Was den Pfaffenhofener Landrat antreibt und umtreibt. Im Gespräch mit unserer Zeitung findet er deutliche Worte und zeigt sich entschlossen.
Von Tobias Zell
Erst vor einigen Tagen hat er sich selbst als "unbequem" bezeichnet. Wer mit dieser Haltung ein Problem hat, dem kann wenig Hoffnung auf Erleichterung gemacht werden. "Im Gegenteil", sagt der Pfaffenhofener Landrat Martin Wolf (CSU) im Gespräch mit unserer Zeitung: "Es wird für mich und andere eher noch ungemütlicher als gemütlicher." Ihm sei bewusst, dass er immer weniger auf Partei-Zugehörigkeit achte. Vielmehr gehe es darum, was für die Zukunft des Landkreises und die Menschen notwendig sei. Gut ein Jahr lang steht er noch an der Spitze des Kreises. "Ich werde bis zum letzten Tag mit Vorschlägen kommen", prophezeit Wolf. Er könne und werde sich weder ändern noch verbiegen. "Wenn sich zeigen sollte, dass ich falsch unterwegs war, kann das mein Nachfolger korrigieren."
Mitte Januar hatte Wolf offiziell erklärt, dass er seine aktuelle Amtszeit – wie ja ursprünglich zugesagt – halbieren werde und dann auch nicht mehr für eine weitere Amtszeit kandidieren wolle. Mit dem zwischenzeitlichen Gedankenspiel, vielleicht doch die vollen sechs Jahre zu absolvieren, hatte er bekanntlich nicht nur in seiner Partei für Aufregung und Empörung gesorgt. Letztlich hatte er diese Alternative verworfen. Wolf hört demnach nächstes Jahr als Landrat auf, durch diese Amtszeit-Verkürzung können dann die Wahl des Kreis-Oberhaupts und die Wahl des Kreistags wieder zusammen stattfinden. Martin Wolf – am 4. Januar 63 Jahre alt geworden – hat bereits angekündigt, sich dann komplett aus der Politik zu verabschieden.
"Wir fallen stündlich zurück"
Doch bis dahin ist allem Anschein nach noch schwer ihm zu rechnen. Er wirkt visionär wie nie zuvor, die großen Themen haben es ihm seit seiner Rückkehr aus dem Krankenstand – nach seinem schweren Verkehrsunfall – besonders angetan: Kampf dem Klimawandel ("Eine Photovoltaik-Anlage mehr oder weniger reißt nix mehr aus"), Digitalisierung auf allen Ebenen ("Wir fallen stündlich zurück, nicht täglich"), Schaffung von Wohnraum ("Die ganzen Regelungen zum Mietpreis müssen weg"). Immer wieder spricht er diese Themen an.
Erst am vergangenen Montag sorgte er für Diskussionsstoff, als er sich beim Neujahrs-Empfang der Pfaffenhofener Kreis-CSU im Kloster von Scheyern praktisch für eine Besteuerung der Wert-Zuwächse von Immobilien und Grundstücken stark machte. Vor rund 300 Leuten forderte Wolf diesbezüglich Änderungen in der Fiskal-Politik – und bezeichnete sich selbst als "unbequem". Im Gespräch mit unserer Zeitung erläutert er auch das noch einmal ausführlich.
Der Unbequeme
"Ich stelle selbst fest, dass ich in gewissen Phasen unbequem bin für manche", sagt Wolf. Und ergänzt mit Blick auf die eigenen Farben: Das liege wohl auch daran, "dass ich immer weniger auf Partei-Zugehörigkeit achte". Der Gradmesser seines Handelns und seiner Überlegungen ist seinen Worten zufolge vielmehr die Frage nach der Notwendigkeit. Es gehe um die Zukunft des Landkreises und der Menschen.
Wolf räumt freimütig ein: Er habe natürlich überlegt, ob sein "Unbequem-Sein" beim Fokussieren von Themen beziehungsweise bei der Frage nach den Prioritäten mit seinem schweren Unfall zu tun hat. "Ich glaube aber: Eher nicht", sagt er. Während seiner krankheitsbedingten Abwesenheit wurde er im Jahr 2017 mit rund 75 Prozent als Landrat wiedergewählt. "Die Rückkehr ins Amt war immer mein Antrieb", sagte er in einem Interview mit unserer Zeitung. Als er aus dem künstlichen Koma erwacht sei, habe er gleich wieder "Leidenschaft für diese Tätigkeit" verspürt. Sätze wie "Ich bin wieder der Alte" oder "Ich werde wieder der Alte" werde man von ihm jedoch nicht hören, erklärte er seither bei verschiedenen Anlässen. Ein Ereignis wie dieser schwere Unfall präge einen und verändere den Blick auf das Leben.
Ein bisschen befreiend
Der "neue" Wolf will weder bestätigen noch ausschließen, dass auch der 15. Januar noch einmal eine Rolle für seine Sicht der Dinge gespielt hat. Seit seiner Erklärung, im nächsten Jahr als Landrat aufzuhören und sich zugleich ganz aus der Politik zu verabschieden, muss er sein Handeln nicht mehr in Einklang mit einer möglichen Wiederwahl bringen. Ein bisschen eine "Befreiung" sei das schon, räumte er jetzt im Gespräch mit unserer Redaktion ein. "Die Energie zu einem weiteren eigenen Wahlkampf fehlt mir", hatte er ja bereits erklärt. Trotzdem: Er hat noch viel vor.
Auf Partei-Zugehörigkeit achtet CSU-Politiker Martin Wolf nach eigenem Bekunden immer weniger. (Archivfoto: Zell)
Der "Gedanke an die Endgültigkeit meiner politischen Laufzeit" sei seither sehr präsent, sagt Wolf: "Ich habe ja nur noch begrenzt Zeit." Ihn treibt die zentrale Frage um: "Was ist noch zu tun, damit wichtige Weichen für die Zukunft gestellt werden?" In Sachen Digitalisierung spüre er da "großes Einvernehmen und breite Akzeptanz". Anders sei das hingegen beim Kampf gegen den Klimawandel und bei der Schaffung von Wohnraum: "Da sehe ich mich noch relativ alleine unterwegs, verwirre offenbar sogar kommunalpolitische Kollegen und Parteifreunde." Worum geht es ihm konkret? Wir haben nachgefragt.
Neu-Definition von "einheimisch"
"Wir müssen Bauland für unsere Bevölkerung bereitstellen", proklamiert Wolf. Das geht seiner Meinung nach wohl nur über Einheimischen-Modelle. Dabei müsse eventuell auch "einheimisch" neu definiert werden – nicht nur nach Verweildauer der Menschen. "Leistungsträger aus der örtlichen Gemeinde müssen Vorrang haben." Wenn der Investor aus Russland dem Spengler aus Wolnzach gleichgestellt werde, dann sei jede Form der politischen Steuerung preisgegeben. Die von ihm angeregten Neu-Definitionen seien "kernige politische Arbeit", doch hier sei Courage gefragt. "Wenn man den Mut nicht hat, dann kann man es gleich aufgeben."
Ferner postuliert Wolf, wie erwähnt, eine Veränderung in der Steuer-Struktur. Überproportionale Gewinn- beziehungsweise Wert-Zuwächse bei Immobilien, die eine Rückgabe in den Markt verhindern, sollten seiner Meinung nach besteuert werden. Konkret meint er damit zum Beispiel Grundstücke, die bewusst unbebaut blieben beziehungsweise blockiert würden, um sie etwa für die Kinder aufzuheben. Besser wäre es aus seiner Sicht, solche Flächen zu nutzen, sie zu bebauen und – so lange man keinen Eigenbedarf habe – zu vermieten.
"Regelungen zum Mietpreis weg!"
Äußerst kritisch sieht Wolf diverse Regelungen im Immobilien-Bereich. Jede gesetzliche Mietpreis-Bremse sei "ein Weg in die falsche Richtung". Denn das verleitet seiner Einschätzung nach Eigentümer eher dazu, Wohnungen lieber leer stehen zu lassen und vom Wertzuwachs zu profitieren, als sie zu vermieten und "herunterwohnen" zu lassen. Seine Vorschläge: "Alle Regelungen zum Mietpreis weg, die Gesetze zum Mieterschutz verschlanken." Im Gegenzug müsse das zwischen Vermieter und Mieter – zu Beginn des Mietverhältnisses – Vereinbarte über allem stehen, und zwar bedingungslos für die Laufzeit der Vereinbarung.
In Zusammenhang mit dem Klimawandel will Wolf vor allem mit zwei Grundgedanken aufrütteln. Zum einen verweist er auf ein Zitat des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama: "Wir sind nicht die letzte Generation, die den Klimawandel erleben wird, aber wir sind die letzte Generation, die etwas gegen den Klimawandel tun kann." Zum anderen unterstreicht er eine Erkenntnis, die er aus der jüngsten Klima-Konferenz in Kattowitz gewonnen hat: "Wir in Mitteleuropa werden im Jahr 2050 ein Klima haben wie heute in Zentralafrika – nur die Afrikaner sind dann nicht mehr zu Hause."
"Das ist anstrengend"
Ob Digitalisierung, Klimawandel, Wohnraum oder andere Themen. Er sei sehr selbstkritisch, sagt Wolf. "Ich bin immer intensiver auf der Suche: Gibt es noch einen besseren Vorschlag oder Weg? Das ist anstrengend." Aus dem Feedback seiner Mitarbeiter vernehme er bei den großen Themen keinen Korrekturbedarf für den von ihm eingeschlagenen Kurs – sie fänden die Marschroute "sehr in Ordnung". Ihm sei jedenfalls wichtig, die Themen nicht nur zu benennen, sondern auch anzugehen. Und: "Wenn sich zeigen sollte, dass ich falsch unterwegs war, kann das mein Nachfolger korrigieren."
Einen Gang zurückschalten will Wolf ausdrücklich nicht. "Die Kollegen müssen davon ausgehen, dass ich bis zum letzten Tag im Amt mit Vorschlägen kommen werde", betont er. Sein Ziel sei es, möglichst vieles, was anstehe, zu erledigen. "Ich werde vieles nicht abschließen können. Aber ich will zumindest die Fundamente so setzen, dass Themenfelder nicht mehr beiseite gelegt werden können." Das eine oder andere Thema scheint indes noch dazuzukommen. Ohne Details zu nennen, kündigt Wolf an: "Es gibt noch einige Vorhaben, die den richtigen Zeitpunkt brauchen, um ausgesprochen zu werden."
"Sonderrolle"
Viele Dinge könne er zudem nicht ohne die Gemeinden und nicht ohne die Kommunal-Politiker angehen, mitunter brauche es auch Arbeitsgruppen. "Ich habe den Eindruck, das ist anstrengend", sagt er auch mit Blick auf die Stimmung in der Kreis-CSU sowie auf die einflussreichen Bürgermeister, die ja viele eigene Aufgaben haben. Doch Wolf gibt sich entschlossen: "Es wird für mich und andere eher noch ungemütlicher als gemütlicher." Wolf bleibt also unbequem. Er weiß um seine "Sonderrolle", wie er es selbst nennt: Zum einen in der exponierten Position als Landrat – zum anderen als Politiker, der eben keiner Wiederwahl mehr entgegenstrebt. Ob das Fluch oder Segen ist? "Das hält sich die Waage", sagt er. "Klar ist, dass ich mich nicht ändern oder verbiegen kann."
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