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Kripo und Landratsamt ermitteln nach Antifaschisten-Demo in Winden: Linksjugend spricht von Schande für die demokratische Kultur, bezichtigt die Medien einer Kampagne und unterstellt Bürgern, den Nährboden für den Brandanschlag auf die künftige Asylbewerber-Unterkunft bereitet zu haben

(ty) Antifaschisten, die an einer Mahnwache nach dem Brandanschlag auf die künftige Asylbewerber-Unterkunft im Reichertshofener Ortsteil Winden am Aign teilgenommen haben, fühlen sich als Opfer „einer Kampagne, die den Ungeist unter der Oberfläche Oberbayerns enthüllt“. So formuliert es Sebastian Schuller, der Sprecher der Linksjugend Ingolstadt, in einer Mitteilung an die lokalen Medien, denen er zugleich vorwirft, sie würden gegen die Antifaschisten hetzen. Dem Pfaffenhofener Landratsamt und der Lokalpolitik unterstellt Schuller, sie würden versuchen, das Engagement der Demo-Teilnehmer zu kriminalisieren.

In der Nacht zum 16. Juli war auf die künftige Asylbewerber-Unterkunft in Winden ein Brandanschlag verübt worden. Zwei Tage später rief „La Resistance – Antifaschistische Gruppe Ingolstadt“ (kurz: Lara) zu einer „Spontankundgebung“ im Sinne einer Mahnwache vor dem ehemaligen Gasthof Däuber auf, wo das Nebengebäude komplett ausgebrannt war. Im Nachgang dieser Demo ermittelt nun das Landratsamt – denn sie hätte nach dem bayerischen Versammlungsgesetz vorher angezeigt werden müssen, wie die Kreisbehörde mitteilte. Außerdem ermittelt die Kripo wegen eines von „Lara“ verteilten Flugblatts, in dem den Windenern eine Mitverantwortung an dem Anschlag vorgeworfen wird. 

Geldbuße möglich

„Zirka 20 Personen versammelten sich vor dem ehemaligen Gasthof Däuber angeblich spontan, um gegen den Brandanschlag gegen die geplante Asylbewerber-Unterkunft zu demonstrieren, heißt es aus dem Landratsamt. „Es wurden Fahnen und Transparente mitgeführt, ferner Flugblätter verteilt.“ Nach Ansicht der Behörde handelte es sich um eine geplante Demonstration, die die Veranstalter nach dem bayerischen Versammlungsgesetz mindestens 48 Stunden vorher bei der Kreisbehörde hätten anzeigen müssen. Das Landratsamt hat daher ein Ermittlungsverfahren nach dem Ordnungswidrigkeiten-Gesetz eingeleitet und erklärt. „Sofern der Organisator der Veranstaltung ermittelt werden kann, kann gegen diesen eine Geldbuße verhängt werden.“

Die Gruppe „Lara“ ist aber – wie berichtet – nicht nur ins Visier der Pfaffenhofener Kreisbehörde geraten, sondern auch der Ingolstädter Kripo. Und sie hat sich den Unmut mancher Windener zugezogen. Denn denen wurde in dem besagten Flugblatt recht unmissverständlich unterstellt, sie seien mitverantwortlich für den Brandanschlag. Wörtlich heißt es: „Den Boden für Brandsätze haben auch diejenigen bereitet, die vorm ,Däuber’ und in ihren Grundstücken Schilder aufgestellt haben, dass man nicht ,so viele’ Flüchtlinge in Winden aufnehmen wolle! Den Boden haben jene so genannten ,besorgten Bürger’ bereitet, die anstatt auf nüchterne und sachliche Information, auf ,Dorfgespräch’ und Stimmungsmache gesetzt haben! Mitverantwortung tragen auch die, die zwar mit dieser Hetze nicht einverstanden waren, aber nicht dagegen aufgestanden sind!“ 

"Die (geistigen)Brandstifter von Winden!"

Außerdem ist auf dem Flugblatt ein großes Foto zu sehen, das offenbar bei der Kundgebung im März vor dem Reichertshofener Rathaus entstanden ist, als rund 130 Bürger gegen die ursprünglichen Pläne demonstrierten, wonach in dem ehemaligen Pensions-Gasthaus Däuber rund 130 Flüchtlinge einquartiert werden sollten. Zu sehen sind auf dem abgedruckten Foto gut ein Dutzend Teilnehmer dieser Kundgebung, teils mit Protest-Schildern in der Hand. Direkt in das Bild – also mit klarem Bezug zum Motiv – haben die Verfasser des Flugblatts geschrieben: „Die (geistigen) Brandstifter von Winden!“

Wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord gegenüber unserer Zeitung bestätigte, haben sechs Leute Anzeige aufgrund dieses Flugblatts erstattet – wegen Beleidigung und übler Nachrede. Die Ermittlungen der Kripo diesbezüglich laufen. 

Das provokante Flugblatt von "La Resistance – Antifaschistische Gruppe Ingolstadt".

Angesichts dieser Entwicklung meldet sich jetzt die Ingolstädter Linksjugend zu Wort. In einer Pressemitteilung mit der Überschrift: „Landratsamt Pfaffenhofen verfolgt Antifaschisten – Lokalmedien hetzen eifrig mit.“ Eingangs dieser Mitteilung wird noch einmal auf den Brandanschlag verwiesen, weiter heißt es: „Zuvor hatte es in dem Ort eine ,Bürgerbewegung’ gegen die Unterbringung von 160 Asylsuchenden gegeben. Dabei wurde, anstatt die Asylpolitik des Landkreises anzugreifen, gegen Geflüchtete gehetzt, Angst und Hass verbreitet. Der Nährboden für den vermutlich rechtsterroristischen Anschlag.“

Nicht korrekt ist, dass die Linksjugend von der geplanten Unterbringung von 160 Asylbewerbern spricht. Tatsächlich stand zunächst die Zahl von rund 130 Personen im Raum, die in dem ehemaligen Pensions-Gasthaus Däuber einquartiert werden sollen. Dagegen regte sich bekanntlich Unmut und Widerstand in Winden; das Credo lautete: Diese Zahl sei zu hoch für den 830 Einwohner zählenden Ort. Die Gemeinde verweigerte einer entsprechenden Nutzungsänderung auf Basis eines Beschlusses im zuständigen Ausschuss das Einvernehmen; und auch im Landratsamt hielt man die Unterbringung von 130 Flüchtlingen in dem Gebäude-Komplex für nicht genehmigungsfähig. Letztlich kam es zu einer Art Kompromiss: Nun sollen 67 Asylbewerber dort einziehen. Einen entsprechenden Mietvertrag mit einer Laufzeit von sieben Jahren (plus Option auf drei weitere) hat das Landratsamt mit dem Eigentümer bereits abgeschlossen.

Im September sollten die Flüchtlinge – so der ursprüngliche Zeitplan – in dem Gebäude einziehen. In der Nacht zum 16. Juli wurde der Brandanschlag verübt. Eine eigens eingerichtete 25-köpfige Sonderkommission der Kripo, die zeitweise auf 50 Personen aufgestockt wurde, ermittelt seither mit Hochdruck. Ein fremdenfeindlicher Hintergrund wird nicht ausgeschlossen.

"Offenbarte sich der Abgrund"

Als zwei Tage nach dem Anschlag, am 18. Juli, Antifaschisten bei einer – ihren Angaben zufolge spontanen – Mahnwache in Winden „Flagge gegen rechte Hetze und Gewalt zeigten, offenbarte sich der Abgrund, der hinter der scheinbaren Idylle im oberbayerischen Landkreis Pfaffenhofen, zu dem Winden gehört, schlummert“, schreibt die Linksjugend in ihrer aktuellen Pressemitteilung: „Einige Anwohner solidarisierten sich mit der Mahnwache, doch eine Mehrzahl beschimpfte die Teilnehmer als Nestbeschmutzer und reagierte mit einer ungeheuren Aggression auf die Mahnwache“.

Die Linksjugend berichtet auch auf ihrer Internetseite über die Veranstaltung: „Es wurde zwar deutlich, wie tief der Rassismus in dieser Gemeinde, oder vielmehr: den Köpfen einer ungewiss großen Anzahl ihrer Bewohner verankert ist, aber offenbar gibt es auch jene, die ,Nein’ sagen.  Nein zu Ausgrenzung, Rassismus und Intoleranz. Wir hoffen, dass wir diese mit unserer Kundgebung unterstützt  haben. Wir werden sie und die Geflüchteten, die nach Winden kommen, nicht alleine lassen! Das versprechen wir. Wir versprechen aber auch, dass wir einer Lokalpolitik, die Rassisten nachgibt und nicht bekämpft, künftig auf die Finger schauen und auf die Füße treten werden.“ Ein Foto auf der Web-Seite soll zudem unterstreichen, dass auch die Ingolstädter Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter (Linke) bei der Kundgebung in Winden war.

"Landratsamt sollte sich schämen"

Im Nachgang derer nun Landratsamt und Kripo ermitteln. „Hier zeigt sich, wo das Problem in ganz Bayern liegt“, findet die Linksjugend. „Anstatt gegen Rechtspopulismus vorzugehen, bekämpft man antifaschistisches Engagement. Das Landratsamt Pfaffenhofen sollte sich schämen, es ist nicht weniger als eine Schande für die demokratische Kultur in diesem Lande, um die es gleichwohl in Bayern, nach dem Willen der CSU, schlecht bestellt ist.“

Schelte gibt es von der Linksjugend auch für die lokalen Medien, denen vorgeworfen wird, nach der Mahnwache eine Kampagne gegen die Aktivisten von „Lara“ und die Linksjugend entwickelt zu haben. Denn ihnen werde „wahrheitswidrig vorgeworfen, die Bevölkerung von Winden zu beleidigen und schlecht zu machen“. Ein nicht mit unserer Zeitung in Verbindung stehendes Medienhaus wird sogar namentlich angeprangert.

Fakt ist: Das Landratsamt ermittelt wegen einer offenbar nicht angemeldeten Demo und die Kripo ermittelt auf Basis von sechs Anzeigen wegen Beleidigung und übler Nachrede gegen den oder die Verfasser des Flugblatts. In dem wird den Windenern eine Mitverantwortung an dem Brandanschlag zugeschrieben. Und mit direktem Bezug zu einer auf einem Foto abgebildeten Menschengruppe aus der Demo vom März vor dem Rathaus von Reichertshofen heißt es: „Die (geistigen) Brandstifter von Winden!“

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