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Trotz vielfältiger und massiver rechtlicher Bedenken ließ der Gemeinderat das Bürgerbegehren zu, das den bereits beschlossenen Rathaus-Neubau verhindern soll. Zwei Bürgerentscheide am 25. November.

Von Alfred Raths

Trotz erheblicher rechtlicher Bedenken hat am Mittwochabend der Reichertshofener Gemeinderat das kürzlich eingereichte Bürgerbegehren der Bürger-Initiative "Pro historisches Rathaus und Paarhalle" zur Verhinderung eines Rathaus-Neubaus am "Unteren Markt" für zulässig erklärt. Das Gremium folgte damit mehrheitlich einem Vorschlag von Bürgermeister Michael Franken (JWU) und setzte sich auch über Empfehlungen – unter anderem von der Rechtsaufsicht am Pfaffenhofener Landratsamt und vom bayerischen Gemeindetag – hinweg. Im Raum stehen offenbar falsche Tatsachen-Behauptungen im Text des Bürgerbegehrens. Ob die nun dennoch festgestellte Zulässigkeit juristisch angegriffen wird, ist indes offen. 

 

Das Bürgerbegehren lautet: "Beibehaltung und Sanierung des bestehenden Rathauses Reichertshofen in der Schloßgasse." Nach einem ellenlangen Vortrag mit detaillierten und juristisch ausformulierten Begründungen attestierte Rathaus-Geschäftsleiterin Christine Wachslander zwar die formelle, nicht jedoch die so genannte materielle Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens – wegen etlicher Formfehler. Unsere Zeitung hatte bereits im Vorfeld der Sitzung berichtet, dass erneut die Nicht-Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens in Reichertshofen im Raum steht.

Das Fazit der Verwaltung lautete jedenfalls: Die Begründung des Bürgerbegehrens sei sehr kurz gehalten, "die einzelnen Fragestellungen werden teilweise nicht begründet". Zur Sanierung des Rathauses – ein gewichtiger Teil der Fragestellung – würden in der Begründung keinerlei Aussagen getroffen. "Teile der Begründung, Größe und Geeignetheit des Grundstücks, sind sachlich unrichtig und können widerlegt werden." Es handle sich dabei "auch um kein Werturteil, sondern um eine falsche Tatsachen-Behauptung bei tragenden Elementen, Größe und Geeignetheit des Grundstücks". Die Begründung, so hieß es weiter, "ist irreführend".

 

"Es bestehen daher", so wurde weiter erklärt, "erhebliche Bedenken an der Zulässigkeit der Begründung." Wachslander bemerkte außerdem recht unmissverständlich: Auch eine nachträgliche inhaltliche Abänderung oder Korrektur der Begründung des Bürgerbegehrens komme nicht in Betracht, da sie die bereits in der Phase der Unterschriften-Sammlung liegende Beeinträchtigung der Abstimmungs-Freiheit nicht ungeschehen machen könne sowie den Willen der Unterzeichner des Bürgerbegehrens verfälschen würde: "Weil damit fingiert würde, dass sie die Unterschriften auch bei einer anderen Begründung geleistet hätten."

Nach Angaben der Verwaltungs-Mitarbeiterin waren Auskünfte zur Sache auch beim bayerischen Gemeindetag eingeholt worden. Von dort habe es geheißen, dass vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung, das Bürgerbegehren wegen unrichtiger, die Begründung tragender Tatsachen-Behauptungen – bezüglich Größe und Geeignetheit des Grundstücks – unzulässig sei. Die Rechtsaufsichts-Behörde am Pfaffenhofener Landratsamt, so Wachslander, habe ebenfalls erhebliche Bedenken an der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens, da "Teile der Begründung als sachlich unrichtig erscheinen". Und, so berichtete sie: "Mehrere Behauptungen erscheinen als sachlich falsch."

 

Laut Mitteilung aus der Gemeinde-Verwaltung geht es bei dem vom hiesigen SPD-Chef Wolfgang Freudenberger sowie von Karl Schweiger und Georg Hempel als Sprecher der Bürger-Initiative anvisierten Bürgerentscheid um folgende Fragestellung: "Sind Sie dafür, dass der Gemeinderats-Beschluss vom 16.01.2018, ein neues Rathaus auf dem 'Unteren Markt' zu bauen, aufgehoben wird, alle Planungen und Ausschreibungen für den Bau eines neuen Rathauses sofort gestoppt werden und das bestehende historische Rathaus in der Schloßgassse saniert und weiter als Rathaus genutzt wird?"

Die Zusammenfassung einer zusätzlich von der Kommune eingeholten rechtsanwaltlichen Stellungnahme lautet: Im Ergebnis sei festzustellen, dass erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens gemäß Artikel 18a der bayerischen Gemeindeordnung bestünden. Die Fragestellung des Bürgerbegehrens verstoße bereits gegen das Kopplungsverbot, da gleichzeitig für die Sanierung des historischen Rathauses und die Weiternutzung als Rathaus entschieden werden solle. Wer zu beiden Maßnahmen einen unterschiedlichen Standpunkt habe, werde durch die Koppelung der beiden Fragestellungen gezwungen, gegen seinen Willen die eigentlich von ihm nicht gewollte Maßnahme in Kauf zu nehmen – damit werde der abstimmungs-berechtigte Bürger unzulässig in seiner Abstimmungsfreiheit beeinträchtigt.

Außerdem fehle die nach Artikel 18a, Absatz 4, der Gemeindeordnung erforderliche Begründung für den gewichtigen Teil der Fragestellung, der auf die Sanierung des bestehenden Rathauses abziele. Einem Unterzeichner des Bürgerbegehrens erschlössen sich daher nicht die Grundzüge, aus welchen Gründen die Frage nach der Sanierung des bestehenden Rathauses zur Abstimmung vorgelegt werde. Noch schwerwiegender seien allerdings die Fehler bei der Begründung des Bürgerbegehrens im Zusammenhang mit der Darstellung der Gründe für den Fortbestand des bestehenden Rathauses. "Wir gehen davon aus, dass die Begründung mehrere unrichtige Tatsachen-Darstellungen enthält, die den abstimmberechtigen Bürger in wesentlichen Punkten in die Irre führt", wurde die Stellungnahme im Gemeinderat zitiert.

So werde – hieß es weiter – mit der Aussage, dass in dem geplanten Gebäude kein Sitzungs-Saal untergebracht werden könne, unzutreffend und irreführend suggeriert, dass das vorgesehene Grundstück am "Unteren Markt" für die Errichtung des neuen Rathauses zu klein sei. Darüber hinaus werde die Ungeeignetheit des Grundstückes aus topographischer Sicht und aufgrund des Untergrunds unzutreffend behauptet. Die Falsch-Information und Irreführung des abstimmungs-berechtigten Bürgers werde in diesem Zusammenhang noch dadurch verstärkt, dass in der Begründung verschwiegen werde, dass die Standfestigkeit des Untergrunds durch ein vorliegendes Gutachten bestätigt worden sei.

 

"Nach unserer Einschätzung", so wurde die anwaltliche Erkenntnis zitiert, "handelt es sich bei diesen Behauptungen auch nicht um bloße Befürchtungen oder Meinungen der Initiatoren des Bürgerbegehrens". In der Begründung fänden sich keine Anhaltspunkte, aus denen der stimmberechtigte Bürger schließen könne, dass es sich hierbei um bloße Befürchtungen und Meinungen und keine Tatsachen-Darstellungen handle.

Aufgrund der im Zuge der Prüfung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellten Fehler in der Fragestellung und wegen der teilweise fehlenden und zudem fehlerhaften Begründung des Bürgerbegehrens "halten wir es für rechtlich begründbar und vertretbar, die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens festzustellen", wurden die Anwälte zitiert. Aufgrund der festgestellten Mängel und Fehler des Bürgerbegehrens "bestehen Aussichten, dass im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit den Initiatoren des Bürgerbegehrens die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens bestätigt wird".

 

Die konsultierten Anwälte weisen allerdings – so hieß es weiter – auch darauf hin, dass wegen der nur vorläufigen und eingeschränkten Zulässigkeits-Prüfung Unsicherheiten blieben: Insbesondere wäre demnach noch umfassend und abschließend zu klären, ob und inwieweit belegt werden könne, dass es sich bei den Ausführungen in der Begründung des Bürgerbegehrens nachweislich um unzutreffende und irreführende Tatsachen-Behauptungen beziehungsweise Tatsachen-Darstellungen handle. Abzuwarten bleibe, ob die Initiatoren des Bürgerbegehrens belegen könnten, dass es sich bei den Ausführungen ihrer Begründungen nur um "Befürchtungen und nicht um die Darstellung von Tatsachen-Behauptungen handelt".

Nachdem die Gemeinde-Verwaltung die materielle Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellt hatte, folgte im Gemeinderat eine ausführliche Diskussion, an deren Ende sich elf Räte – gegen die CSU-Fraktion sowie gegen die Stimmen von Georg Pfab und Andrea Blößl (beide JWU) – für die Zulassung des Bürgerbegehrens aussprachen.

 

In einem weiteren Tagesordnungspunkt ging es um die Festlegung eines Termins für diesen Bürgerentscheid sowie um einen Termin für den vom Gemeinderat im Zuge eines Ratsbegehren ("Ja zum Zukunfts-Konzept für ein lebendiges, lebenswertes und attraktives Reichertshofen") anvisierten Bürgerentscheid, der unter anderem ebenfalls die Frage nach dem Bereits beschlossenen Rathaus-Neubau beinhaltet. Mehrheitlich wurde als Abstimmungs-Termin der 25. November dieses Jahres beschlossen.

Der örtliche SPD-Chef Wolfgang Freudenberger will sich als Sprecher der Bürger-Initiative am heutigen Donnerstag per Pressemitteilung zu den Abstimmungen und zur Sache selbst äußern, wie er gegenüber unserer Zeitung signalisierte.

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