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Vor den Bürgerentscheiden am 7. Mai in Pfaffenhofen: Parteien und Gruppierungen erklären ihre Sichtweise und legen ausführlich ihre Argumente dar. Auftakt der Serie.

(ty) Soll vor den Toren der Kreisstadt das knapp 38 Hektar große Gewerbe- und Industrie-Gebiet "Kuglhof II" entstehen? Über diese Frage haben am Sonntag, 7. Mai, die Pfaffenhofener im Rahmen von zwei Bürgerentscheiden abzustimmen. Eine Interessen-Gemeinschaft aus Bund Naturschutz (BN), ÖDP und der Wähler-Gruppe "Gemeinsam für Gemeinwohl" (GfG) will das Vorhaben unter dem Motto "Stoppt den Flächenfraß" verhindern. Die große Mehrheit des Stadtrats macht sich dagegen für die Realisierung von "Kuglhof II" stark und wirbt im Sinne von "Wohlstand sichern, Klima schützen" für einen "grünen Gewerbepark". Unsere Zeitung gibt im Vorfeld der Abstimmung den Parteien und Gruppierungen die Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge noch einmal darzustellen und ihre Argumente darzulegen. Zum Auftakt lesen Sie die Ausführungen des ÖDP-Kreisverbands im Wortlaut.

Zwei Fragestellungen, ein Thema:

Wie mehrfach erläutert, gibt es am 7. Mai in Pfaffenhofen zwei Bürgerentscheide zu einem kontrovers diskutierten Thema. Einer findet auf Initiative des Stadtrats statt – und zwar auf Grundlage eines von dem Gremium mehrheitlich abgesegneten Ratsbegehrens, dessen Formulierung vor dem Hintergrund von Gerichts-Entscheidungen zuletzt noch einmal geändert werden musste. Der zweite Bürgerentscheid wurde von der genannten Interessen-Gemeinschaft durch ein Bürgerbegehren erwirkt. Die beiden Bürgerentscheide lauten wie folgt:

  • "Wohlstand sichern, Klima schützen – Ja zum grünen Gewerbepark Kuglhof" (Ratsbegehren) mit der Fragestellung: "Sind Sie dafür, dass die Stadt Pfaffenhofen an der Ilm den Bebauungsplan 'Kuglhof II' für ein nachhaltiges Gewerbe-Gebiet vorantreibt?"
  • "Stoppt den Flächenfraß – Kein Gewerbe-Gebiet 'Kuglhof II'" (Bürgerbegehren) mit der Fragestellung: "Sind Sie dafür, dass die Stadt Pfaffenhofen an der Ilm alle Planungen für ein weiteres Gewerbe-Gebiet 'Kuglhof II' an der Äußeren Moosburger Straße beendet und diese Fläche in der landwirtschaftlichen Nutzung belässt?"

Statement des ÖDP-Kreisverbands im Wortlaut:

"Acht Gründe warum 'Kuglhof 2' Pfaffenhofen schadet 

1. Alles hat einen Preis

Wenn eine Kommune Gewerbe und Industrie ansiedeln lässt, bekommt sie sozusagen als Entschädigung einen Teil der Gewerbesteuern. Sie wird reicher an finanziellen Möglichkeiten, aber sie zahlt mit ihrer Schönheit, Sauberkeit, Identität und Heimatverbundenheit. Sie zahlt mit mehr Verkehr, mehr Wasser- und Energieverbrauch, Lärm und anderen Emissionen. Durch das Wachstum steigen die finanziellen Belastungen für technische Infrastrukturen, für Unterhalt und Pflege von Straßen, Grünanlagen, Ausgleichsflächen, Wasserrückhaltung, Wasservorhaltung, Wasserreinigung. Auch die Kosten für die Verwaltung, sowie für das Vorhalten sozialer Infrastrukturen, wie zum Beispiel Schul- und Kindergarten-Gebäude und -Personal steigen. Das belastet die kommunalen Haushalte erheblich und verursacht Kosten, die von der Gemeinschaft getragen werden müssen. Manchmal ist es notwendig, diesen Preis zu zahlen. Aber die Entscheidungsträger sollten sich und auch den Bürgerinnen und Bürgern bewusst machen, welche Kosten da auf sie zukommen. Mit steigenden Gebühren-Belastungen ist zu rechnen.

2. Es ist riskant

Wir leben in Krisenzeiten. Die Klimakrise und der Schwund der Artenvielfalt sind sicher die elementarsten. Jedoch auch Finanz-, Wirtschafts-, und Globalisierungs-Krisen, Kriege, Ressourcen-Mangel und Katastrophen-Risiken nehmen offensichtlich zu. Jetzt mit vielen Millionen in 'Kuglhof 2' in Vorleistung zu gehen, ist nicht ungefährlich für die Stadt. Vorsichtigere kleinere flexiblere Schritte wären angebracht, wenn man ins Ungewisse geht. Konsolidieren statt expandieren wäre angemessen.

3. Lebensgrundlagen werden zerstört.

38 Hektar ist ungefähr die durchschnittliche Größe eines bayerischen Bauernhofs. Aber nicht nur die Lebensgrundlage einer Bauernfamilie wird zerstört. Es geht um die Lebensgrundlagen von uns allen. Die Flächen am Kuglhof gehören zu den fruchtbarsten im Stadtgebiet und bringen auch in trockenen Sommern zuverlässig gute Ernten. Von einem Hektar Ackerland kann man im Durchschnitt 40 Tonnen Kartoffeln oder 7,5 Tonnen Weizen oder drei Tonnen Raps für 1600 Liter Speiseöl ernten. Oder Mais als energiereiches Futter für unsere Nutztiere. Auch den Hopfen wollen wir in Zukunft nicht aus China importieren müssen. Die Bauern sind zu Recht aufgebracht, wenn ihre Äcker für ökologisch wertlos erklärt werden.

Zum Beispiel heißt es in der aktuellen Nachhaltigkeits-Strategie Bayerns: 'Die zunehmende Versiegelung vormals unbebauter Flächen stellt einen großen Eingriff in den natürlichen Wasserhaushalt, besonders in die Grundwasser-Neubildung dar. (...) Versiegelte Böden speichern und filtern kaum Wasser, beeinflussen das Lokalklima nachteilig und binden kaum Feinstaub. Geschädigte und überbaute Böden stehen der Land- und Forstwirtschaft für eine nachhaltige Lebensmittel- und Rohstoff-Produktion und damit die Versorgungs-Souveränität allenfalls eingeschränkt zur Verfügung, führen zum Verlust bayerischer Kultur- und Erholungs-Landschaft und können Grundwasser und Gesundheit gefährden. Es gilt daher, die Flächen-Inanspruchnahme deutlich zu reduzieren und nutzungsbedingte Schädigungen von Böden zu vermeiden.'

Theoretisch sind die negativen Auswirkungen des Flächenfraßes schon lange auch in der Politik bekannt. Ständig wird von allen politischen Seiten zum Flächensparen aufgerufen. 

Boden ist im wahrsten Sinne des Wortes Lebensgrundlage für alle Lebewesen. Statt Fläche zu verbrauchen, sollte man sie daher entwickeln, wie es zum Beispiel die Pfaffenhofener Boden-Allianz vorbildlich tut. Nachhaltigkeit bedeutet, dass man nur so viel verbraucht, wie nachwächst. Boden wächst nicht nach. Auch nicht in Pfaffenhofen. Jeder Quadratmeter ist ein Schatz! Haben wir es wirklich nötig unsere besten Böden herzugeben, unser Tafelsilber? Die Verantwortlichen müssen endlich vom Reden ins Tun kommen und den Flächenfraß stoppen! So verschwenderisch wie bisher mit unseren Lebensgrundlagen zu wirtschaften geht an den Herausforderungen der Zeit total vorbei.

4. Optimum überschritten

Es gibt für alles eine optimale Größe. Ein Weiterwachsen darüber hinaus ist ungesund. Pfaffenhofen hat in den letzten Jahren nach 'Kuglhof I' zusätzliche gewerbliche Flächen an der Trabrennbahn, am Sandkrippenfeld I und II, am Eco-Quartier und in der Posthofstraße ausgewiesen. Auf allen diesen Flächen war für die aussiedlungswilligen Unternehmen anscheinend nichts Passendes dabei. Die derzeit 170 Hektar Industrie- und Gewerbe-Gebiete würden durch 'Kuglhof II' um 22 Prozent anwachsen. Moderates Wachstum kann man das nicht mehr nennen. Auch weltweit hat das Wirtschafts-Wachstum das gesunde Maß bereits deutlich überschritten und wir sehen und spüren deutlich die Folgen. Die Wissenschaft ist sich einig: Stopp! Wir dürfen nicht weiterwachsen! Aber Pfaffenhofen gibt Gas. Die einzigen, die in einer begrenzten Welt an unbegrenztes Wachstum glauben, sind die Narren und die Ökonomen.

5. Die Zukunft verbaut?

Die Stadt argumentiert für den Standort am Kuglhof, weil es 'das letzte Gebiet auf städtischem Grund ist, wo ein größeres Industrie- und Gewerbe-Gebiet möglich ist'. Wir sagen: Genau deshalb dürfen wir es nicht bauen! Wenn es tatsächlich die letzte Möglichkeit ist, sollten wir sie unseren Kindern und Enkeln nicht auch noch wegschnappen. Ob unsere Nachkommen dankbar sein werden, wenn wir 2023 beschließen, ihre Lebensgrundlagen und gleichzeitig ihre Entwicklungs-Möglichkeiten zu dezimieren?

6. Und es wird noch heißer

Wenn Flächen unter Asphalt oder Gebäuden versiegelt werden, entsteht eine riesige Menge CO2. Die energie-fressende Herstellung von Beton ist für zehn Prozent des weltweit ausgestoßenen Kohlendioxid verantwortlich. Recycling-Beton hilft zwar ein bisschen, Rohstoffe zu sparen, vor allem Kies, doch die CO2-Bilanz wird dadurch nicht wesentlich verbessert. Auf Ackerböden dagegen kann man durch Humus-Aufbau ganz natürlich CO2 aus der Luft im Boden speichern, ganz ohne Zukunfts-Technologie. Im Schnitt sind in einem Hektar Ackerboden etwa 95 Tonnen Kohlenstoff gespeichert. Noch sind die unversiegelten Flächen am Kuglhof ein so genanntes Kaltluft-Gebiet. Sie versorgen Teile der Stadt in heißen Sommernächten mit Kühle.  Über versiegelten Flächen heizt sich die Luft jedoch zusätzlich auf. 'Kuglhof II' macht die Flächen vom Klimakühler zum Klimakiller.

7. Mehr Verkehr

Mehr Arbeitsplätze, mehr Produktion und mehr Unternehmen bedeutet mehr Zufahrts-Verkehr, mehr Liefer-Verkehr, auf Jahre hinaus zusätzlicher Baustellen-Verkehr. Und das zu einem guten Teil durch die beiden einzigen Bahn-Unterquerungen an der Moosburger und der Weiherer Straße. Die Bewohner der Ostviertel der Stadt stöhnen jetzt schon unter der immensen Last des Verkehrs. Da nützt die gute Autobahn-Anbindung nur teilweise, denn der Verkehr geht erfahrungsgemäß in alle Richtungen. Wie in diesen engen und verkehrsreichsten Straßen innerorts Radwege verwirklicht werden können, ist noch ein Geheimnis der Stadt-Verantwortlichen. 

Für die ersehnte Südumgehung sollte man eine ökologischere Trasse finden, vielleicht an der Hochspannungs-Leitung entlang zur Äußeren Moosburger Straße, die man laut Auskunft vom Straßenbauamt durchaus verbreitern und als Umgehung mitnutzen könnte. Die im Plan zu 'Kuglhof II' vorgesehene Trasse zerstört die artenreichen Lebensräume am Waldrand und trennt mit einer breiten und tiefen Schneise eine Waldnase vom Schindlhauser Forst ab. Mit der Ruhe im Wald ist es dann zumindest ein Stück weit vorbei. Ob und wann die Trasse kommt, steht noch in den Sternen. Die Stadt hat jedenfalls keinen Einfluss darauf, denn es ist ein Projekt des bayerischen Staates. Auf Hettenshausener Grund stehen noch nicht mal die benötigten Grundstücke zur Verfügung. Man kann nur hoffen.

8. Der Druck auf den Wohnungsmarkt wird steigen

'Mehr Wohnraum' verspricht die Werbung für 'Kuglhof II'. Weil Betriebe aus dem Stadtgebiet nach draußen verlagert werden sollen. Auf den dann freien Flächen sollen Wohnblöcke entstehen. Gleichzeitig werden in 'Kuglhof II' nach und nach angeblich bis zu 3000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Nur wenige der jetzigen Auspendler werden ihre jetzigen Arbeitsstellen aufgeben wollen und in 'Kuglhof II' einen adäquaten Ersatz finden. Weil Facharbeiter-Mangel und Arbeitskräfte-Mangel auch in den nächsten Jahren aufgrund des demographischen Wandels eher zunehmen werden, können diese zusätzlichen Stellen nicht mit hiesigen Arbeitnehmern besetzt werden. Pendler werden kommen müssen. Sie werden mit ihren Familien Wohnungen in der Nähe suchen. Am besten in Pfaffenhofen. Der Druck auf den Wohnungsmarkt wird steigen. Und damit auch die Preise.

Fazit

Wir halten 'Kuglhof II' für riskant und in vieler Hinsicht nachteilig für die Stadt. Das 'Bündnis für nachhaltiges Wirtschaften' verspricht den Pfaffenhofenern das Blaue vom Himmel herunter: Alle Probleme werden durch noch mehr Wachstum gelöst werden und 'Kuglhof II' wird ein Paradiesgarten. Die Werbe-Kampagnen dazu sind offensichtliches Green-Washing. Die Mehrheit im Stadtrat will 'Kuglhof II' auf Biegen und Brechen umsetzen. Der Platzbedarf ist ein altes Problem und soll in althergebrachter Manier mit Flächenfraß gelöst werden.

Die Stadträte haben in den vergangenen Jahren viele gute Entscheidungen getroffen und der Stadt einen guten Ruf in Sachen Ökologie erworben. Wir ehren diese Leistung ausdrücklich. Aber ebenso ausdrücklich weisen wir darauf hin, dass dieser Ruf mit 'Kuglhof II' auf dem Spiel steht. Ein Gewerbe- und Industrie-Gebiet ist in dieser Größe nicht notwendig und auf fruchtbarem Boden widersinnig. Mit einem Stopp der Planungen durch den Bürgerentscheid geben wir den Verantwortlichen der Stadt die Chance, das Projekt nochmal zu überdenken und ernsthaft und kreativ über alternative Lösungen nachzudenken."

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