Der Pfaffenhofener Kreischef ist seit 2. April im Krankenstand: Das Gremium kann ein Verfahren einleiten und hat letztlich über eine mögliche Dienstunfähigkeit zu befinden. Grundlage wäre ein ärztliches Gutachten.
(zel) Am Mittwoch hat die zweite Amtszeit von Landrat Martin Wolf (CSU) begonnen, der vor vier Monaten bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen sowie eine Amnesie erlitten hat und seither im Krankenstand ist. Wann er zurückkehrt, ist nach wie vor völlig unklar. Die einen gehen davon aus, dass es Monate dauern könnte. Andere bezweifeln, dass er das Amt überhaupt noch bekleiden kann. Die Frage nach der Dienstfähigkeit steht nun konkreter denn je im Raum. Der Kreistag ist dabei das entscheidende Gremium, wie unsere Redaktion in Erfahrung gebracht hat: Es könnte die Dienstunfähigkeit von Wolf feststellen, dann würde das Ruhestands-Verfahren eingeleitet.
Unsere Zeitung hatte anlässlich des Beginns der zweiten Amtszeit von Landrat Martin Wolf am 2. August – zugleich exakt vier Monate nach dem tragischen Unfall – eine Zusammenfassung dieses bundesweit einmaligen Falls (Neues Kapitel im Drama um Landrat Martin Wolf) veröffentlicht. Und obwohl in dem Beitrag keine neuen Erkenntnisse zu lesen waren, weil er vielmehr eine nüchterne Chronologie der Geschehnisse bot, befeuerte diese Zusammenfassung doch eine kontroverse Debatte – nicht zuletzt in den sozialen Medien.
Die Einlassungen können auf folgende Sichtweisen und Fragen verdichtet werden:
- Man möge Martin Wolf die Zeit geben, die er braucht, und ihn in Ruhe lassen.
- Wolf wurde mit 75 Prozent unmissverständlich wiedergewählt und ist nun eben im Krankenstand.
- Ungeachtet des tragischen Unglücks: Wann wird der Landkreis wieder von einem gewählten Landrat geführt?
- Wenn sich Wolf – wie aus verschiedenen Mitteilungen hervorging – auf dem stetigen Weg der Besserung befindet, warum gibt es auch nach vier Monaten noch kein Statement von ihm?
- Wenn Wolf, wie offiziell verlautbart, das Geschehen im Landkreis – auch über die lokalen Medien – verfolgt und die aktuelle Diskussion über seine Person mitbekommt: Warum meldet er sich nicht zu Wort – in der Frage zu seiner Rückkehr oder überhaupt in einem direkten Statement an die Landkreis-Bürger?
- Bereits am 23. Juni hatte der CSU-Kreisvorsitzende und Landtags-Abgeordnete Karl Straub erklärt: Wolfs Amnesie sei nur „eine sehr kurze Erscheinung gewesen“, der Gedächtnisverlust „vollkommen behoben“. Warum gibt es dann aber nach wie vor keine unmittelbare Nachricht von Wolf, kein Foto, kein Video? Sogar taktische Spielchen waren der CSU vorgehalten worden.
- Wie sieht es mit der Frage der Dienst(un)fähigkeit von Wolf aus?
Martin Wolf, mit dem Motorrad unterwegs, war am 2. April in einen folgenreichen Unfall verwickelt worden. Das Unglück ereignete sich auf der A 99 in Richtung Stuttgart. Wolf wurde auf dem Verzögerungsstreifen der Anschlussstelle München-Neuherberg von einem Auto erfasst. Eine 53-jährige VW-Fahrerin war laut Polizei mit ihrem Pkw auf das vor ihr fahrende Honda-Motorrad des 61-Jährigen aufgefahren. Wolf wurde mit schweren Verletzungen per Rettungshubschrauber in ein Klinikum geflogen. An der heißen Phase des Wahlkampfs konnte er damit nicht aktiv teilnehmen.
Das Drama fand einen weiteren tragischen Höhepunkt, als wenige Tage vor der Wahl bekannt wurde, dass Wolf durch den Unfall an Amnesie leidet – sprich: Gedächtnisstörungen beziehungsweise Erinnerungslücken hat. Am 7. Mai wurde Wolf – trotz zweier Gegenkandidaten – mit fast 75 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Doch über dem famosen Wahl-Erfolg schwebte sofort und unweigerlich die Frage, ob er überhaupt gesundheitlich in der Lage sein wird, innerhalb der vorgegebenen Frist die Wahl anzunehmen.
Facebook-Post von Karl Straub.
Diese Frage ist seit 25. Mai beantwortet: An diesem Tag nämlich nahm Wolf die Wahl offiziell an. Und seit 23. Juni darf man außerdem davon ausgehen, dass Wolfs Amnesie auch der Vergangenheit angehört – so hatte es der Landtags-Abgeordnete Straub verkündet. Wenige Tage später, am 29. Juni, hatte allerdings Vize-Landrat Westner die Aussagen seines Parteifreunds Straub aus dem Landratsamt heraus relativiert: Die Gedächtnis-Leistung von Wolf mache "sehr gute Fortschritte", ließ Westner wissen.
Straub sieht sich seither immer wieder, neuerdings verstärkt, mit einem eigentlich unvorstellbaren Verdacht konfrontiert: Er beziehungsweise die CSU hätten die Situation viel zu euphorisch dargestellt, lautet da noch die allerharmloseste Formulierung. Straub selbst versicherte immer wieder, man habe die Öffentlichkeit stets wahrheitsgemäß informiert. Alle Informationen, "die derzeit nach außen gehen", seien "mit dem Landratsamt und der Familie abgestimmt", erklärte er am Freitag auf Facebook: "Die CSU nimmt darauf keinen Einfluss." Offen bleibt, ob Straubs Aussage, dass Wolfs Amnesie "vollkommen behoben" sei, noch gilt. Relativiert hat er sie bislang nicht. Westners Angabe, wonach Wolfs Gedächtnis-Leistung "sehr gute Fortschritte" macht, ist indes aktueller und deutlich zurückhaltender.
Am 2. August jedenfalls begann Wolfs zweite Amtszeit – in krankheitsbedingter Abwesenheit. Letzter Stand zum Gesundheitszustand: Wolf befinde sich nach wie vor auf einem „guten Weg“, teilte ein Sprecher des Landratsamts am besagten 2. August auf Anfrage unserer Redaktion mit. Wolf werde nach wie vor in einer Rehabilitations-Einrichtung betreut und bekomme täglich Therapien, die seiner Gesundung zuträglich seien. Für die vollkommene Genesung werde er aber noch Zeit brauchen. Es gelte – so hieß es weiter – noch immer die bereits in einer früheren Pressemitteilung getroffene Aussage, dass dies noch mehrere Monate dauern könne.
In der dieser Tage nun deutlich intensiver werdenden Debatte geht es auch um die Dienst(un)fähigkeit von Martin Wolf. Unsere Zeitung hatte dazu bereits am 1. August einige Fragen an das Pfaffenhofener Landratsamt geschickt – nachdem die Regierung von Oberbayern sich nicht zuständig sah und an die Kreisbehörde verwiesen hatte. Am Freitag nun erreichten unsere Redaktion die detaillierten Antworten aus dem Pfaffenhofener Landratsamt, die wir im Folgenden vollständig und im Wortlaut wiedergeben:
Ist es richtig, dass der Kreistag per Beschluss die Dienstfähigkeit/Dienstunfähigkeit des Landrats überprüfen beziehungsweise klären lassen kann?
Der Landrat ist Beamter auf Zeit. Dienstherr ist der Landkreis (Art. 31 Landkreisordnung – LkrO). Nach Art. 30 Abs. 1 Nr. 12 LkrO ist der Kreistag für die Beschlussfassung in beamten-, besoldungs-, versorgungs- und disziplinarrechtlichen Angelegenheiten des Landrats zuständig. Anders lautende Regelungen im Gesetz über kommunale Wahlbeamte (KWBG) gibt es nicht.
Art. 23 KWBG regelt das Verfahren zur Feststellung der Dienstunfähigkeit bei kommunalen Wahlbeamten. Der Beamte kann von sich aus einen entsprechenden Antrag stellen (Art. 23 Abs. 1 KWBG). Wenn der Dienstherr die Prüfung der Dienstunfähigkeit für erforderlich hält, kann er das Verfahren einleiten (Art. 23 Abs. 2 KWBG).
Den Beschluss zur Einleitung des Verfahrens nach Art. 23 Abs. 2 KWBG sowie die Entscheidung über die Feststellung der Dienstunfähigkeit trifft der Kreistag. Es gelten die allgemeinen Bestimmungen zum Geschäftsgang (Art. 40-49 LkrO); Beschlüsse des Kreistags werden in offener Abstimmung mit Mehrheit der Abstimmenden gefasst (Art. 45 Abs. 1 LkrO).
Auf welcher Grundlage könnte das Gremium diesen Beschluss fassen? Welche Mehrheit ist dafür notwendig?
Rechtsgrundlage ist Art. 23 KWBG. Der Beschluss wird mit der Mehrheit der Abstimmenden gefasst (Art. 45 Abs. 1 LkrO).
Wie wären im Falle eines solchen Beschlusses die weiteren Schritte und wer leitet sie ein?
Hält der Dienstherr die Dienstunfähigkeit für gegeben und stellt der Beamte selbst keinen Antrag, so teilt der Dienstherr dem Beamten schriftlich mit, dass die Feststellung der Dienstunfähigkeit beabsichtigt sei; die Gründe hierfür sind anzugeben. Erhebt der Beamte innerhalb eines Monats keine Einwendungen gegen die Feststellung der Dienstunfähigkeit, so entscheidet der Dienstherr auf der Grundlage eines amtsärztlichen Gutachtens über die Dienstunfähigkeit. Es gelten dann dieselben Bestimmungen wie für den Fall, dass der Beamte einen eigenen Antrag gestellt hat. Erhebt der Beamte Einwendungen, so entscheidet der Dienstherr, ob das Verfahren einzustellen oder fortzuführen ist. (Art. 23 Abs. 1 und 2 KWBG)
Wer entscheidet letztlich über die Frage der Dienst(un)fähigkeit eines Landrats?
Dienstherr des Landrats ist der Landkreis. Zuständiges Organ ist der Kreistag.
Was passiert, wenn eine Überprüfung zum Ergebnis käme, dass eine Dienstunfähigkeit vorliegt?
Das amtsärztliche Gutachten dient als Entscheidungshilfe für die Feststellung der Dienstunfähigkeit im Einzelfall. Kommt der Dienstherr zum Ergebnis, dass keine Dienstunfähigkeit gegeben sei, stellt er das Verfahren ein (Beschluss des Kreistags). Kommt der Dienstherr zum Ergebnis, dass eine Dienstunfähigkeit gegeben sei (Beschluss des Kreistags), wird das Ruhestands-Verfahren eingeleitet.
Der Pfaffenhofener Landrat, seit seinem Unfall im Krankenstand, tritt am 2. August seine zweite Amtszeit an. Nach welchem Zeitraum des Krankenstands würden die zuständigen Behörden von sich aus tätig werden und die Frage nach der Dienst(un)fähigkeit stellen? Gibt es da bestimmte Regelungen?
Der Dienstherr muss die Dienstunfähigkeit für gegeben halten. Der Begriff der Dienstunfähigkeit ist im § 26 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG; Bundesgesetz) in Verbindung mit Art. 65 Bayer. Beamtengesetz (BayBG) zu beurteilen: Danach sind Beamte in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass er innerhalb von weiteren sechs Monaten wieder voll dienstfähig wird. Entscheidungshilfe bietet ein amtsärztliches Gutachten. Zuständig ist der Kreistag. Die Tagesordnung wird vom Landrat, das heißt: in der Zeit des Krankenstandes von Landrat Martin Wolf vom Stellvertreter des Landrats, Anton Westner, aufgestellt (§ 15 der Geschäftsordnung des Kreistags). Mitglieder des Kreistags haben das Recht, Anträge zu stellen (vgl. § 16 der Geschäftsordnung des Kreistags).
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