Die Naturschützer klagen nicht nur gegen die Genehmigung an sich, sondern wollen nun zudem erreichen, dass erst einmal nicht weiter gebaut werden darf.
(ty) Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) klagt vor dem Verwaltungsgericht München gegen die vom Pfaffenhofener Landratsamt erteilte Genehmigung für die Erweiterung des Hähnchenmast-Betriebs im Wolnzacher Ortsteil Eschelbach auf bis zu 144 600 Tiere. Die Klage weise nach „dass die Abluft-Prognosen der Mastanlage bei der Genehmigung unterschätzt wurden, sowohl was multiresistente Keime angeht, als auch Gerüche und die Stickstoff-Belastung“. Heute reicht der BN nach eigenen Angaben zudem einen Eilantrag ein, mit dem der von der Kreisbehörde angeordnete sofortige Vollzug der Baugenehmigung angefochten wird. Sollte das Gericht dem nachkommen, würden die Bauarbeiten sofort gestoppt.
Zum Hintergrund. Vereinfacht gesagt, ist es so: Normalerweise hätte eine Klage aufschiebende Wirkung, was den Bau angeht. Aufgrund des vom Landratsamt verfügten Sofortvollzugs wurde diese aufschiebende Wirkung aber hinfällig, der Bauherr durfte mit Erteilung der Genehmigung sofort loslegen. Mit dem nun angekündigten Eilantrag des BN soll eben dieser Sofortvollzug angefochten werden. Gäbe das Gericht diesem Eilantrag statt, dann fiele der Sofortvollzug weg, die Klage hätte damit wieder aufschiebende Wirkung – und die Bauarbeiten wären praktisch sofort nach dieser Gerichts-Entscheidung zu stoppen.
„Über 8000 Unterschriften von Bürgern und Bürgerinnen, Hunderte schriftlich begründete Einwände, eine seit Januar immer noch offene Petition im Landtag, Warnungen der Trinkwasser-Versorger vor zu viel Nitrat, Gestank, drohender Wertverfall von Immobilien, Gefahren durch multiresistente Keime“, schreibt der BN in einer aktuellen Pressemitteilung – und doch habe das Landratsamt im Juli das Großprojekt in Eschelbach genehmigt. Wenngleich mit vielen Auflagen, wie berichtet.
Nach Recherchen des BN würde in Eschelbach die derzeit größte Anlage dieser Art im Freistaat entstehen, in der jährlich 1,2 Millionen Hendl binnen fünf Wochen auf Schlachtgewicht gebracht würden. „Was bedeuten 1,2 Millionen Hendl pro Jahr?“, fragt der BN – und liefert die Antwort gleich selbst: „21 Tiere drängen sich auf einem Quadratmeter. In der Halle mit zigtausenden von Hühnern ist es eng und laut. Der Stress macht aggressiv: Das Geflügel hackt sich gegenseitig blutig und reißt einander Federn aus.“
Zum Ablauf einer solchen Mast erklärt der Bund Naturschutz: „Würde man so etwas mit einem Menschen machen, wöge ein Baby mit einem Geburtsgewicht von 3500 Gramm im Alter von zehn Monaten 180 Kilo.“ Knochenwachstum, Sehnen und Gelenke kämen hier nicht mehr mit. „Das Jungtier mit der Masse eines wesentlich älteren Tieres kann nur unter Schmerzen laufen, eine eingeplante Verlustquote von zwei bis fünf Prozent stirbt einen langsamen Tod.“ Im Falle von Eschelbach liegt laut Analyse des BN die Zahl der Tiere auch noch „deutlich oberhalb der Besatzdichten, wie sie in der Fachliteratur für artgerechte Haltung empfohlen werden“.
Dieses Tierleid sei verbunden mit bedeutenden Nebenwirkungen: "Wir sehen erhebliche Gefahren für angrenzende Wälder sowie Geruchsbelästigungen und gesundheitliche Gefahren für die dort wohnende Bevölkerung", so BN-Landesgeschäftsführer Peter Rottner. Die Klage der Naturschützer weise nach, „dass die Abluft-Prognosen der Mastanlage bei der Genehmigung unterschätzt wurden, sowohl was multiresistente Keime angeht, als auch Gerüche und die Stickstoff-Belastung für einen benachbarten Feuchtwald – der sogar als Biotop geschützt ist“.
Der BN kritisiert auch den privilegierten Bau der Anlage, ergänzt der BN-Landesbeauftragte Richard Mergner. Die auf den landwirtschaftlichen Flächen des Hendl-Mästers erzeugten Rohstoffe kommen laut Bund Naturschutz großteils in eine Biogas-Anlage und können daher nicht gleichzeitig als überwiegende Futtergrundlage für das Geflügel dienen.
Vor diesem Hintergrund rechnet sich der BN laut heutiger Mitteilung gute Chancen aus, „Bayerns größte Hähnchenmast-Anlage auf dem Rechtsweg doch noch zu verhindern“. Da der Bau bereits begonnen wurde, reicht der Umweltverband am heutigen Donnerstag nach eigener Darstellung beim Verwaltungsgericht München zusätzlich zu der bereits laufenden Klage noch einen Eilantrag ein, mit dem der vom Landratsamt angeordnete sofortige Vollzug der Baugenehmigung angefochten wird. Wenn das Gericht dem nachkommt, hätte die Klage aufschiebende Wirkung.
Doch klagen koste Geld, schreibt der BN, und startet daher eine Spenden-Kampagne. Spenden werden erbeten auf das BN-Konto DE27 7002 0500 0008 8440 00
mit dem Stichwort „Klage Eschelbach“.
Das Aktionsbündnis „Mastanlagen-Widerstand“ hat bereits alle Anwohner und Bürger dazu aufgerufen, die Klage des BN finanziell zu unterstützen. „Solange diese Genehmigungsprozesse im Sinne einer kapitalistischen Profitlogik durchgeführt werden, sind Klageverfahren in diesem System ein notwendiges Mittel, um Widerstand gegen die Errichtung von Tierfabriken zu leisten und damit gegen die Ausbeutung von Tieren, Menschen und natürlicher Ressourcen aktiv vorzugehen“, hieß es dazu. „Mit der Erteilung des Genehmigungsbescheids haben die zuständigen Behörden erneut dem wirtschaftlichen Interesse eines einzelnen Mästers und der Fleischindustrie mehr Gewicht beigemessen als den berechtigten kritischen Bedenken der Allgemeinheit.“
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