Berater sehen Potenzial zur Reduzierung des Defizits um 4,1 Millionen Euro pro Jahr – Beide Häuser bleiben in kommunaler Hand, beide Notaufnahmen und alle Fachabteilungen erhalten – 28 Sanierungsmaßnahmen werden angepackt, 18 Stellen abgebaut – Interims-Geschäftsführer übernimmt das Ruder, neuer Chef wird gesucht
Von Tobias Zell
Als bekannt geworden war, dass die Ilmtalklinik-GmbH mit ihren beiden Krankenhäusern in Pfaffenhofen und Mainburg im vergangenen Jahr ein Minus von satten 5,1 Millionen Euro aus dem laufenden Betrieb erwirtschaftet hat, schrillten die Alarmglocken. Die renommierte Beratungsfirma „Ernst & Young“ wurde engagiert, um die wirtschaftliche Situation unter die Lupe zu nehmen, Zukunftsperspektiven und Potenziale zu beleuchten sowie zu untersuchen, ob beziehungsweise wie die Klinik-GmbH in kommunaler Hand nachhaltig aus den tiefroten Zahlen geführt werden kann.
Nachdem heute Vormittag der Klinik-Aufsichtsrat getagt hatte, wurden im Rahmen einer Pressekonferenz die Eckpunkte der nun vorliegenden 90-seitigen Expertise vorgestellt. Und was da zu hören war, ist bemerkenswert. Denn wenn es nach den Gutachtern von „Ernst & Young“ geht, dann lässt sich das Ergebnis der Ilmtalklinik-GmbH aus dem laufenden Geschäftsbetrieb bis zum Jahr 2019 schrittweise um 4,1 Millionen Euro per anno verbessern. Will sagen: Die beiden Kliniken würden dann nur mehr ungefähr eine Million im Jahr Minus machen.
Der Pfaffenhofener Landrat Martin Wolf (CSU), zugleich Vorsitzender des Aufsichtsrats, sprach von „positiven Ergebnissen, die uns den Weg in die Zukunft aufzeigen“. Er fasste das Gutachten in vier zentralen Punkten zusammen. Erstens: Es bestehe die Möglichkeit, die Kliniken in kommunaler Hand zu halten. Gesellschafter sind bekanntlich die beiden Landkreise Pfaffenhofen (85 Prozent) und Kelheim (15 Prozent), die entsprechend ihrer Anteile auch das Defizit zu tragen haben. Mit einer Klinik in kommunaler Hand könne man selbst bestimmen, was Grund- und Regelversorgung bedeute, so Wolf. Außerdem könne man entscheiden, was man sich darüber hinaus noch leisten und das Angebot an den Bedürfnissen der Bevölkerung ausrichten.
Alle Fachabteilungen und beide Notaufnahmen bleiben
Zweitens: Die medizinischen Schwerpunkte, die der scheidende Geschäftsführer Marcel John gesetzt habe, seien die richtigen. Alle sieben Fachabteilungen können bestehen bleiben, versicherte Wolf mit Blick auf das Gutachten. Standort übergreifend seien einzelne Korrekturen notwendig. Ausdrücklich wies Wolf darauf hin, dass es weiterhin eine Notaufnahme an beiden Krankenhäusern geben soll. Obwohl sich eine Notaufnahme wirtschaftlich nicht rechne – denn ein Patient koste im Schnitt 120 Euro, bringe aber nur 30 Euro. Doch es sei wichtig, dass die Menschen in der Region im Notfall diese beiden Anlaufstellen haben.
"Ohne betriebsbedingte Kündigungen" 18 Stellen abbauen
Überhaupt, so Wolf drittens, soll an beiden Klinik-Standorten festgehalten werden. Und viertens: Die notwendigen Anpassungen, um die Klinik-GmbH aus den tiefroten Zahlen zu führen, wolle man „ohne betriebsbedingte Kündigungen hinbekommen“. Deshalb soll der angepeilte Personal-Abbau – es geht um 18 volle Stellen – auch nach und nach bis zum Jahr 2019 erfolgen. Auch interne Umverteilungen könne es geben. Das alles solle aber „möglichst personalverträglich“ erfolgen, unterstrich Wolf.
Mit Verweis auf das nun komplett vorliegende Gutachten sowie die sich daraus ergebenden Schritte und Maßnahmen sprach Wolf von einer Menge, die da zusammengetragen worden sei. Wichtig sei nun, dass man das nicht nur als Empfehlung sehe, sondern als „Handlungsvereinbarung“. Auf gut Deutsch soll das wohl heißen: Jetzt gibt’s kein Zögern und kein Zaudern mehr, jetzt muss knallhart saniert werden.
Christian Egle von „Ernst & Young“ erläuterte, dass es für die Klinik-GmbH darum gehe, nachhaltig aus der Krisen-Situation zu kommen. Er zeigte sich froh, dass man einen Weg aufzeigen könne, beide Standorte in kommunaler Struktur zu erhalten und keine Abteilung schließen zu müssen. „Punktuelle Anpassungen in den Fachabteilungen“ kündigte er aber an. So werde zum Beispiel in Mainburg die Allgemein-Chirurgie in der Unfall-Chirurgie aufgehen – hier gehe es aber nur um sechs Betten.
Egle führte schlaglichtartig aus, mit welchen Maßnahmen man das jährliche Ergebnis aus dem laufenden Betrieb bis zum Jahr 2019 um die genannten 4,1 Millionen Euro verbessern will. „Potenziale heben“ lautet hier das Stichwort. Jeweils etwa 50 Prozent dieser 4,1 Millionen sollen durch Reduzierung von Kosten und aus der Steigerung der Erlöse realisiert werden.
Woher die 4,1 Millionen Euro kommen sollen
Demnach sollen durch die Streichung von insgesamt 18 Vollstellen in Bereichen mit Überkapazitäten die jährlichen Personalkosten – derzeit rund 34 Millionen Euro – um gut 1,1 Millionen Euro reduziert werden. Betroffen seien von diesem Abbau vor allem Ärzte und Verwaltungsmitarbeiter. „Wir haben nicht vor, die pflegerische Seite zu schwächen“, sagte Egle.
Durch Maßnahmen zur Leistungssteigerung in den medizinischen Abteilungen soll sich das Betriebsergebnis letztlich um weitere 0,7 Millionen Euro pro Jahr verbessern. Insgesamt rechne man mit einem Umsatz-Plus von vier Millionen Euro, sagte Egle.
Zusätzlich 0,5 Millionen Euro sollen Maßnahmen zur Erlös-Steigerung in die Kasse spülen – gedacht ist hier zum Beispiel an die Erhöhung des Anteils von Privat-Patienten. Und um weitere sage und schreibe 1,8 Millionen Euro pro Jahr kann nach Einschätzung der Gutachter das Ergebnis aus dem laufenden Betrieb durch „Maßnahmen zur Verbesserung der innerbetrieblichen Effizienz“ gesteigert werden.
28 Maßnahmen zur finanziellen Sanierung
Insgesamt haben die Experten von „Ernst & Young“ in dem Gutachten 28 Maßnahmen im Detail beschrieben, die nun „in Form eines zeitnah startenden Sanierungs-Projekts“ umgesetzt werden sollen. Als Beispiele wurden heute die Verbesserung des OP-Managements, die Verbesserung der Codierung (zur Verringerung der negativen Rückmeldungen von Krankenversicherungen), die Zentralisierung der Sterilisation, die Verbesserung des Controllings, die Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit und Änderungen in der Küche genannt.
Landrat und Aufsichtsrat-Chef Martin Wolf (rechts) sowie drei Vertreter von "Ernst & Young" bei der heutigen Pressekonferenz.
Angesichts eines Potenzials von über vier Millionen Euro pro Jahr und 28 einzelnen Sanierungs-Maßnahmen kam freilich die Frage auf, ob denn die bisherigen Geschäftsführer etwas versäumt haben? Wolf antwortete ausweichend. Man habe im vergangenen Oktober einen „wirtschaftlichen Knick“ bemerkt und einen Leistungseinbruch. Darauf habe man „umgehend reagiert“ und nun eine „Inventur quer durchs ganze Haus“ gemacht. Er räumte aber ein, dass sich langsam und über Jahre die Schere zwischen Aufwand und Ertrag an vielen Stellen zu sehr geöffnet habe.
Ilmtalklinik kein Einzelfall
Egle sagte, dass von den 2000 Krankenhäusern in Deutschland rund 40 Prozent rote Zahlen schreiben – betroffen seien vor allem Häuser der Grund- und Regelversorgung. Auf die Frage, wie denn wirtschaftlich gesehen das erste Halbjahr 2016 für die Klinik-GmbH gelaufen sei, antwortete er unmissverständlich, ohne aber Zahlen zu nennen. Es habe „keine wesentlichen Verbesserungen“ gegeben. Das bestätige, dass die nun angestrebten Maßnahmen nötig seien.
Man sei dem scheidenden Geschäftsführer, Marcel John, dankbar für das, was er geleistet habe, sagte Wolf. Er nannte die medizinische Strategie, den Abbau von Honorarkräften und die Aufstellung des Personals. Aus den tiefroten Zahlen konnte John bekanntlich die Klinik-GmbH nicht führen. Er hat – aus privaten Gründen, wie er betonte – um die Auflösung seines Vertrags gebeten, tritt demnächst in seiner thüringischen Heimat eine vergleichbare Stelle an.
Ab 13. Juli ist John nicht mehr im Haus, sagte Wolf. Der scheidende Klinik-Chef war heute auch nicht bei der Pressekonferenz. „Wir wollen in erster Linie über die Zukunft sprechen“, lautete Wolfs Begründung.
In den kommenden neun Monaten soll nach den Worten von Wolf ein Interims-Geschäftsführer die Ilmtalklinik-GmbH führen – vermittelt worden sei der von „Ernst & Young“. Außerdem werden zwei Experten des Beraterunternehmens die Geschäftsführung in den nächsten sechs Monaten unterstützen. Man sei zu der Erkenntnis gelangt, dass ein einzelner Geschäftsführer es kaum schaffen könne, das Tagesgeschäft abzuwickeln und zudem eine „Kulturwende einzuleiten“, so Wolf.
Kontroverse im Kreisausschuss
Eigentlich sollte der Interims-Geschäftsführer heute bereits vorgestellt werden. Doch nach Informationen unserer Zeitung war es gestern im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung des Pfaffenhofener Kreisausschusses zu kontroversen und teils heftigen Diskussionen gekommen. Dem Vernehmen nach waren es nicht zuletzt Wolfs Parteifreunde, denen es zu schnell ging. Das Gremium wollte am Ende in Sachen Interims-Geschäftsführung keinen Empfehlungsbeschluss an den Kreistag fassen. Und darum konnte wohl heute der Interims-Geschäftsführer in spe auch nicht vorgestellt werden. Wolf formulierte es vor den Medienvertretern diplomatisch: Man habe das Thema gestern im Kreisausschuss erörtert und wolle es nun am 18. Juli im gesamten Kreistag behandeln. Am selben Tag will auch der Kelheimer Kreistag einen entsprechenden Beschluss fassen.
Während der Interims-Geschäftsführer mit Unterstützung von „Ernst & Young“ die finanzielle und strukturelle Sanierung der Klinik-GmbH vorantreiben soll, will man einen neuen Geschäftsführer suchen. Heute wurde laut Wolf vom Aufsichtsrat die Ausschreibung beschlossen. Er geht davon aus, dass es ungefähr ein Dreivierteljahr dauern wird, bis Johns Nachfolger antritt. Bis dahin soll der Interims-Chef die Geschäfte führen; dessen Engagement kann man bei Bedarf verlängern oder verkürzen.
Generalsanierung soll 2017 starten
Die Planungen für die anstehende bauliche Generalsanierung der Ilmtalklinik, die in den kommenden Jahren insgesamt rund 70 Millionen Euro verschlingen dürfte, sollen nach den Worten von Wolf unvermindert fortgesetzt werden. Er rechnet damit, dass in diesem Sommer im Landtag die Entscheidung fällt, und hofft darauf, dass man dann im Herbst 2017 mit dem Mega-Projekt beginnen kann. Die nun anstehenden Konsolidierungsmaßnahmen würden keine gravierenden Umplanungen für die bauliche Sanierung bedeuten, so Wolf.
Änderung der Anteile „kein No-Go“
Eine Änderung der Verteilung bei den Gesellschafter-Anteilen der Klinik-GmbH zwischen den Landkreisen Kelheim (15 Prozent) und Pfaffenhofen (85 Prozent) steht zwar im Raum, ist aktuell aber nicht auf der Agenda, signalisierte Wolf auf Anfrage unserer Zeitung. Man habe darüber gesprochen und es sei „kein No-Go“, bestätigte er. Die Vertreter beider Seiten hätten sich nicht gegen einen solchen Schritt gesperrt und „niemand verschließt sich einer objektiven Betrachtung“ – man habe das Thema aber „einvernehmlich zurückgestellt“. Wolf erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass die Kelheimer damals 25 Prozent wollten. Nun sind es aber nur 15 Prozent. Was eben bedeutet, dass der Kreis Pfaffenhofen den Löwenanteil des Millionen-Defizits tragen muss, das die beiden Krankenhäuser seit Jahren schreiben.
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