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Gemeinderat will neues Rathaus am "Unteren Markt". Gegner möchten dort nun plötzlich auch gebaut wissen, aber kein Rathaus. Zwei Bürgerentscheide sollen den Weg weisen. 

Von Alfred Raths

Zwei Bürgerentscheide finden am 25. November in Reichertshofen statt. Dabei geht es im Wesentlichen um die Frage, ob ein neues Rathaus errichtet werden soll. Während die Fraktionen des Gemeinderats geschlossen für einen Neubau am "Unteren Markt" eintreten, macht sich eine Bürger-Initiative um den hiesigen SPD-Chef Wolfgang Freudenberger dafür stark, dass die kommunale Verwaltung weiterhin in dem historischen Gebäude untergebracht ist und dass eben kein neues Rathaus entsteht. Inzwischen haben beide Seiten im Rahmen von Info-Veranstaltungen ihre Argumente dargelegt und für ihre Positionen geworben. Es zeichnet sich ab: Gebaut werden soll am "Unteren Markt" – die Frage ist nur, für welche Nutzung. Wir fassen zusammen.

 

Nachdem die Bürger-Initiative "Pro historisches Rathaus und Paarhalle" bereits mehrere Informations-Abende veranstaltet hatte, fand gestern im Reichertshofener Schützenheim eine von drei Veranstaltungen statt, die von den Gemeinderats-Fraktionen von JWU, CSU, SPD und Freien Wählern veranstaltet werden. Unter der Überschrift "Schaffung eines Bürger- und Kultur-Zentrums durch Verlagerung der Gemeindeverwaltung" wurden dabei die Vorstellungen der Gemeinderäte und von Bürgermeister Michael Franken (JWU) erläutert, die deren Meinung nach das "Zukunfts-Konzept" für die Kommune sind.

 

Im Fokus der Debatte: Das Areal am "Unteren Markt".

Demnach soll das Areal "Altes und neues Schloss", also das Rathaus mit seinen Nebengebäuden, saniert sowie dann als Bürger- und Kultur-Zentrum genutzt werden. Die Gemeinde-Verwaltung, so das Ansinnen, soll in einem neu zu errichtenden Verwaltungs-Gebäude am "Unteren Markt" untergebracht werden. Dagegen hofft die Bürger-Initiative, dass möglichst viele Reichertshofener für ihren Vorschlag stimmen, eben kein neues Rathaus zu bauen. Wenn es nach Freudenberger & Co. geht, dann sollen alle diesbezüglichen Planungen und Ausschreibungen sofort gestoppt werden – stattdessen soll das bestehende Rathaus im ehemaligen Schloss saniert werden, um es auch weiterhin als Rathaus zu nutzen. Im Kern geht es also um die Standort-Frage in Sachen Rathaus. Und um die Frage nach der Unterbringung der Bücherei, die bislang in einem separaten Gebäude beheimatet ist.

https://www.youtube.com/watch?v=nHzWKEgKACQ

Bürgermeister Franken und Gemeinderäte werben in diesem Video für ihr Zukunfts-Konzept und erläutern es. Produziert wurde dieses Video nach eigenen Angaben auf Kosten der Fraktionen.

Der Gemeinderat, so erklärte Bürgermeister Franken immer wieder, habe sich in seinem Konzept – nach zahlreichen Workshops mit Bürgerbeteiligung – Anfang des Jahres geschlossen dafür entschieden, das derzeitige Rathaus und das dahinterliegende Haus der Vereine zu sanieren sowie künftig als Bürger- und Kulturschloss mit Erlebnis-Bibliothek und repräsentativen Räumen für Vereine, Behörde und Bürger zu nutzen. Außerdem solle auf dem seit Jahrzehnten brach liegenden Gelände am "Unteren Markt" an der Paar kein Wohn- oder Parkhaus entstehen, sondern ein architektonisch und städtebaulich ansprechendes, offenes Verwaltungs-Gebäude – sprich: Rathaus. Und zwar mit Bistro und Sitzgelegenheiten an dem beschaulichen Fluss. 

 

"Durch diese Maßnahmen soll das Marktzentrum belebt, gestärkt und zu einem bevorzugten und attraktiven Aufenthaltsort für Bürger und Gäste werden", hieß es bereits im Sommer in der Mitteilung aus der Gemeinde-Verwaltung. Durch den Neubau am "Unteren Markt" und die Sanierung des alten Rathauses können nach Dafürhalten des Bürgermeisters die drei größten Problemfelder, die sich aus den Bürgerbeteiligungen ergeben haben, "insgesamt wirtschaftlich gelöst werden". Erstens: "Ansprechende Gestaltung des Schandflecks 'Unterer Markt'." Zweitens: "Erhalt, Sanierung und Aufwertung des historischen Ensembles am Schlossberg." Drittens: "Vergrößerung und Attraktivitäts-Steigerung für die beengte und alte Bücherei." Über dieses Konzept sollen die Bürger im Zuge eines Ratsbegehrens abstimmen; das ist sozusagen ein vom Gemeinderat initiierter Bürgerentscheid.

 

Gestern beim Info-Abend der Gemeinderats-Fraktionen.

Neuerdings vertritt nun auch die Bürger-Initiative – die zunächst Hochwasser-Bedenken hatte – die Meinung, dass am "Unteren Markt" gebaut werden soll – nur halt kein neues Rathaus. Einem, wie berichtet, erst dieser Tage proklamierten Vorschlag der BI zufolge sollen hier eine Bücherei, ein Café und ein Bürgersaal errichtet werden. Allerdings ist dieser Bebauungs-Vorstoß nicht Bestandteil des Bürgerbegehrens, das Freudenberger & Co. erwirkt haben. Damit unterscheidet es sich vom Ratsbegehren, das – übereinstimmend mit dem BI-Vorschlag – zwar ebenfalls ein Café vorsieht, jedoch die Bücherei nebst Bürger- und Sitzungssaal, Vereinsräume und Trauzimmer auf dem Schloss-Areal verortet wissen will.

Im Zusammenhang mit den vom Gemeinderat anvisierten Maßnahmen ist – ohne Einbeziehung eventueller Zuschüsse für Denkmalschutz und aus der Städtebau-Förderung – von geschätzten Kosten in Höhe von 10,5 Millionen Euro die Rede. Rudolf Repper (CSU), gestern der Wortführer bei dem von den Gemeinderats-Fraktionen gemeinsam organisierten Info-Abend, rechnete vor, dass sich die Ausgaben für die Schloss-Sanierung durch die staatliche Städtebau-Förderung ungefähr um 3,6 Millionen Euro verringern würden und der Kommune somit Nettokosten von dann nur noch 6,9 Millionen Euro entstünden.

https://www.youtube.com/watch?v=APAKSuCG3qg

So könnte es ungefähr werden: Bürgermeister Franken veröffentlichte diese Studie zum Rathaus-Neubau am "Unteren Markt".

Dass man das Schloss-Gebäude in seiner Nutzung als Rathaus nicht als historisch bezeichnen könne, darauf wies Elisabeth Großmann (JWU)  hin: "Dieses Haus ist ein historisches Schulhaus", betonte sie. Der Dritte Bürgermeister Georg Link (Freien Wähler) ging unter anderem auf die Boden-Beschaffenheit am "Unteren Markt" ein. Demnach sei dort seit Jahrhunderten gebaut worden, der geplante Standort für die Rathaus-Neuerrichtung sei trocken. Es handle sich ab einer Tiefe von zwei bis drei Metern um besten Baugrund. Auch die Stellplatz-Verordnung werde eingehalten. Hintergrund dieser Einlassungen waren entsprechende Kritikpunkte der Bürger-Initiative.

An die bei den Bürgerentscheiden rund 6000 stimmberechtigten Reichertshofener richtete Ludwig Heigl (Freie Wähler) den Appell, ihre Stimme abzugeben. Denn wie in der bayerischen Gemeindeordnung festgelegt ist, ist in kleinen Kommunen über einen Bürgerentscheid nur dann entschieden, wenn die Mehrheit der Stimmen – egal, ob dafür oder dagegen – mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten beträgt. Ein Bürgerentscheid hat den Stellenwert eines Gemeinderats-Beschlusses und ist praktisch für ein Jahr bindend. Denn, so heißt es in der Gemeindeordnung: "Der Bürgerentscheid kann innerhalb eines Jahres nur durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden, es sei denn, dass sich die dem Bürgerentscheid zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage wesentlich geändert hat."

 

Auch Rudolf Repper (CSU) erläuterte die Pläne des Gemeinderats.

Bei der Diskussion im Zuge des gestrigen Info-Abends wurde von einer Zuhörerin daran erinnert, dass – wie auch immer die Entscheidung ausfalle – barrierefrei gebaut werden solle. Hinsichtlich der Kosten wurde die Frage laut, ob die Bürger unmittelbar daran beteiligt würden. Link erläuterte dazu: Es gebe kein Umlage-Verfahren wie etwa bei Kanalbau-Maßnahmen. Eine Teilnehmerin mahnte zum "Unteren Markt", das sei ein "gefährlicher" Standort für ein neues Rathaus – angesichts der vielen vorbeifahrenden Autos.

Das bisherige Rathaus.

Im Rahmen der Fragerunde wurde von den Gemeinderäten ein möglicher Baubeginn in den kommenden drei bis fünf Jahren prophezeit. Die Bücherei würde von derzeit etwa 235 Quadratmetern Nutzfläche auf dann mindestens 450 Quadratmeter vergrößert. Für Vereine mit Raumbedarf würden entsprechende Möglichkeiten geschaffen, man könne jedoch nicht jedem einzelnen Klub einen eigenen Raum anbieten. Gelder vom Denkmalschutz flössen nur für den denkmal-pflegerischen Mehraufwand, was in Summe nicht viel ausmachen würde.

Die Gemeinderats-Fraktionen veranstalten noch eine Info-Veranstaltung, und zwar am morgigen Freitag, 16. November, im Gasthof Fröhlich im Ortsteil Langenbruck. Beginn ist um 19 Uhr.

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