Angesichts eines drohenden Bürgerentscheids will man offenbar von der Sperrung erst einmal die Finger lassen. Stadtrat befasst sich heute erneut mit dem Thema.
(ty) Nachdem der Stadtrat im November mit der Mehrheit der bunten Koalition (SPD, FW, Grüne, ÖDP) per Grundsatz-Beschluss die Umsetzung eines Verkehrs-Konzepts abgesegnet hatte, das auch die umstrittene Sperrung der Durchfahrt zwischen Oberem und Unterem Hauptplatz für den motorisierten Privatverkehr vorsah, hatte die CSU mobil gemacht und Unterschriften für ein Bürgerbegehren gesammelt. Angesichts eines drohenden Bürgerentscheids, den man offenbar nicht riskieren will, legten Bürgermeister Thomas Herker (SPD) und seine „Bunten“ kürzlich den Rückwärtsgang ein und signalisierten, den Grundsatz-Beschluss zurücknehmen beziehungsweise ändern zu wollen.
Die Durchfahrt-Sperre – so der bunte Sinneswandel – soll der Ankündigung zufolge erst einmal doch nicht kommen. Mit dem Thema könnte sich gegebenenfalls der im Jahr 2020 neu gewählte Stadtrat befassen. In der heutigen Sitzung des Ratsgremiums (ab 17 Uhr im Festsaal des Rathauses) steht deshalb nun das Thema noch einmal auf der Agenda – und es wird davon ausgegangen, dass die bunte Koalition ihren Rückzieher nun per Beschluss offiziell macht. Dann wäre die anvisierte Durchfahrts-Sperre erst einmal vom Tisch und somit ein Bürgerbescheid nicht mehr nötig. Die CSU um ihren neuen Ortsvorsitzenden Christian Moser dürfte – sollte es denn so kommen – das als Erfolg verbuchen.
Bei der bunten Koalition hatte man sich zuletzt reichlich Mühe gegeben, das Ganze möglichst nicht zu sehr wie ein Einknicken aussehen zu lassen. Wenngleich Herker auf Anfrage unserer Zeitung eingeräumt hatte, dass man durchaus auf die Unterschriften-Sammlung der Christsozialen sowie auf einen drohenden Bürgerentscheid reagiere. „Die Zielsetzung bleibt. Die Umsetzung wird entschleunigt“, formulierte es das bunte Bündnis dann in einer Pressemitteilung. „Wir finden so eine harmonische Lösung, die allen mehr Zeit gibt. Zugleich verlieren wir aber unser Ziel nicht aus den Augen.“ Akut werde „das sicher auch etwas Druck aus dem Kessel lassen und dem Stadtfrieden gut tun“, heißt es weiter. „Skeptiker bekommen etwas mehr Zeit, die Maßnahmen nachzuvollziehen.“
Die CSU hatte sich, wie berichtet, mit der grundsätzlichen Idee, die hinter dem Verkehrs-Konzept steckt, sowie mit den allermeisten Maßnahmen einverstanden gezeigt und diese sogar goutiert. Allerdings halten die Christsozialen die Reihenfolge der geplanten Schritte für falsch und stellen sich gegen die Sperrung der Hauptplatz-Durchfahrt. Die bunte Koalition wirkt indes nicht mehr so 100-prozentig überzeugt von ihrem eigenen Beschluss. Zumindest ist man offenbar nicht bereit, es auf einen Bürgerentscheid ankommen zu lassen. Man halte zwar „an der grundsätzlichen Richtung und den wesentlichen Maßnahmen des Beschlusses fest“, erklärte das bunte Bündnis, „allerdings wird die zeitliche Umsetzung entschleunigt und über drei Jahre gestreckt“.
Kurzum: Es sollen sämtliche angepeilten Maßnahmen in Angriff genommen werden – nur nicht die umstrittene und per Bürgerbegehren angegriffene Durchfahrts-Sperre. „Nach Abschluss und Wirkung aller Baumaßnahmen, voraussichtlich erst zum 1. Quartal 2020, kann dann die Herausnahme des Durchfahrts-Verkehres durch einen Fußgängerbereich am Rentamt, bei Erhaltung der Zufahrt und Parkmöglichkeiten am Oberen und Unteren Hauptplatz folgen“, erklärte das bunte Bündnis zu seiner zeitlichen Kurs-Korrektur. Die Neuregelung solle dann „separat auf Basis des umgestalteten oberen Hauptplatzes beschlossen werden“.
„Nach Vorlage des Zeitplans und weiterer Details der notwendigen Maßnahmen, halten wir ohnehin eine zeitliche Entschleunigung für notwendig“, findet Peter Heinzlmair, Chef der FW-Fraktion. Er spielt auch darauf an, dass Bürgermeister Herker kürzlich – wenngleich nicht so ganz überzeugend – erklärt hatte, dass die Sperrung der Hauptplatz-Durchfahrt ohnehin erst im Jahr 2020 möglich sei. „Da der bauliche Beginn der Durchgangssperre in die Zeit eines neuen Gremiums fällt, soll auch dieses neue Gremium den endgültigen Beschluss fassen können“, findet Heinzlmair und sieht schon ein Wahlkampf-Thema: „Somit wird eine politische Entscheidung durch die Bürger mittels der kommenden Kommunalwahlen möglich.“
„Wir sind überzeugt, die Herausnahme des Durchgangs-Verkehrs am Hauptplatz wird den Druck auf die Innenstadt insgesamt abmildern und somit für mehr Aufenthalts-Qualität und Sicherheit sorgen“, erklärt der Dritte Bürgermeister Roland Dörfler für die Grünen. „Die bisherigen rund 6000 ausschließlich durchfahrenden Fahrzeuge können aufgrund der Berechnungen auch nicht 1:1 auf umliegende Straßen umgelegt werden. Viele Fahrten durch den Hauptplatz fallen weg, da die Durchfahrt nun nicht mehr der kürzeste Weg ist. Laut Studien und Simulations-Berechnung der Verkehrsplaner sollten es sogar weniger Autos in der Schulstraße werden.“
Verkehrs-Entlastung und die Förderung von nachhaltiger Mobilität sei höher einzuordnen, „als das Einzelinteresse zur Abkürzung durch den Hauptplatz mit dem eigenen Pkw“, findet Richard Fischer von der ÖDP. „Wir werden aus diesem Grund Konflikten zugunsten der Allgemeinheit nicht aus dem Wege gehen“, versichert er. Und ergänzt: „Wir wollen allerdings auch nicht die Fehler der Vergangenheit, beispielsweise den zehnjährigen Stillstand nach dem Bürgerentscheid und den Auseinandersetzungen zur Tiefgarage unter dem Hauptplatz, wiederholen und haben nach Möglichkeiten gesucht, wie eine harmonische Lösung für ein neues Verkehrskonzept aussehen kann.“
„Jetzt weiß auch jeder, was er zur kommenden Kommunalwahl von den Parteien zu erwarten hat“, sagt SPD-Fraktionschef Markus Käser – auch für ihn wird offenbar die Durchfahrts-Sperrung zum Wahlkampf-Thema 2020. Sein Kommentar: „Die einen packen unbequeme Themen an, geben Vollgas in Richtung nachhaltiger, gesunder und sicherer Mobilität sowie für weniger Autos und mehr Raum fürs Leben, die anderen steigen auf die Bremse, wenn es um die Bewahrung von Bequemlichkeiten, ungesunder Angewohnheiten und rückwärtsgewandter Verkehrs-Konzepte geht. Schön zu wissen, wo man hingehört.“
Wobei, so sieht es zumindest aus, die bunte Koalition in der heutigen Sitzung wohl selbst auf die Bremse treten wird, um mit der Modifizierung des Grundsatz-Beschlusses einem drohenden Bürgerentscheid aus dem Weg zu gehen. Für die einen mag das – wenn es so kommt – ein Kompromiss sein, für die anderen ein voller Erfolg der CSU.
Schnapp: "CSU steht für Lärm und Gestank"
Kerstin Schnapp, Kreischefin der Grünen, ist indes der Meinung: „Die CSU steht für Lärm und Gestank!“ Während für die Bürger ein umweltschonenderes Mobilitäts-Verhalten sowie der Schutz vor Lärm und Abgasen immer wichtiger werde, hätten die Christsozialen einzig die Frage im Kopf: „Wie kann ein Auto ohne Hindernisse durch den Hauptplatz fahren?“ Die Entscheidung der bunten Koalition, „eine harmonisierende Lösung anzubieten und Skeptikern die Möglichkeit zu geben, die verkehrsberuhigenden Maßnahmen nachzuvollziehen“, trage zu „Frieden und Harmonie“ bei.
„Ich bezweifle aber, dass die CSU jemals von ihrer Fokussierung auf das Auto Abstand nimmt und im konkreten Fall kompromissbereit ist“, so Schnapp weiter. Im Landkreis gebe es mehr Autos als Einwohner, sagt sie mit Verweis auf die jüngste Statistik. In diesem Zusammenhang habe sich die CSU in den vergangenen Wochen klar positioniert: „Die immer größer werdende Blechlawine soll weiter durch das Herz der Stadt rollen.“ Die Grünen-Kreisvorsitzende wirft Moser & Co. vor: „Lärm und Gestank sollen aus Sicht der CSU bewahrt werden. Dieses Etikett wird für immer an der CSU kleben bleiben, zumal sie nun auch das Bürgerbegehren eingereicht hat.“
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