zeugen waren allesamt ausgeladen worden. Grund dafür könnt es sein, dass angeblich neue Aussagen über den Tathergang den Angeklagten vorliegen. Ob die jedoch von ihm selbst stammen oder von Mithäftlingen von Stefan B., das konnte Gerichtssprecher Gerhard Reicherl nicht sagen. Angeblich hätten Mithäftlinge Details zum Tathergang zu Protokoll gegeben, die dann aber auch wieder nur vom Angeklagten selbst stammen können, die auf Hörensagen dessen basieren, was er im Knast erzählt hat. Anscheinend aber liegen in der Tat ernst zu nehmende Erkenntnisse vor, die auf Befragungen nach der Attacke auf Stefan B. in der Haftanstalt basieren. Und die will sein Verteidiger erst einmal in Ruhe auswerten.
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