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Kann der nach einem schweren Unfall unter Amnesie leidende Landrat Martin Wolf (CSU) seine Wiederwahl annehmen? Möglicherweise bekommt er mehr Zeit, als zunächst gedacht.

Von Tobias Zell

Das Ergebnis war unmissverständlich. Mit fast 75 Prozent der Stimmen wurde Martin Wolf (CSU) am Sonntag im Amt des Pfaffenhofener Landrats bestätigt. Die Frage, wen die Wähler an der Spitze des Landkreises wollen, ist damit klar beantwortet. Die Frage, ob Wolf aber angesichts seines Gesundheitszustands überhaupt in der Lage ist, diese Wahl auch anzunehmen, ist nach wie vor offen. Eine heute aus der Kreisbehörde veröffentlichte Mitteilung lässt nun aber die Situation möglicherweise in einem anderen Licht erscheinen.

Die tragische Vorgeschichte ist bekannt. Martin Wolf, mit dem Motorrad unterwegs, war am 2. April in einen folgenreichen Unfall verwickelt worden und liegt seither mit schweren Verletzungen im Krankenhaus. Das Unglück ereignete sich gegen 12.05 Uhr auf der A 99 in Richtung Stuttgart. Wolf wurde auf dem Verzögerungsstreifen der Anschlussstelle München-Neuherberg von einem Auto erfasst. Eine 53-jährige VW-Fahrerin war nach Angaben der Polizei mit ihrem Pkw auf das vor ihr fahrende Honda-Motorrad des 61-Jährigen aufgefahren.

 

Wolf wurde mit dem Rettungshubschrauber in ein Klinikum gebracht. An der heißen Phase des Wahlkampfs konnte der Schwerverletzte damit gar nicht aktiv teilnehmen. Unter dem Motto „Wir für Martin“ warben seine Parteifreunde derweil für ihn um Unterstützung. Das Drama fand allerdings einen weiteren Höhepunkt, als wenige Tage vor der Wahl bekannt wurde, dass Wolf durch den Unfall an Amnesie leidet – sprich: Gedächtnisstörungen beziehungsweise  Erinnerungslücken hat. 

Das Ergebnis, das Wolf am Sonntag erhielt, war sensationell. Von den exakt 99 187 Wahlberechtigten hatten 33 452 ihre Stimme abgegeben, davon waren 281 ungültig. Die Wahlbeteiligung lag damit bei 33,73 Prozent. Auf Wolf entfielen überwältigende 74,6 Prozent der Stimmen – das sind 24 746. Bei Norbert Ettenhuber von den Grünen machten 4237 Bürger ihr Kreuzchen, das entspricht 12,77 Prozent. FDP-Kandidat Franz Niedermayr  konnte 4188 Stimmen auf sich vereinen, das bedeutete 12,63 Prozent. Diese Zahlen stellte der Wahlausschuss am Montag offiziell fest.

Unverzüglich verständigen 

Doch über dem famosen Wahl-Erfolg schwebte unweigerlich die Frage, ob Wolf überhaupt gesundheitlich in der Lage sein wird, innerhalb der vorgegebenen Frist die Wahl anzunehmen. Denn das bayerische „Gesetz über die Wahl der Gemeinderäte, der Bürgermeister, der Kreistage und der Landräte“, kurz Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz (GLKrWG), gibt vor, dass der Wahlleiter den Gewählten unverzüglich von dessen Wahlsieg verständigt und ihn zugleich auffordert, binnen einer Woche zu erklären, ob er die Wahl annimmt. 

Wird die Wahl nicht wirksam angenommen, gilt sie als abgelehnt und es findet eine komplette Neuwahl statt – laut Gesetz soll diese innerhalb von drei Monaten nach Ablehnung der Wahl erfolgen. Der Termin dafür würde von der Regierung von Oberbayern festgelegt. Für diese neuerliche Wahl müssten die Parteien ihre Kandidaten zunächst wieder in dem vorgeschriebenen Verfahren nominieren. Auch alle Parteien, die für die Wahl am vergangenen Sonntag keinen Bewerber ins Rennen geschickt hatten, könnten dann einen Kandidaten aufstellen.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund prüfte nun der hiesige Wahlleiter, Heinz Taglieber, drei Tage lang das weitere Vorgehen. Dabei zog er die Juristen aus dem Landratsamt ebenso zu Rate wie die Regierung von Oberbayern und das bayerische Innenministerium. Es ist nachvollziehbar, dass es in einem solch speziellen Fall zahlreiche Details zu klären gilt.

Es ging zum Beispiel um die Frage, wie – also in welcher Form und auf welchem Wege – Martin Wolf von seinem Wahlsieg verständigt werden kann. Die Zustellung sei „noch nicht endgültig geklärt“, hieß es am Montag. Klar sei dagegen, dass dies „unverzüglich“ zu geschehen habe. „Unverzüglich“ bedeute: „ohne schuldhaftes Verzögern“. Praktisch heißt das wohl: sofort, sobald alle Fragen geklärt sind.

Am gestrigen Donnerstag nun haben Taglieber, ein Jurist des Landratsamts und Vize-Landrat Anton Westner (CSU) einen Besuch bei Martin Wolf gemacht. „Um sich ein Bild über den Gesundheitszustand zu machen“, wie per Pressemitteilung aus der Kreisbehörde erklärt wurde. „Eine Verständigung über den Ausgang der Wahl vom 7. Mai fand dabei nicht statt“, heißt es weiter, „weil eine akut erforderliche medizinische Behandlung dies nicht ermöglichte.“ 

Hier die Erklärung aus dem Landratsamt im Wortlaut:

„Wahlleiter besucht Landrat Martin Wolf. Der Wahlleiter des Landratsamts Pfaffenhofen a. d. Ilm, Heinz Taglieber, ein Jurist des Landratsamts sowie der Stellvertreter des Landrats Anton Westner haben heute Martin Wolf besucht, um sich ein Bild über den Gesundheitszustand zu machen. Eine Verständigung über den Ausgang der Wahl vom 7. Mai fand dabei nicht statt, weil eine akut erforderliche medizinische Behandlung dies nicht ermöglichte. Der Besuch fand am derzeitigen Aufenthaltsort von Landrat Martin Wolf statt, der nach wie vor medizinisch betreut wird.“

Genau in jenem Satz, in dem von der nicht erfolgten „Verständigung“ die Rede ist, versteckt sich nun mutmaßlich die grundlegend neue Erkenntnis. Denn in dem zuvor genannten Passus des „Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes“ ist eben nicht davon die Rede, dass dem Wahlsieger die Nachricht von seiner Wahl übermittelt, überbracht oder übergeben wird, sondern es heißt: „Der Wahlleiter verständigt“ ihn.  Und erst, wenn er „verständigt“ ist, beginnt demnach die Frist von einer Woche. Wolf wurde der Erklärung aus dem Landratsamt zufolge heute aber nicht verständigt.

Was bedeutet "verständigen"?

Der Begriff der „Verständigung“ erscheint auslegungsfähig. Wenn man es eng sieht, dann bedeutet „verständigt“ nicht mehr und nicht weniger als „informiert“ – und die Frist würde ab diesem Zeitpunkt laufen. Man könnte aber zum Beispiel auch die Sichtweise vertreten, dass jemand erst dann als „verständigt“ gilt, wenn er „verständig“ ist beziehungsweise „verstanden“ hat. Im „Duden“ finden sich drei Bedeutungen von „verständigen“, eine davon lautet: „Bewirken, dass eine Mitteilung zu einem anderen gelangt und (akustisch, inhaltlich) verstanden wird.“ War also der heutige Besuch von Taglieber & Co. bei Wolf ein erstes Vortasten, ein erster Anlauf? Im wahrsten Sinne des Wortes ein erster Verständigungs-Versuch?

 

Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus möglich, dass Martin Wolf nach seinem Wahlsieg vom 7. Mai deutlich mehr Zeit hat, ehe er sich erklären muss, als zunächst angenommen. Es kommt mutmaßlich darauf an beziehungsweise es hängt viel davon ab, wann man ihn von seiner Wahl als „verständigt“ sieht – und ab diesem Zeitpunkt hätte er dann immer noch eine Woche Zeit. 

Bei der Abwägung, die einer solchen Auslegung zugrunde liegt, könnte eventuell auch der Wille der Wähler eine Rolle spielen. Die haben sich schließlich mit überwältigender Mehrheit für Wolf als Landrat ausgesprochen. 

Und dass ein Kreis – gerade der hiesige – auch viele Monate lang vom Vize-Landrat geführt werden kann, das haben die zuständigen Behörden erst vor einigen Jahren nach der Suspendierung und der späteren Amtsenthebung des Pfaffenhofener Kreischefs Josef Schäch (damals FW) bewiesen. Vize Westner führte die Geschäfte, bis dann im Jahr 2011 Martin Wolf zum regulären Nachfolger von Schäch gewählt worden war.

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