Bayerischer Verwaltungsgerichtshof weist Beschwerde der Stadtverwaltung zurück. Rathaus meldet: Wahlunterlagen damit ungültig, die beiden Bürgerentscheide sollen verschoben werden. Stadtrat soll neue Beschlüsse fassen.
(ty) Die Stadt Pfaffenhofen und die Befürworter des rund 38 Hektar großen Gewerbe- und Industrie-Gebiets "Kuglhof II", das vor den Toren der Kreisstadt geplant ist, müssen einen weiteren Rückschlag hinnehmen. Zunächst hatte das Verwaltungsgericht in München das vom Stadtrat beschlossene Ratsbegehren ausgebremst und per einstweiliger Anordnung vorläufig untersagt, es weiter zu betreiben. Dagegen hatte die Stadt eine Beschwerde zum bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVHG) eingelegt. Wie jetzt ein Sprecher des BayVGH gegenüber unserer Zeitung erklärte, sei diese Beschwerde mit Beschluss vom heutigen Freitag zurückgewiesen worden. Somit bleibe es bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Laut Stadtverwaltung findet damit die für 2. April geplante Abstimmung über das Ratsbegehren und über den von den "Kuglhof II"-Gegnern erwirkten Bürgerentscheid nicht statt. Nun braucht es neue Wahlunterlagen, einen neuen Termin – und die Stadt braucht neue Formulierungen für ihr Ratsbegehren.
Eine Interessen-Gemeinschaft aus Bund Naturschutz (BN), ÖDP und der örtlichen Wähler-Gruppe "Gemeinsam für Gemeinwohl" (GfG) wendet sich gegen den "Flächenfraß" und will die Realisierung des besagten Gewerbe- und Industrie-Gebiets verhindern. Sie hatte nicht nur selbst einen Bürgerentscheid erwirkt, sondern sich auch per Eil-Antrag ans Verwaltungsgericht in München gewendet, um das vom Stadtrat beschlossene Ratsbegehren mit dem Titel "Wohlstand sichern, Klima schützen – Ja zum grünen Gewerbepark [Kuglhof] mit Südumgehung" zu stoppen, dessen Fragestellung lauten sollte: "Sind Sie dafür, dass die Stadt Pfaffenhofen an der llm den Bebauungsplan 'Kuglhof ll' für ein nachhaltiges Gewerbe-Gebiet mit Pfaffenhofener Südumgehung vorantreibt?" Angegriffen wurde hauptsächlich der Wortlaut; es ging dabei vor allem um den Zusammenhang mit der Südumgehung. Dieser juristische Schritt erwies sich als erfolgreich.
Gebot der Sachlichkeit und Ausgewogenheit
Das Verwaltungsgericht in München hatte diesbezüglich, wie berichtet, folgenden Beschluss gefasst: "Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, das Ratsbegehren 'Wohlstand sichern, Klima schützen – Ja zum grünen Gewerbepark [Kuglhof] mit Südumgehung' mit der Fragestellung 'Sind Sie dafür, dass die Stadt Pfaffenhofen an der Ilm den Bebauungsplan 'Kuglhof II' für ein nachhaltiges Gewerbegebiet mit Pfaffenhofener Südumgehung vorantreibt' weiter zu betreiben." Der rund 20-seitige Beschluss des Verwaltungsgerichts liegt unserer Redaktion vor. Das Verwaltungsgericht hatte zur Sache unter anderem erklärt: "Mit der konkreten Formulierung des Ratsbegehrens dürfte hier in einer dem Gebot der Sachlichkeit und Ausgewogenheit beziehungsweise den Anforderungen an einen fairen Verfahrens-Ablauf widersprechenden Weise auf die Abstimmungsfreiheit eingewirkt werden."
Zur Einordnung dieser Entscheidung war erklärt worden: "Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur dann in Betracht, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden können." Auch das geht aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts hervor. Gemessen an den Anforderungen "haben die Antragsteller sowohl den Anordnungsgrund als auch den Anordnungsanspruch auf vorläufige Nichtdurchführung des auf dem Ratsbegehren beruhenden Bürgerentscheids glaubhaft gemacht". Einen ausführlichen Bericht dazu lesen Sie hier: Ratsbegehren zu "Kuglhof II" ist vom Verwaltungsgericht vorerst gestoppt.
Erneuter Dämpfer für die Verwaltung
Die von der Pfaffenhofener Stadtverwaltung nach eigenem Bekunden "umgehend" eingereichte Beschwerde zum bayerischen Verwaltungsgerichtshof war laut heutiger Entscheidung des BayVGH ohne Erfolg – sie wurde zurückgewiesen. Die schriftliche Begründung dieses heutigen Beschlusses werde in der nächsten Woche bekannt gegeben, kündigte ein BayVGH-Sprecher gegenüber unserer Zeitung an. Für die Stadtverwaltung ist das ein erneuter herber Dämpfer. Sie fasste heute per Presse-Mitteilung zusammen: "Durch die Entscheidungen des bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. März 2023 und des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. März 2023 wurde das vom Stadtrat am 19. Januar 2023 beschlossene Ratsbegehren zum Gewerbe-Gebiet 'Kuglhof II', das die Formulierung 'mit Südumgehung' verwendet, beanstandet."
Das Ratsbegehren war laut Schilderung der Stadtverwaltung im Januar "mit der von der Stadt beauftragten, in einschlägigen Verfahren renommierten Münchner Fachanwaltskanzlei abgestimmt und dem Stadtrat im Anschluss daran vorgelegt worden". Das Gremium folgte bekanntlich mit überwältigender Mehrheit dem Vorschlag der Stadtverwaltung. Im Rathaus muss man jetzt die aus Verwaltungs-Sicht offenbar völlig überraschende juristische Niederlage einräumen: "Wider Erwarten und entgegen der Meinung der städtischen Rechtsvertretung", so heißt es wörtlich, habe die Verwaltungs-Gerichtbarkeit der Stadt untersagt, das besagte Ratsbegehren weiter zu betreiben.
So geht es jetzt weiter
Zu den konkreten Folgen und zum weiteren Vorgehen erklärte die Stadtverwaltung in der heutigen Presse-Mitteilung: "Die ursprünglich für den 2. April 2023 vorgesehene Abstimmung über dieses Ratsbegehren zusammen mit dem Bürgerbegehren 'Stoppt den Flächenfraß – Kein Gewerbe-Gebiet Kuglhof II' findet also nicht statt. Die bisherigen Wahlunterlagen sind damit ungültig und sollten nicht weiter verwendet werden. Die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger werden neue Wahlunterlagen erhalten." Der Stadtrat werde in seiner nächsten Sitzung am kommenden Donnerstag, 23. März, "den neuen Abstimmungs-Rahmen" bestimmen.
Neben der Entscheidung über eine "angepasste Fragestellung für ein Ratsbegehren", habe das Stadtrats-Gremium insbesondere einen neuen Termin für die Abstimmung festzulegen. Diese habe, so wird unter Berufung auf die bayerische Gemeinde-Ordnung erklärt, "unverzüglich im Anschluss an das ursprüngliche Ende der Dreimonats-Frist aus Art. 18a GO Abs. 10 stattzufinden; bei der Terminbestimmung ist gleichzeitig die regelkonforme Vorbereitung und Durchführung der Abstimmungen zu sichern, insbesondere die rechtzeitige Zuleitung der neuen Abstimmungs-Unterlagen an die Abstimmungs-Berechtigten".
Die Grundsatz-Frage bleibt
Die grundsätzliche Frage, die letztlich von den Bürgerinnen und Bürgern beantworten werden soll, bleibt freilich: Soll in Pfaffenhofen ein neues Gewerbe- und Industrie-Gebiet mit einer Größe von fast 38 Hektar entstehen? Darüber hätten die Bürger eigentlich am 2. April abstimmen sollen. Der Stadtrat hatte die Weichen für zwei Bürgerentscheide gestellt und den genannten Termin dafür festgelegt – der nun hinfällig ist. Das Gremium selbst genehmigte sich das Ratsbegehren mit dem Titel "Wohlstand sichern, Klima schützen – Ja zum grünen Gewerbepark [Kuglhof] mit Südumgehung" und reagierte damit auch auf den Widerstand der Interessen-Gemeinschaft. Auf dieses Ratsbegehren, über das in einem der beiden Bürgerscheide abgestimmt werden sollte, beziehen sich die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts München und des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs.
Außerdem war vom Stadtrat das von der Interessen-Gemeinschaft aus BN, ÖDP und GfG initiierte Bürgerbegehren "Stoppt den Flächenfraß – Kein Gewerbe-Gebiet Kuglhof II" für zulässig erklärt worden. Für nicht zulässig befunden worden war dagegen vom Stadtrat das zweite Bürgerbegehren der Interessen-Gemeinschaft: "Keine Straße durch den Schindelhauser Forst." Die Fragestellung dazu lautete: "Sind Sie dafür, dass der Stadtrat bezüglich der Trassen-Führung für die Südumgehung bei seinem Beschluss vom 23. Oktober 2014 bleibt und dadurch verhindert, dass das Naherholungs-Gebiet Schindelhauser Forst durchschnitten wird?"
Frage der Zuständigkeit
Das Stadtrats-Gremium folgte damals den umfangreichen Ausführungen der Stadtverwaltung, wonach dieses Bürgerbegehren "wegen seiner fehlerhaften – eine Irreführung der Unterzeichner hervorrufenden – Begründung" unzulässig sei. Dazu wurde unter anderem dargelegt, dass sich die Fragestellung auf die "Ortsumgehung Pfaffenhofen" beziehe, die als Staatsstraße 2045 in den ausschließlichen Zuständigkeits-Bereich des Freistaats Bayern falle.
Dagegen vertrat man von städtischer Seite selbstbewusst die Auffassung, dass beim Ratsbegehren sehr wohl ein Bezug zur Südumgehung hergestellt werden dürfe – wie sich dann auch in der Fragestellung für den daraus resultierenden Bürgerentscheid niederschlug: "Sind Sie dafür, dass die Stadt Pfaffenhofen den Bebauungsplan 'Kuglhof II' für ein nachhaltiges Gewerbe-Gebiet mit Pfaffenhofener Südumgehung vorantreibt?" Unter anderem diese Formulierung führte nun offenbar dazu, dass eben dieses Ratsbegehren gerichtlich gestoppt wurde.
Irreführende Fragestellung?
Der Gemeinde sei es versagt, durch eine irreführende Fragestellung möglicherweise das Abstimmungs-Ergebnis zu verfälschen, hatte das Verwaltungsgericht bekanntlich dargelegt. Die sowohl in der Überschrift als auch in der Fragestellung des Ratsbegehrens enthaltene Bezugnahme auf die "Südumgehung" stellt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts eine Formulierung dar, durch welche die Entscheidungsfreiheit der Bürger bei der Abstimmung beeinträchtigt werden und damit auch die Erfolgsaussichten des anderen Bürgerbegehrens geschmälert werden dürften.
Mit der Aufnahme der Begriffe "Südumgehung" beziehungsweise "Pfaffenhofener Südumgehung" sowohl in Überschrift als auch Fragestellung sowie der engen sprachlichen Verknüpfung ("mit") dieser Begriffe mit dem geplanten Gewerbepark beziehungsweise Gewerbe-Gebiet dürfte aus Sicht des Gerichts der geplanten Umgehungsstraße eine Bedeutung und ein Zusammenhang mit dem geplanten Gewerbe-Gebiet zugemessen werden, der ihr tatsächlich nicht zukomme.
Falscher Eindruck?
"Sowohl mit der Überschrift als auch der Fragestellung" wird aus Sicht des Verwaltungsgerichts "der Eindruck vermittelt, dass es sich bei der Südumgehung um einen wesentlichen Projektteil des 'Gewerbeparks' handelt und der Abstimmende, wenn er sich für die 'Südumgehung' aussprechen möchte, auch zugleich für den 'Gewerbepark' stimmen muss". Ferner stellte das Gericht klar, dass Planung und Bau der Ortsumgehung durch den Freistaat erfolgen – unabhängig davon, ob die Stadt den Bebauungsplan für "Kuglhof II" weiterverfolgt oder nicht.
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