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Sowohl die Betreiber-Familie als auch der Freistaat Bayern haben Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt. Damit wird der Fall praktisch neu aufgerollt.

Von Tobias Zell

Das juristische Tauziehen um die riesige Hähnchenmast im Wolnzacher Ortsteil Eschelbach geht weiter. Im vergangenen Monat hatte das bayerische Verwaltungsgericht (VG) bekanntlich einer Klage des "Bund Naturschutz" (BN) stattgegeben und die Anlage für unzulässig erklärt; sie darf demnach nicht in Betrieb genommen werden. Das letzte Worte ist allerdings noch nicht gesprochen. Die Betreiber-Familie geht gegen das Urteil vor und auch der Freistaat Bayern hat Berufung eingelegt. Damit wird der Fall im Grunde neu aufgerollt.

Nach der Familie Höckmeier habe inzwischen auch der Freistaat Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München in Sachen Hähnchenmast-Anlage Eschelbach eingelegt, bestätigte ein Sprecher des Pfaffenhofener Landratsamts am späten Freitagnachmittag auf Anfrage unserer Zeitung. Am Freitag sei der letztmögliche Tag gewesen, dieses Rechtsmittel noch einzulegen. Nun wird sich der bayerische Verwaltungsgerichtshof mit der Frage nach der Zulässigkeit der  Anlage befassen müssen. 

"Wir gehen in Berufung, weil wir das Urteil für falsch halten", wird die Familie Höckmeier in einem von der "Süddeutschen Zeitung" veröffentlichten Beitrag zitiert. Das VG habe den Eingang der Berufung bestätigt. Dass auch der Freistaat in Berufung geht, dürfte nach Informationen unserer Zeitung wohl an der grundsätzlichen Bedeutung liegen, die der Entscheidung für die Landwirtschaft zugemessen wird. 

Das Pfaffenhofener Landratsamt hatte bei der Genehmigung der umstrittenen Anlage als Verwaltungsbehörde des Freistaats auch aufgrund einer positiven fachlichen Stellungnahme des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten unter Beteiligung des Landwirtschafts-Ministeriums entschieden. "Die Klage wird also nicht vom Landkreis erhoben, sondern vom Freistaat Bayern, vertreten durch die Landesanwaltschaft", erklärte ein Behörden-Sprecher gegenüber unserer Zeitung.

Der "Bund Naturschutz" in Bayern hatte – wie mehrfach berichtet – im August 2017 eine Klage gegen die Genehmigung der Hähnchenmast-Anlage für dann insgesamt 144 600 Tiere in dem Wolnzacher Ortsteil erhoben. In erster Instanz hatte das Münchner Verwaltungsgericht (VG) den eingereichten Eilantrag am 23. April vergangenen Jahres abgewiesen. Hiergegen hatte der BN dann Beschwerde zum bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) erhoben. Mit Beschluss vom 6. August vergangenen Jahres hatte der VGH auf die Beschwerde des BN hin einen Baustopp verfügt.   

Die vom Landratsamt – unter etlichen Auflagen – erteilte Genehmigung der Mast-Anlage für 144 600 Tiere wurde damit praktisch außer Vollzug gesetzt. Die Kreisbehörde erläuterte damals die Bedeutung der Entscheidung des bayerischen VGH so: "Ab sofort gilt für die bereits hergestellte Mastanlage ein Bau- und Inbetriebnahme-Stopp für den Betreiber bis zur Entscheidung in der Hauptsache." In diesem so genannten Hauptsache-Verfahren gegen den Neubau der Hähnchenmast-Anlage in Eschelbach hatte das Verwaltungsgericht zunächst seine Entscheidung noch vertagt. 

In dem Verfahren gegen den Neubau der Hähnchenmast-Anlage hatte der Betreiber dem "Bund Naturschutz" nach dessen Angaben im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 31. Januar vor dem bayerischen Verwaltungsgericht Mitte Februar noch ein Vergleichs-Angebot vorgeschlagen. Dieses beinhaltet den Angaben der Naturschützer zufolge die Reduktion des Tierbestands von 144 600 auf 119 600 Plätze sowie das Angebot, nach Ablauf der Pachtverträge einen Nachweis über den Fortbestand der entsprechenden Pachtflächen vorzulegen. Der BN hatte allerdings – wie berichtet – dieses Vergleichs-Angebot zurückgewiesen.

Nach eigenem Bekunden konnte der BN den vorgeschlagenen Vergleich, für den das Gericht eine Frist bis 15. März eingeräumt hatte, nicht akzeptieren. "Die Auswirkungen der Anlage auf die Luftbelastung und sensible Naturräume sind auch mit dem reduzierten Tierbestand erheblich", erklärte BN-Landesgeschäftsführer Peter Rottner.  Außerdem sei die Frage der Futterflächen-Berechnung für die Privilegierung dieser Masthähnchen-Anlage von grundsätzlicher Bedeutung und müsse gerichtlich geklärt werden. "Denn der Einsatz von Import-Soja in industriellen Tierhaltungs-Anlagen führt sowohl zu einer schädlichen Nitrat-Anreicherung in unserer Böden, als auch indirekt zu Umwelt-Problemen in den Export-Ländern durch Pestizid-Ausbringung und Regenwald-Abholzung", so Rottner.

Konkret habe der "Bund Naturschutz" in der mündlichen Verhandlung seine Auffassung vorgetragen, dass die Privilegierung für eine Baugenehmigung im Außenbereich nur dann erteilt werden sollte, wenn die tatsächliche Futter-Versorgung eines Betriebs auch weitgehend auf der Fläche des Betriebs erfolgen könne. Dies dürfe – so der BN – nicht auf der Basis von Weizen- und Mais-Erträgen berechnet und ohne die Verpflichtung auch zum tatsächlichen Anbau erfolgen, da die Privilegierung bäuerlichen Betrieben vorbehalten sein müsse. Auch der Eiweiß-Futtermittel-Anbau müsse in die Berechnung einfließen, forderte der BN.

Der BN vertrat bekanntlich die Ansicht, dass der im Genehmigungs-Antrag für die umstrittene Anlage ermittelte Flächenbedarf viel zu niedrig sei, um den überwiegenden Futterbedarf dieser Hähnchenmast-Anlage zu decken, damit die Tierhaltung als privilegiert gemäß Paragraf 35 des Baugesetzbuchs gelten könne. Denn, so wurde argumentiert: Angesetzt worden seien nur die Futter-Komponenten Weizen und Mais. Der BN bot in diesem Zusammenhang ein Gutachten auf, das belegen sollte, dass ohne die Berücksichtigung des Eiweiß-Futterbedarfs in Form von Soja-Anbau die überwiegende Futter-Versorgung nicht erbracht werden könne. 

Darüber hinaus kritisierte der BN unter anderem, dass der Eschelbacher Betrieb überwiegend auf Pachtflächen-Basis mit eher kurzen Vertrags-Laufzeiten wirtschafte, sodass nicht gewährleistet sei, dass diese für die Betriebsdauer der Ställe von etwa 20 bis 30 Jahren auch tatsächlich zur Verfügung stünden. 

Gerichtlich zu klären war beziehungsweise ist, ob die Anlage überhaupt im bauplanungs-rechtlichen "Außenbereich" errichtet werden darf – beziehungsweise durfte, denn sie ist ja praktisch fertig. Nach Recherchen des BN handelt es sich um eine der größten Anlagen dieser Art im Freistaat.

Letzter Stand: Die Hähnchenmast-Anlage in Eschelbach, die vom Landratsamt genehmigt worden war, ist unzulässig und darf nicht in Betrieb genommen werden. Das hatte das bayerische Verwaltungsgericht (VG) mit Urteil vom 22. März entschieden und damit der Klage des "Bund Naturschutz" stattgegeben. Nach Auffassung der 19. Kammer des VG München "ist die Masthähnchen-Anlage kein landwirtschaftlicher Betrieb im rechtlichen Sinne", hieß es in einer Pressemitteilung des Gerichts. Nur als solcher wäre die Anlage laut VG aber unter baurechtlichen Gesichtspunkten im so genannten Außenbereich zulässig.

"Um die an einen landwirtschaftlichen Betrieb geknüpften Voraussetzungen zu erfüllen, muss die Anlage über einen Zeitraum von etwa 30 Jahren über ausreichend viel landwirtschaftliche Fläche verfügen, um mehr als die Hälfte des anfallenden Futterbedarfs selbst erzeugen zu können", erklärte das Verwaltungsgericht. Dies habe das Gericht für die Masthähnchen-Anlage in Wolnzach-Eschelbach aufgrund ihres jährlichen Volumens von 1 084 500 Masthähnchen verneint. "Die erforderliche landwirtschaftliche Fläche konnten die Betreiber nicht nachweisen", so das Gericht.

"Die im Laufe des gerichtlichen Verfahrens abgegebene Erklärung der Betreiber, die Produktion um etwa 20 Prozent des genehmigten Produktions-Volumens zu reduzieren, um so eine geringere landwirtschaftliche Fläche vorhalten zu müssen, verhalf der Klage ebenso wenig zum Erfolg", hieß es weiter. Denn, so legte das bayerische Verwaltungsgericht dar: "Schließlich zielt diese Erklärung auf eine andere Genehmigung, die nicht Gegenstand dieses gerichtlichen Verfahrens ist."

Ferner ließ das Verwaltungsgericht wissen: "Nachdem die Anlage bereits baurechtlich nicht zulässig ist, brauchte das Gericht nicht zu entscheiden, ob die Anlage etwa aufgrund der Geruchs-Belästigung immissionsschutz- und naturschutz-rechtlich zulässig ist." 

Gegen dieses Urteil konnten die Anlagen-Betreiber sowie der Freistaat Bayern innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der vollständigen Entscheidungsgründe Berufung beim bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München einlegen. Und genau das haben beide Seiten jetzt getan. Der Prozess geht damit in die nächste Runde, der Fall wird praktisch neu verhandelt. 

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